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Von wegen Waffenstillstand

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Jürgen Stryjak
21. September 2016

In den vergangenen Tagen mussten die Syrer eine bittere Lektion lernen: Sie hungern und erhalten keinerlei Hilfe von außen - ganz gleich ob nun ein Waffenstillstand herrscht oder nicht, meint Jürgen Stryjak.

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Syrien neue Gefechte trotz Waffenruhe
Bild: Reuters/K. Ashawi

Soweit zu erfahren war, hat von den Menschen in Syrien kaum jemand erwartet, dass die Waffenruhe von Dauer ist. Noch weniger konnten sich viele vorstellen, dass sie der Ausgangspunkt einer Lösung des blutigen Konfliktes sein könnte. Trotzdem haben die meisten die Feuerpause herbeigesehnt und dann gefeiert, auf den Straßen und in den Kaffeehäusern. Sie haben, wenn jemand sie nach der Feuerpause befragte, am häufigsten mit den Wörtern Alhamdulillah geantwortet - Gott sei Dank!

Zu den tragischsten Folgen der gescheiterten Waffenruhe gehört, dass viele Menschen in Syrien nun eine beunruhigende Lektion erhielten: nämlich die, dass sich auch eine Waffenruhe gar nicht wirklich auszahlt. Und zwar die Menschen in jenen Gebieten, die belagert und ausgehungert werden - zumeist vom Regime von Bashar Al-Assad und von seinen Verbündeten.

Hunderttausende hungern

Nach Schätzungen der UN sind das 600.000 Menschen, anderen Organisationen zufolge bis zu einer Million. Als die Waffenruhe in ihren ersten Tagen noch so leidlich hielt, hätte die Hungerhilfe anlaufen können. Das tat sie unter anderem deshalb nicht, weil die syrische Regierung die nötigen Papiere nicht ausstellte. Die Lastwagen standen bereit, sie hätten losfahren können. Jetzt wurde ein Hilfskonvoi sogar bombardiert, und die UNO stellen die Lieferungen vorerst komplett ein.

Die hungernden Syrer haben also vor allem erfahren, dass nicht mal eine Feuerpause Sinn macht. Sie hungern, wenn die Waffen ruhen, und sie hungern, wenn gekämpft wird. Warum sollen sie sich dann nicht gleich der Fatah Al-Sham anschließen, jener Terrorgruppe, die vor Kurzem noch Nusra-Front hieß und eine Al-Kaida-Gründung ist? Oder diese Terroristen zumindest unterstützen? Ihre Kämpfer haben wenigstens schon mal gezeigt, dass sie Blockaden durchbrechen können. Es sind Terroristen, ja, aber was soll's, mag so mancher belagerte Syrer denken: Sie sind stärker und sie werden immer mehr.

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Jürgen Stryjak ist Korrespondent im ARD-Studio Kairo

Politik, die Terrorismus erzeugt

Vor allem Assad - und auch Russland - betonen immer wieder, dass es das Hauptziel sei, in Syrien die Terroristen zu besiegen. Warum aber treiben sie ihnen dann die Menschen in die Arme? Wenn Assad tatsächlich eine Waffenruhe gewollt hat, warum stellte er dann nicht sicher, dass die hungernden Menschen von ihr profitieren, damit der Teufelskreis der Eskalation durchbrochen wird?

Wer auch immer verantwortlich dafür ist, dass die Feuerpause ins Wanken geriet - die Kriegsparteien schieben sich ja gegenseitig den Schwarzen Peter zu - schuld am Leid der vielen hunderttausend Menschen ist der, der die Vereinbarung gleich komplett aufkündigt, ohne den Versuch zu unternehmen, oder darauf zu beharren, dass die Waffenruhe gerettet wird - also das Assad-Regime.

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