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Kommentar: Traum von einem friedlichen Europa

Robert Schwartz29. Mai 2014

Der Karlspreis würdigt die Verdienste von EU-Ratspräsident van Rompuy. Doch ohne die osteuropäischen Nachbarn bleibt Europa unvollkommen, meint Robert Schwartz.

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Robert Schwartz (Foto: dw)
Bild: DW

Er hält die Europäische Union zusammen. Mit dieser kurzen und knappen Botschaft wurde EU-Ratspräsident Herman van Rompuy Ende letzten Jahres für den Karlspreis 2014 gekürt. Damals schien die europäische Welt wieder einigermaßen in Ordnung. Die Wirtschaftskrise kam unter Kontrolle. Der drohende Finanzkollaps wurde mit Milliarden-Spritzen für die betroffenen Länder gerade noch abgewendet.

Doch dann kam die Ukraine-Krise und mit ihr die Gefahr eines neuen Kalten Krieges, 25 Jahre nach dem Zusammenbruch des Kommunismus. Osteuropa rückt wieder stärker in das Blickfeld des Westens, der reagieren muss auf eine neue Bedrohung aus Russland. Weil Kremlchef Wladimir Putin gegen alle internationalen Vereinbarungen geopolitische Fakten schuf - die Annexion der Krim ist nur ein Beispiel dafür. Wirtschaftssanktionen in mehreren Stufen gegen die aggressive Politik Moskaus sowie politische und wirtschaftliche Unterstützung für die osteuropäischen Staaten, die der feindlichen Umarmung Putins widerstehen wollen - dieser Mix gibt der Europäischen Union wieder die Strahlkraft und Entschlossenheit, die sie in den letzten Jahren verloren zu haben schien.

Ein friedliches Europa statt Grenzen und Mauern

Jetzt, bei der Verleihung des Karlspreises, hat Europa erneut das richtige Zeichen gesetzt. Wegen der Ukraine-Krise wurde der Verlauf der Zeremonie geändert. Zum ersten Mal seit Bestehen des Preises gab es keine Laudatio. Stattdessen wurden drei Ministerpräsidenten aus Osteuropa - aus den früheren Sowjetrepubliken Ukraine, Moldau und Georgien - eingeladen, um über die angespannte Lage in ihren Ländern zu berichten. Arsenij Jazenjuk, Iurie Leanca und Irakli Garibaschwili haben eindrucksvoll die Hinwendung ihrer Länder zu Europa bekundet. Nur wenige Tage nach der Europawahl, bei der europakritische Kräfte Auftrieb erhielten, lautet die Botschaft aus dem Krönungssaal des Aachener Rathauses: In der Nachbarschaft der EU teilen viele Menschen den Traum eines freien und friedlichen Europas.

Der mutige Auftritt der drei osteuropäischen Politiker hinterlässt einen tiefen Eindruck. Wenn der ukrainische Premierminister Jazenjuk sagt, niemand habe das Recht, in Europa neue Grenzen zu ziehen oder neue Mauern zu errichten, dann wird man das besonders im wiedervereinten Deutschland bestens verstehen. Und wenn sein moldauischer Amtskollege Leanca darauf hinweist, die europäische Integration sei eine Existenzfrage, dann müssten auch die letzten Kritiker der EU-Osterweiterung begreifen: Es ist der Wunsch dieser Länder und Völker, in einem gemeinsamen Europa zu leben. Sie jetzt sich selbst zu überlassen, wäre eine sträfliche Unterlassung. Die Menschen in der Ukraine, Moldau und Georgien brauchen eine klare europäische Perspektive.

Europa statt Eurasien

Es war sicherlich Zufall, dass der Festakt in Aachen am selben Tag stattfand wie die Gründung der Eurasischen Wirtschaftsunion in der kasachischen Hauptstadt Astana. Nach jahrelangen Bemühungen ist es Russland gelungen, die beiden früheren Sowjetrepubliken Belarus und Kasachstan in ein gemeinsames Boot zu locken. Der große Abwesende in Putins Projekt ist die Ukraine - die hat der Union à la Russe den Rücken gekehrt.

Dass die drei Regierungschefs bei der Verleihung des Karlspreises viel stärker im Mittelpunkt standen als der Preisträger selbst, wird ihnen sicherlich niemand verübeln. Am wenigsten Herman van Rompuy, der die Öffnung der EU nach Osten jahrelang unauffällig, aber stetig vorangetrieben hat. Er hat damit zur Erfolgsgeschichte der Europäischen Union beigetragen. Auch der Osten des Kontinents sollte daran teilhaben können, damit der Traum vom geeinten Europa Wirklichkeit wird.