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Kommentar: Störmanöver aus Russland

15. Februar 2007

Wladimir Putins Rede auf der Münchner Sicherheitskonferenz war ein Rundumschlag gegen die US-Politik. Der Dialog mit Russland ist wichtiger denn je, meint Nina Werkhäuser.

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Der Auftritt des russischen Präsidenten Wladimir Putin hat einen verspäteten Eishauch aus der Zeit des Kalten Krieges über die Münchner Sicherheitskonferenz gelegt. Zumindest vorübergehend, denn nach den scharfen Attacken auf die USA, denen Putin am Samstag (10.2.) ungezügelte Gewaltanwendung und Streben nach globaler Dominanz vorwarf, betonte sein Ex-Kollege im Geheimdienstfach, US-Verteidigungsminister Robert Gates, die Notwendigkeit der Sicherheitspartnerschaft mit Russland.

Wohlfühl-Stimmung gestört

Üblicherweise versichern die Teilnehmer der Münchner Sicherheitskonferenz einander, wie bedeutsam sie die NATO finden. Kein Wunder - die meisten Redner kommen aus NATO-Ländern und nutzen die Konferenz, um sich über die Zukunft des Bündnisses auszutauschen. In dieser Umgebung wirkte der Auftritt des russischen Präsidenten wie ein Paukenschlag. Wladimir Putin sprach zum ersten Mal auf der Konferenz und kündigte gleich zu Beginn angriffslustig an, er werde auf diplomatische Floskeln verzichten.

Dann holte er zum Rundumschlag gegen die NATO und die Vereinigten Staaten aus: Er fühle sich durch die Osterweiterung der NATO provoziert, durch den geplanten amerikanischen Raketen-Abwehrschild in Osteuropa ebenfalls, und von der aggressiven Außenpolitik der USA halte er wenig. Der Saal erstarrte, als der Gast aus Moskau eine Rüge nach der anderen anbrachte und sogar vor einem neuen Wettrüsten warnte. Seine eigene Politik - etwa in Tschetschenien - verteidigte Putin als richtig und gelungen.

Einige altgediente Teilnehmer fühlten sich in die Zeit des Kalten Krieges zurückversetzt, denn die Sicherheitskonferenz gibt es seit den 60er Jahren. Aber seinerzeit wäre der Auftritt eines russischen Präsidenten natürlich undenkbar gewesen. Die amerikanischen Redner gingen zum Gegenangriff über und warfen der russischen Regierung vor, die grundlegenden Werte der Vereinigten Staaten und Europas nicht zu teilen. "Wir wollen Eure Werte gar nicht alle teilen", fauchte ein russischer Teilnehmer zurück.

Für kurze Momente taten sich Gräben auf, die niemand erwartet hatte. Die euroatlantische Wohlfühl-Stimmung der Konferenz war leicht gestört, und Putin sichtlich zufrieden mit seinem Coup. Denn auf der Sicherheitskonferenz braucht er kein Blatt vor den Mund zu nehmen, aber alle Welt hört ihm zu.

Altbekannte Tatsachen

Mit einigen Punkten hatte der russische Präsident durchaus Recht - die USA messen oft mit zweierlei Maß und schaffen mit ihrem aggressiven militärischen Vorgehen etwa im Irak mehr Instabilität als Frieden. Zwar ist es typisch für das Münchner Spitzentreffen, dass über solche Fragen kontrovers diskutiert wird. Aber es gehört nicht zu den Traditionen der Konferenz, mit dem Finger auf andere zu zeigen und sich selbst einen Heiligenschein aufzusetzen. Die von Putin kritisierte Osterweiterung der NATO ist schließlich eine altbekannte Tatsache, die die russische Regierung hingenommen hat. Seit 15 Jahren tritt der NATO-Russland-Rat zweimal jährlich zu Beratungen zusammen - worüber wird dort eigentlich gesprochen?

Ohne Russland sei keine internationale Krisen zu lösen, versicherten alle Teilnehmer unisono. Trotzdem wollte Putin wohl die Botschaft anbringen, dass er sich und seine Politik international für zu schlecht bewertet hält. Sein mächtiger Einfluss in der Energiepolitik mag ihn dabei beflügelt haben. Ansonsten aber hat seine Rede vor allem den Eindruck hinterlassen, dass hier zwei Welten aufeinanderprallen - und der Dialog mit Russland wichtiger ist denn je.

Nina Werkhäuser
DW-RADIO, 11.2.2007, Fokus Ost-Südost