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Viel Moral für wenig Geld

Mathias Bölinger4. August 2014

Der deutsche Wirtschaftsminister hat ein wichtiges Rüstungsgeschäft mit Russland gestoppt. Das war richtig. Viel Mut gehörte aber nicht dazu, meint Mathias Bölinger.

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DW Bölinger Mathias
Bild: DW/C. Becker-Rau

Es ist ein deutliches Zeichen in einem sonst eher diskreten Geschäft. Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel stoppt die Lieferung einer bereits genehmigten Militäranlage nach Russland. Schadensersatzforderungen nehme die Regierung in Kauf, teilte das Ministerium mit. "Es geht nicht um Geld, es geht um Menschenleben", formulierte Gabriel nicht ohne Pathos.

Signal an Frankreich

Der deutsche Wirtschaftsminister geht mit dieser Entscheidung über das kürzlich beschlossene EU-Waffenembargo hinaus. Die europäischen Staaten hatten sich unter dem Eindruck des Abschusses eines malaysischen Passagierflugzeugs über der Ostukraine zu einem Waffenembargo durchgerungen. Allerdings hatte insbesondere Frankreich darauf gedrängt, zwei bereits verkaufte Hubschrauberträger noch vertragsgemäß ausliefern zu dürfen. Die französische Regierung darf sich von diesem Signal also durchaus gemeint fühlen.

Wie teuer diese Geste die Bundesregierung tatsächlich zu stehen kommt, ist im Moment unklar. Bei dem Geschäft geht es um ein Trainingszentrum für Soldaten in der zentralrussischen Stadt Mulino, in dem an einer Computersimulation ganze Gefechte nachgespielt werden können. Rheinmetall liefert einen Großteil der Technik, es geht insgesamt um etwa 120 Millionen Euro. Das ist unter den Rüstungsgeschäften kein ganz großer Deal, zudem scheint ein Teil davon schon bezahlt und geliefert zu sein. Zwar teilte eine Sprecherin des Ministeriums mit, der "wertmäßig überwiegende Teil" sei noch nicht geliefert. Die Anlage sei "nicht funktionsfähig". Ganz anders hatte im März aber noch der Vorstandsvorsitzende des Rüstungskonzerns geklungen. Er hatte vor Aktionären gesagt, der Auftrag sei fast abgearbeitet und beinahe vollständig bezahlt. Inzwischen bestätigt das Unternehmen die Version der Bundesregierung teilweise. Dem Vernehmen nach fehlt vor allem noch die Software, mit dem die von Rheinmetall gelieferte Technik dann auch genutzt werden könnte. Der Effekt ist also groß, die Kosten gering. In einer solchen Situation musste Gabriel eigentlich nur zugreifen. So viel Moral bekommt man nicht immer für so wenig Geld.

Wie viel Geld kosten Werte?

Gabriel setzt sich für eine restriktivere Rüstungsexportpolitik ein. Seit seinem Amtsantritt hat er wesentliche Anfragen aus der Industrie auf Eis gelegt. Er möchte das intransparente System der Genehmigungen grundsätzlich umkrempeln. Wenn das wirklich dazu führen sollte, dass Deutschland weniger Waffen exportiert, wird er eine Menge Gegenwind bekommen – von der Industrie, vom wirtschaftsfreundlichen Koalitionspartner und auch von Teilen seiner eigenen sozialdemokratischen Partei, die alle um Arbeitsplätze in der Industrie fürchten. Dann wird er wirklich beziffern müssen, wie viel Geld Werte kosten dürfen.