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VW und die schlechten Nachrichten

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Henrik Böhme
19. August 2016

Mitten in die teure Aufarbeitung des Dieselskandals beim Autobauer VW platzt nun ein Streit mit wichtigen Zulieferern. Ein Produktionsstopp ist die Folge. Ein Unglück kommt eben selten allein, meint Henrik Böhme.

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Deutschland Volkswagen Werk Wolfsburg Baustellenschild
Bild: picture-alliance/dpa/J. Stratenschulte

Es war nur eine kleine Meldung in dieser Woche, und sie fand auch kaum Beachtung: Der VW-Konzern hat inzwischen für rund die Hälfte aller in Europa betroffenen Autos die Freigabe zur Umrüstung erhalten. Der Autobauer kommt, nach einem schleppenden Beginn, also voran bei der Aufarbeitung des Dieselskandals. Auch in den USA sind erste Vergleiche getroffen, zwar milliardenschwer, aber immerhin. Auch hier gilt: Es entwickelt sich zäh, aber man kommt voran.

Dieselgate? Kurzarbeit!

Und nun das: Weil Zulieferer von Sitzbezügen und Getriebegehäusen ihre Lieferungen gestoppt haben, muss der Konzern für mehr als 20.000 Arbeiter in verschiedenen Werken Kurzarbeit beantragen. Vor allem der geplante mindestens einwöchige Stopp der Produktion des Brot- und Butter-Autos Golf in Wolfsburg dürfte den Konzern schmerzen. Denn allen Unkenrufen zum Trotz: Der Dieselskandal hat den Absatzzahlen des Konzern bisher nicht geschadet, im ersten halben Jahr steht ein Plus von etwas mehr als einem Prozent zu Buche. Das gilt aber nicht für die Marke VW - für Golf, Passat, Polo und Co steht ein Minus von knapp zwei Prozent in den Büchern.

Keine Gewinner

Über die Ursachen des Streits mit den Zulieferern lässt sich nur spekulieren. Es ist nur zu bekannt, unter welchem Kostendruck diese stehen, die Vorgaben der Hersteller sind knallhart. Und VW muss schließlich sparen, müssen doch Milliarden und Abermilliarden für den Dieselskandal beiseite gelegt werden. Vielleicht sieht so mancher Zulieferer aber auch eine günstige Gelegenheit, seinerseits VW unter Druck zu setzen, weil er den Konzern in einer Phase der Schwäche sieht. So oder so: In dieser Auseinandersetzung kann es keine Gewinner geben.

Nun ist das Verhältnis von Volkswagen und seinen Zulieferern allerdings auch ein spezielles. Man muss zurückblättern bis in die 1990er Jahre. Damals warb VW-Chef Ferdinand Piëch vom Konkurrenten GM dessen Chefeinkäufer José Ignacio López ab, ein in der Branche verhasster Kostenkiller. López drückte die Kosten erheblich, vor allem bei den Lieferanten; die haben das bis heute nicht vergessen. Geblieben ist, was man in der Branche den López-Effekt nennt: Die Einsparungen führten zu billigen, oft eben auch mangelhaften Bauteilen. Bezahlen musste oft der Kunde, mit teuren Reparaturen.

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Henrik Böhme, DW Wirtschaftsredaktion

Preis einer hocheffizienten Produktion

Sicher hat sich seither einiges verändert, Qualitätsmanagement steht heute auch beim VW-Konzern ganz oben auf der Agenda. Aber die Produktion wurde eben auch immer mehr auf Effizienz getrimmt. Was früher "just in time" war, also eine zeitnahe Zulieferung der Teile, ist mittlerweile "just in sequence": Die Bauteile kommen nicht mehr nur pünktlich, sondern auch in der richtigen Reihenfolge. Schert nur ein Zulieferer aus, kann das, siehe nun bei VW, die ganze Produktion zum Erliegen bringen.

Der Produktionsstopp bei Europas größtem Autobauer kommt wie gesagt zur Unzeit. VW, das bleibt hängen, kommt aus den Negativ-Schlagzeilen, einfach nicht heraus. Hoffnung auf Besserung besteht übrigens nicht. Denn vermutlich ab Herbst geht es mit den Klagen los, die sich beim zuständigen Landgericht in Braunschweig angehäuft haben. Auch in den Vereinigten Staaten wird die Klagewelle nicht so schnell abebben. Von ruhigem Fahrwasser also weit und breit keine Spur.

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Henrik Böhme Wirtschaftsredakteur mit Blick auf Welthandel, Auto- und Finanzbranche@Henrik58