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Politik

Zittern um Merkel

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Felix Steiner
12. Juli 2019

Wie viel muss die Öffentlichkeit über etwaige Krankheiten der Kanzlerin wissen? Auch Angela Merkel hat ein Recht auf Privatsphäre. Für sie gelten die gleichen Regeln wie für andere Deutsche auch, meint Felix Steiner.

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Deutschland Berlin Kanzlerin Merkel empfängt dänische Ministerpräsidentin Mette Frederiksen
Bild: picture-alliance/dpa/M. Kappeler

Eigentlich ist der Datenschutz in Deutschland eine heilige Kuh. Ohne meine Zustimmung dürfen nicht einmal banalste Dinge wie meine Adresse, mein Beruf oder mein Lebensalter anderen zugänglich gemacht werden.

Nur für Politiker, da gelten auch in Deutschland ganz andere Regeln. Politiker müssen sich alles bieten lassen und alles offenlegen - von der Durchleuchtung selbst der Fußnoten in ihrer Dissertation bis hin zum letzten Cent ihres Zusatzeinkommen für irgendwelche Ehrenämter oder Nebenjobs. Und wenn sie einmal ein gesundheitliches Problem haben, dann sähen viele Medien es am liebsten, wenn das Bundespresseamt ein ärztliches Bulletin mit einer vollständigen Analyse des Blutbildes in die Redaktionen schicken würde.

So lange das nicht geschieht, dürfen allerlei Scharlatane Ferndiagnosen stellen - selbst wenn diese nicht einmal ansatzweise etwas mit der Realität zu tun haben. Mal ganz ehrlich - geht's noch?

Gesundheit als politische Frage

Natürlich ist die Gesundheit der Bundeskanzlerin eine politische und damit auch eine öffentliche Frage. Zumindest dann, wenn sie derart eingeschränkt wäre, dass sie ihr ohne Zweifel aufreibendes Amt nicht mehr mit voller Kraft ausfüllen könnte. So ist es aber nicht. "Mir geht es gut", sagt Angela Merkel.

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DW-Redakteur Felix Steiner

Nur: Das glaubt ihr kaum jemand. Denn alle haben diese Bilder gesehen. Wie die Kanzlerin neben dem neuen Präsidenten der Ukraine zitterte. Und bei der Bestellung der neuen Bundesjustizministerin. Und dann noch einmal neben dem finnischen Regierungschef. Was, verdammt nochmal, war das?

Hier wird sie deutlich - die völlig veränderte Rolle, welche die Medien inzwischen spielen. Denn Angela Merkel ist ja nicht die erste deutsche Regierungschefin, die unter gesundheitlichen Problemen leidet. Willy Brandt, die Ikone der deutschen Sozialdemokratie, litt unter wochenlangen Depressionen und war entsprechend handlungsunfähig. Helmut Schmidt, sein Nachfolger als Bundeskanzler, wurde in seiner Amtszeit annähernd 100 Male ohnmächtig - selbst im Pariser Élysée-Palast.

Der Unterschied zu heute war allein: Niemand hat es mitbekommen. Denn die Journalisten - sogar wenn sie etwas davon gesehen hatten - haben solche Bilder seinerzeit niemals veröffentlicht. Schmidt selbst war es, der seine damaligen Probleme als 95-Jähriger ein Jahr vor seinem Tod bekannt gemacht hat.

Nationalhymne im Sitzen

Nun also hat Deutschland eine Kanzlerin, die die Nationalhymne, wenn sie es für richtig hält, im Sitzen hört. Ist das ein Problem? Wäre der seit einem Attentat querschnittsgelähmte Wolfgang Schäuble, der lange als Kronprinz von Helmut Kohl galt, heute Bundeskanzler, hätten sich die Deutschen längst an diesen Anblick gewöhnt.

"Ansonsten bin ich ganz fest davon überzeugt, dass ich gut leistungsfähig bin." Diesen Satz von Angela Merkel aus der Pressekonferenz mit dem finnischen Ministerpräsidenten vom Mittwoch müssen die Deutschen einstweilen als Versicherung nehmen. Ist das schlimm? Nein! Denn auch die Bundeskanzlerin hat einen Anspruch auf das, was alle anderen Deutschen für sich in Anspruch nehmen: das Recht auf Privatsphäre. Und dazu gehört eben auch, welches konkrete Problem sie gegenwärtig plagt.