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Kommentar: Schleppende Aufräumarbeiten und mangelhafter Wiederaufbau

Daniel Scheschkewitz, Washington29. August 2006

Trotz erheblicher Ausgaben gleichen Teile von New Orleans auch ein Jahr nach "Katrina" noch immer einem Trümmerfeld. Im Katastrophenschutz wurden auch nicht die nötigen Konsequenzen gezogen, meint Daniel Scheschkewitz.

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Katrina - der Name ist auch nach einem Jahr noch unauflösbar mit einem todbringenden Hurrikan, mit der Überflutung von New Orleans, mit Tod, Elend und Zerstörung an der Golfküste der USA verbunden. Katrina, das war aber nicht nur ein verheerender Hurrikan.

Fernschreiber Autorenfoto, Daniel Scheschkewitz

In der Folge der wohl größten Naturkatastrophe in der Geschichte des Landes trat auch das Unvermögen der staatlichen Stellen in den so mächtigen USA zutage, ein absehbares Desaster mit der gebotenen Voraussicht und Effizienz abzuwenden oder doch zumindest soweit abzufedern, dass Menschenleben und die Menschenwürde gewahrt blieben. Stattdessen warteten Tausende auf den Dächern ihrer gefluteten Häuser tagelang auf Rettung, starben an Hunger und Durst oder in den Fluten der Wassermassen, während Regierungsbürokraten in Washington noch immer der müßigen Frage nachgingen, ob die Deiche gebrochen oder nur überspült waren. Kommunkationsstränge verliefen sich im Sande, Rettungsdienste verirrten sich im Chaos und die Politiker schoben sich gegenseitig den schwarzen Peter zu. Die größte Industrienation der Erde bot in den Tagen nach Katrina ein erbärmliches Bild von Inkompetenz, Armut und Ignoranz.

Trotz Milliardenausgaben keine Spur von Wiederaufbau

Seitdem sind Milliarden an Steuermitteln aufgebracht worden, Evakuierungspläne neu gefasst und Sammelunterkünfte erbaut worden. Es wurden Personen ausgewechselt und Bauvorschriften erlassen. Und doch steht das Versprechen von Präsident George W. Bush, New Orleans würde wieder aufgebaut, bisher weitgehend unvollendet im Raum. Im "Lower Ninth Ward", einem der am schlimmsten zerstörten Stadtgebiete, stapeln sich auch heute noch die Trümmer meterhoch. Die Aufräumarbeiten verlaufen bestenfalls schleppend, von Wiederaufbau keine Spur.

Knapp die Hälfte der Bürger hat in New Orleans Hab und Gut verloren, nur wenige sind bisher zurückgekehrt. Während man im benachbarten Staat Mississippi fleißig Schecks ausgestellt hat und die Bundesmittel größtenteils unbürokratisch abfließen konnten, warten in Louisiana viele Menschen noch immer auf jede Form der Kompensation. Das liegt zum einen daran, dass Entscheidungen hinausgezögert und viele der Bundesmittel erst vor kurzem bereitgestellt wurden. Zum anderen kann die Auszahlung der Gelder erst erfolgen, wenn tatsächlich mit den Reparaturen und dem Wiederaufbau begonnen wurde.

Ungewissheit lähmt

In der dezimierten Stadt fehlt es aber nicht nur an Arbeitskräften, sondern auch an Perspektiven. Die Ungewissheit lähmt. Was passiert wenn der nächste Hurrikan über die Stadt hinwegrollt? Werden dann die notdürftig geflickten Deiche halten? Wird bis dahin das von Experten geforderte Flutschutzsystem am Platze sein? Werden die trockengelegten Sümpfe renaturiert sein, damit die Wassermassen auf natürliche Weise abfliesen können? Werden die Notfallpläne des Heimatschutzmininisteriums besser funktionieren und werden auch die Menschen, die alt und gebrechlich sind, rechtzeitig vor dem Sturm an einen sicheren Ort gebracht? Trotz aller offiziellen Versprechungen ist nichts davon bisher gewährleistet.

Doch solange diese Ungewissheiten fortbestehen werden die Menschen nicht nach New Orleans zurückkehren. Und gemessen an den Versäumnissen der letzten zwölf Monate wird die Stadt noch lange ein Schatten ihrer selbst bleiben.