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Bildung

Wieder "nur" gutes Mittelmaß bei PISA

Gaby Reucher
Gaby Reucher
6. Dezember 2016

Können wir damit leben, dass Deutschland in der PISA-Studie wieder nur im oberen Mittelfeld gelandet ist? Ja, sagt Gaby Reucher. Aber es darf kein Dauerzustand bleiben.

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Symbolbild PISA-Studie
Bild: picture-alliance/dpa

Ist den Autoren der jährlichen PISA-Studien eigentlich bewusst, dass 15-jährige Schüler und Schülerinnen gerade mitten in der Pubertät sind? Dass die Synapsen im Gehirn vielleicht noch nicht wieder richtig zueinander gefunden haben, dass chatten auf dem Handy mit Freunden wichtiger ist, als Mathe und Physik zu lernen und die meisten Lehrer ohnehin gefühlt einen extrem langweiligen Unterricht machen? Fragt man Jugendliche dieser Altersgruppe, was sie einmal werden wollen, dann ist die Reaktion in den meisten Fällen nur ein Schulterzucken.

Ich weiß nicht, wie das bei den 15-jährigen in Singapur aussieht, den Siegern dieser PISA-Studie. Aber meine Tochter ist derzeit in der Pubertät und steht mehr oder weniger stellvertretend für die Deutschland-Ergebnisse. In Mathe war sie zuletzt eigentlich ganz gut, jetzt in der Oberstufe hapert es ein wenig. Ihr Textverständnis bessert sich stetig und was sie einmal werden will, das weiß sie noch nicht so genau. Nur eins, das weiß sie - zumindest für den Augenblick: Naturwissenschaften will sie ganz bestimmt nicht studieren. Alles in allem kann ich aber nicht klagen, meine Tochter bewegt sich wie Deutschland mit ihren Leistungen im oberen Mittelfeld.

Was ist das Etappenziel?

Das soll nicht heißen, alles kann so bleiben wie es ist. Bis zum Etappenziel Abitur wird meine Tochter noch viel lernen müssen und das wird auch Deutschland nicht erspart bleiben. Doch was ist das Etappenziel? Ein paar mehr Punkte in Mathematik und in den Naturwissenschaften? Besser zu sein als die Chinesen? 

Der OECD-Bildungsforscher Andreas Schleicher interpretiert die neue Studie dahingehend, dass die "Aufwärtsdynamik zum Erliegen" gekommen sei, und dass Deutschland einen Reformstau überwinden müsse. Er sagt, es gäbe zwar eine ständige Bewegung im System, die aber nicht zielgerichtet sei. Da stimme ich ihm zu. Die ständige Diskussion über G8 oder G9 ist zermürbend. Die Frage Inklusion - Ja, aber wie? - treibt zuweilen skurrile Blüten und die Lippenbekenntnisse der Politiker, mehr Bildungsangebote für sozial Schwächere und natürlich auch für die Hochbegabten zu schaffen, werden auch nicht wirklich konsequent verfolgt. Deutschland in der Bildungspubertät.

Nicht alle Reformen und Konzepte sind alltagstauglich. So bemängelt auch Schleicher, dass die Praktiker zu wenig in die Reformüberlegungen einbezogen würden. Das deutsche Bildungssystem sei zudem noch immer altmodisch mit viel Frontalunterricht und wenig Kreativität.

Reformen haben Kreativität eingeengt

Gerade die Reformen waren es aber auch, die die Kreativität eingeschränkt haben. Durch die Verkürzung der Schulzeit bis zum Abitur müssen sich Lehrer noch strenger an die komprimierten Vorgaben der Lehrpläne und an ein bestimmtes Zeitpensum halten. Auch, um dann letztendlich bei Studien wie PISA besser zu punkten.

Im Unterricht meiner Tochter bleibt wenig Zeit über Dinge nachzudenken, die die Schüler bewegen: aktuelle politische Ereignisse wie zum Beispiel die Flüchtlingsströme; die Suche nach der eigenen Identität; die Fähigkeit, sich über Dinge eine eigene Meinung zu bilden. All das gehört bekanntlich zu den "nicht messbaren Wissenskategorien" die von PISA nicht erfasst werden, und wofür die Studie auch immer wieder kritisiert wird.

Soziale Kompetenz ist die entscheidende Kompetenz

Doch die PISA-Macher haben nachgebessert: Erstmals wurde nämlich auch der Bereich "Problemlösung im Team als Indikator für soziale Kompetenz" eingeführt. Mit den Ergebnissen dieser Teilstudie ist aber erst im nächsten Jahr zu rechnen. Beim Umgang mit lernschwächeren Schülern, mit Flüchtlingen, die die deutsche Sprache noch nicht beherrschen oder mit Mobbing in sozialen Netzwerken - überall da ist soziale Kompetenz gefragt. Bei Schülern und bei Lehrern.

Miteinander zu arbeiten, sich zu helfen und gegenseitig zu verstehen, dass wäre ein wünschenswertes Ziel. Und so ganz nebenbei könnte das vielleicht auch wieder mehr Punkte auf der PISA-Skala in den "Kernbereichen" Mathematik, Naturwissenschaften und Textverständnis bringen. Ich jedenfalls würde mich freuen, wenn Deutschland in dieser neuen sozialen Kompetenz-Kategorie möglichst viele Punkte holt.

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