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Politik

Schluss mit der Feigenblatt-Politik in Afghanistan!

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Florian Weigand
30. September 2016

Ein Jahr nach dem Fall von Kundus und der Wiedereroberung durch die Taliban ist die Stadt nach wie vor umkämpft. Doch die zusammengestrichene NATO-Mission wird das Problem nicht lösen, meint Florian Weigand.

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Afghanistan Mazar-i-Sharif Bundeswehr NATO Resolute Support Mission Soldat
Bild: Getty Images/AFP/W. Kohsar

Es war genau vor einem Jahr: Buchstäblich über Nacht hatten die Taliban die Stadt Kundus zurückerobert. Noch einmal war der ehemalige Einsatzort der Bundeswehr über Tage hinweg im Fokus der Weltschlagzeilen. In Deutschland schwankte die Stimmung zwischen "Oh Gott, was ist denn hier passiert?" und einem frustrierten "Wir haben es ja kommen sehen." Was in den Köpfen der Soldaten-Familien vorging, die dort Angehörige verloren haben und nun die Nutzlosigkeit dieses Opfers vor Augen geführt bekamen, möchte man sich gar nicht ausmalen.

Keiner redet mehr über Kundus

Heute - ein Jahr später - berichten die Medien nichts mehr über den symbolträchtigen Ort. Kaum jemand in Europa nimmt Notiz davon, dass die Taliban immer noch direkt vor den Toren der Stadt stehen. Die Kämpfe wogen hin und her, Dörfer fallen in die Hände der Aufständischen und werden Tage später von Regierungstruppen zurückerobert.  Auch hier möchte man sich nicht vorstellen, was Familien - diesmal afghanische - im Kampfgebiet rund um Kundus und anderswo durchmachen. Die Stadt ist nur das in Deutschland bekannteste Beispiel für eine ganze Reihe anderer Provinz-Zentren im Land, die ebenfalls vor dem Fall stehen.

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Florian Weigand leitet die Afghanistan-Redaktion der DW

In 31 der 34 Provinzen Afghanistans wird derzeit gekämpft. Im vergangenen Jahr wurden 11.000 Zivilisten in Feuergefechten zwischen Regierungstruppen, den Taliban und dem IS getötet oder verletzt. Allein im Jahr 2015 verlor Afghanistan mehr Soldaten und Polizisten als alle NATO-Staaten gemeinsam in 15 Jahren Einsatz. Und das ohne greifbaren Erfolg: Selbst der NATO-Chef in Afghanistan, der US-General John Nicholson, muss eingestehen, dass die Regierung nur noch über 65 bis 70 Prozent der afghanischen Bevölkerung die Kontrolle hat.

Kundus zeigt aber auch überdeutlich, dass die bequeme Aufteilung zwischen den "Guten" aus dem Westen und den "bösen" Taliban nicht funktioniert. Der symbolträchtige Ort wurde zwar mit massiver Unterstützung von US-Truppen wiedererobert. Amerikanische Flieger bombardierten dabei aber auch ein Krankenhaus der "Ärzte ohne Grenzen" und Patienten verbrannten qualvoll in ihren Betten.  

Nun sitzt wieder ein Regierungs-Emissär in Kundus. Doch er erinnert an einen Frosch auf einem einsamen Seerosenblatt in einem Teich voller Piranhas. Seine Autorität endet faktisch am Stadtrand - dahinter ist Taliban-Land. Auch das kein Einzelfall mehr im Land.

Wie weitermachen in Afghanistan?

Ein Jahr nach Kundus stellt sich die Frage für den Westen immer drängender: Soll das Abenteuer Afghanistan weitergehen? Wenn ja, dann bitte mit den geeigneten Mitteln, Geld, Personal und klar zugewiesenen Verantwortlichkeiten, militärisch wie zivil. Und Verantwortungsträgern, die auch dann zu ihren Entscheidungen stehen, wenn es ungemütlich wird. Das bisschen "Resolut Support" - so der Name der laufenden Trainingsmission der NATO für afghanische Soldaten - ist mit ein paar westlichen Militärausbildern nur wenig resolut. Lediglich die USA wollen auch im nächsten Jahr mit 8400 Soldaten ein größeres Kontingent am Hindukusch halten. Für einen wirksamen Kampf gegen die Aufständischen ist aber auch das viel zu wenig.

Die gegenwärtige Feigenblatt-Politik in Afghanistan muss ein Ende haben. Wer das nicht will, hat nur eine Alternative: den restlosen Abzug aller Truppen und das ehrliche Eingestehen des westlichen Scheiterns am Hindukusch. Dann allerdings darf sich auch niemand wundern, wenn immer mehr afghanische Flüchtlinge immer lauter an die Türen Europas pochen.

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