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Politik

Trump und der Kronprinz: ein Auslaufmodell

DW Kommentarbild | Autor Kersten Knipp
Kersten Knipp
20. November 2018

In seiner Erklärung zum amerikanisch-saudischen Verhältnis hat US-Präsident Trump sich auch zum Kronprinzen geäußert. Seine Worte könnten für Mohammed bin Salman unangenehme Folgen haben, meint Kersten Knipp.

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Portraitfoto: Mohammed bin Salman
Bild: picture-alliance/AP/A. Nabil

US-Präsident Trump ist ein Mann deutlicher Worte. Nicht ausgeschlossen allerdings, dass er auch andere, erhebliche subtilere Stilarten beherrscht. Das zumindest legen seine heutigen Äußerungen zu möglichen Konsequenzen zur mutmaßlichen Ermordung des saudischen Journalisten Jamal Khashoggi nahe. Darin zeigte er sich durchaus als Meister der diplomatischen Rede: Einer Rede, die höflich bleibt, in ihrem Kern aber eine deutliche Botschaft enthielt. Die lautete in diesem Fall: Kronprinz Mohammed bin Salman ist für die USA nicht sakrosankt.

Für die USA bleibe Saudi-Arabien ein "unverbrüchlicher Partner" erklärte Trump. Etwas anderes war nicht zu erwarten.

Eines allerdings sagte Trump nicht: dass auch Kronprinz Mohammed bin Salman ein unverbrüchlicher Partner Amerikas bleibe.

Diesen Satz vermied er sorgfältig. Anders gesagt: Trump machte einen großen Unterschied zwischen dem Königreich Saudi-Arabien und seinem - nach derzeitiger Lage der Dinge immer noch - künftigen König. Zur feinen Ironie von Trumps Äußerung gehört es allerdings, dass die Karrierechancen des MbS, wie der Kronprinz kurz genannt wird, durch eben diese Äußerung nicht unerheblich geschmälert werden.

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DW-Autor Kersten Knipp

Die Botschaft wird man im politischen Riad sehr deutlich vernehmen: Trump stellt sich nicht hinter den Kronprinz. Hinter den Staat ja, aber eben nicht hinter MbS. Das wird all jenen Auftrieb geben, die den Kronprinz für nicht geeignet halten, das Königreich künftig als dessen erster Mann in die Zukunft zu führen. Nach allem, was man vernimmt, ist die Zahl derer, die an MbS zweifeln, seit der mutmaßlichen Ermordung  Khashoggis enorm gewachsen. Dies schon aus Gründen des politischen Protokolls: Nicht jeder ausländische Staatschef dürfte Lust haben, dem Kronprinzen öffentlich oder auch nur hinter den Kulissen die Hand zu schütteln.

Die Fehlgriffe des MbS

Die Liste der politischen Fehlgriffe des Kronprinzen ist stattlich. Sie beinhaltet den rücksichtslosen Militäreinsatz im Jemen, den rüden Boykott des benachbarten Emirats Katar und auch die zeitweilige Festsetzung des libanesischen Premiers Hariri. Dazu gehört auch die rüpelhafte Reaktion auf einen Tweet der kanadischen Außenministerin Freeland, die die Verhaftung einer saudischen Bürgerrechtlerin kritisierte. In Reaktion darauf zog das Königreich 16.000 saudische Studenten aus Kanada ab - ein Hinweis darauf, wie sehr die Staatsspitze im Zweifel auch die Lebenspläne ihrer eigenen Bürger mit Füßen tritt.

Nun also Trumps Äußerungen. Hatte der Kronprinz von dem Plan zur Ermordung Khashoggis Kenntnis? "Vielleicht hatte er dies, vielleicht auch nicht", so Trump. Ein Ausdruck unbedingter Solidarität war dies nicht. Trump ahnte womöglich, dass er sich diese Solidarität kaum leisten könnte. Am saudischen Kronprinzen kann sich offenbar selbst der amerikanische Präsident die Finger verbrennen.

Good bye, Absolutismus

So ist es durchaus fraglich, ob König Salman seinen Sohn durch Aktionen wie seinen Auftritt am Montag vor der großen Schura-Versammlung noch retten kann. Dort erwähnte er den Fall Khashoggi nur beiläufig und andeutungsweise. Nicht ausgeschlossen, dass dies dem Geist jener Schweigespirale entsprach, die der saudische  Staat Anfang dieser Woche offenbar auch durch seine Ankündigung in Bewegung zu setzen versuchte, es werde keine Anschuldigungen gegen ihre höchsten Würdenträger zulassen. Dies sei "eine rote Linie".

Nun braucht man Anschuldigungen im Fall Khashoggi gar nicht explizit zu erheben. Es reicht, die merkwürdige, mehrfach revidierte Argumentationslinie des Königshauses zu den Geschehnissen im Istanbuler Konsulat auf sich wirken zu lassen. Woher, so die auf der Hand liegende Frage, rührt die ständige Revision der Argumentationslinie?

Klar ist, dass die Schweigespirale nicht recht in Gang kommen wird - die vielen Fragen zur politischen, vielleicht auch menschlichen Kompetenz des Prinzen stehen im Raum. Die Hoffnung, sie mit Auslassungen und Drohungen aus der Welt schaffen zu können, ist mindestens kühn. Auch arabische Zeitungen weisen darauf hin: Ein solcher Stil passt spätestens seit dem arabischen Revolutionsjahr 2011 nicht mehr in die Zeit. Die Jahre des politischen Absolutismus sind auch für Saudi-Arabien vorüber - wie immer der künftige König auch heißen mag.

DW Kommentarbild | Autor Kersten Knipp
Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika