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Kommentar: Ukraine braucht einen Neuanfang

Bernd Johann23. Februar 2014

In der Ukraine wird ein autoritäres Regime entmachtet. Das darf nicht zu einer Spaltung des Landes führen. Ein Neuanfang mit allen politischen Kräften ist notwendig, meint Bernd Johann.

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Porträt Bernd Johann, Deutsche Welle (Foto: DW)
Bernd Johann, Leiter der Ukrainischen Redaktion der Deutschen WelleBild: DW/P. Henriksen

Auf einmal geht alles ganz schnell. Das Parlament der Ukraine erklärt Präsident Viktor Janukowitsch für abgesetzt. Schon im Mai soll ein neuer Präsident gewählt werden. Und noch eine gute Nachricht aus Kiew: Julia Timoschenko, die zu Unrecht verurteilte Ex-Regierungschefin, ist frei. In der Ukraine überschlagen sich die Ereignisse und es sind historische Entwicklungen. Eine demokratische Revolution findet in Europa statt. Das Volk entmachtet ein autoritäres und korruptes Regime, das das Land und seine Reichtümer wie Privateigentum behandelt hat. Als die Menschen sich wehrten, ließ das Regime am Ende auf sie schießen.

Nach dem Blutvergießen und den bürgerkriegsartigen Szenen der vergangenen Tage ist nun eine politische Lösung des Konflikts möglich. Neben dem Parlament muss eine Übergangsregierung den schwierigen Prozess der politischen Neuordnung organisieren. Diese neue Regierung muss schleunigst gebildet werden. Möglichst alle politischen Kräfte sollten daran beteiligt werden - auch aus den Reihen früherer Janukowitsch-Anhänger. Denn der Konflikt, der die ganze Ukraine spaltete, wird sonst erneut eskalieren. Und es ist nicht auszuschließen, dass das Land dann in zwei Teile zerfällt.

Widerstand aus dem Osten

Die Hauptstadt Kiew, das Zentrum und der Westen des Landes sind in den Händen der Opposition. Auch die Sicherheitskräfte unterstützen offenbar die neue Macht. Aber im bevölkerungsreichen Osten und Süden der Ukraine gibt es Widerstand. Hier hatte der bisherige Präsident seine Machtbasis. Einige Gouverneure der lokalen Regierungen zweifeln die Legitimität der Entscheidungen des Parlaments in Kiew an. Die Rede ist von einem Staatsstreich und Umsturz in Kiew. Das birgt politischen Zündstoff und könnte zu einer neuen Radikalisierung der politischen Auseinandersetzung führen.

Zumal gerade im Osten der Einfluss Russlands groß ist. Moskau spricht von Bedrohungen für die staatsrechtliche Ordnung durch Extremisten und macht damit deutlich, dass es den Umbruch in der Ukraine ablehnt. Nach wie vor verfolgt Russland in der Ukraine eigene Machtinteressen. Es unterstützte das Regime von Janukowitsch. Es wäre naiv zu glauben, dass der Kreml sich jetzt aus der ukrainischen Innenpolitik heraushält.

Janukowitsch aber wird die Politik wohl nicht mehr bestimmen. Er will seine Entmachtung nicht akzeptieren. Aber politisch ist er vollkommen diskreditiert. Er trägt die Verantwortung für Verbrechen gegen das eigene Volk. Viele Abgeordnete aus seiner einst regierenden Partei der Regionen haben deshalb auch für seine Absetzung und die Festlegung von Neuwahlen gestimmt. Das ist ein gutes Zeichen.

Politik der Versöhnung ist notwendig

Trotzdem bleibt abzuwarten, wie die Partei Janukowitschs insgesamt auf die Ereignisse in Kiew reagiert. Es besteht die Gefahr, dass radikale Politiker in ihren Reihen weiter die Menschen gegen die Demokratiebewegung in Kiew aufwiegeln. Für Kontroversen wird auch Julia Timoschenko sorgen. Sie hat bereits angekündigt, dass sie bei den Präsidentschaftswahlen kandidieren will. Unter den bisherigen Oppositionsführern war sie bislang die populärste Politikerin. Aber sie sorgte auch immer wieder für Streit. Denn so leidenschaftlich sie die einen unterstützten, so vehement lehnten sie andere Ukrainer ab.

Die Ukraine braucht jetzt vor allem einen Dialog. Ein politischer Neuanfang ist notwendig. Die Opposition, die nun die Macht in der Ukraine übernommen hat, muss beweisen, dass die eingeleiteten Schritte auch zu einer nationalen Versöhnung führen werden. Nur dann kann die demokratische Wende gelingen. Und es ist zu hoffen, dass auch die Politiker aus dem Osten der Ukraine, die bislang Janukowitsch unterstützt haben, bereit sind für einen Neubeginn.