Zurück in die Steinzeit
Es musste fast so kommen: Die Griechen haben am Sonntag mit unerwartet großer Mehrheit gegen einen Kompromiss mit den Kreditgebern gestimmt. Ohne Kompromiss gibt es aber keine von den Geberländern versprochene Zwischenfinanzierung über den 30. Juni hinaus - und erst recht keine Verhandlungen über ein drittes Hilfsprogramm, das dem Land eine finanzielle Perspektive bieten könnte.
Obwohl die Mehrzahl der Griechen den Euro behalten will, scheint ihnen nicht klar zu sein, dass sie Gefahr laufen, sich aus technischen Gründen aus der Euro-Zone heraus zu katapultieren. Denn jetzt fehlt dem Land das Geld, um am 20. Juli die von der Europäischen Zentralbank gehaltenen griechischen Staatsanleihen in Höhe von 3,5 Milliarden Euro zurückzuzahlen - und das ist der Anfang vom Ende. Denn nun wird die EZB kaum umhin kommen, eine Zahlungsunfähigkeit des griechischen Staates und damit seiner Banken festzustellen.
In diesem Fall kann EZB-Chef Mario Draghi nicht mehr damit rechnen, dass die Staats- und Regierungschefs der Eurozone ihn unterstützen, wenn er der griechischen Zentralbank die sogenannten ELA-Kredite genehmigen will. Bislang werden die maroden Hellas-Banken mit diesen Krediten noch künstlich beatmet. Bleiben die ELA-Hilfen aus, sind die Banken von der Euro-Versorgung abgeschnitten, was faktisch das Ende der Euro-Mitgliedschaft Griechenlands bedeutet.
Nur noch wenige Wochen
Klar ist: Ohne eine Einigung mit den Gläubigern wird Griechenland nur wenige Wochen durchhalten. Die Kapitalverkehrskontrollen haben den Liquiditätsabfluss bei den Banken nur eingedämmt, aber nicht beendet. Jeden Tag fließen weitere dreistellige Millionenbeträge ab, weil die Bevölkerung kein Vertrauen mehr in die Banken hat.
Nicht nur wegen der klammen Geldhäuser wird Griechenland bald die Luft ausgehen: Die gesamte Realwirtschaft wird unter dem Mangel an Zahlungsmitteln zusammenbrechen, die Einnahmen des Staates werden wegen der Rezession nahezu versiegen. Spätestens Ende Juli verfügt der Staat vermutlich nicht mehr über genügend Mittel, um die nächste Runde an Gehalts- und Rentenzahlungen zu leisten.
Zwar könnte Athen seine Bediensteten, Rentner und Lieferanten mit Schuldscheinen entlohnen - wie es Kalifornien 2009 getan hat. Diese Parallelwährung würde jedoch gegenüber dem Euro deutlich abwerten. Experten wie der Chef des Ifo-Instituts, Hans Werner Sinn, raten dem Land ausdrücklich zur Rückkehr zur Drachme. Es würde die preisliche Wettbewerbsfähigkeit der Exportgüter verbessern, sagen sie.
Harte Jahre
Das mag sein, aber erst einmal kommen harte Jahre des Darbens. Nach einer Abwertung von 30, 40 oder 50 Prozent werden sich Griechenlands Schulden um das gleiche Maß erhöhen. Und ob sich nach einer Abwertung tatsächlich bald erste Exporterfolge abzeichnen würden, ist mehr als fraglich. Griechenland hat außer Oliven und Zement keine nennenswerte Exportgüter. Um aber Produkte mit hoher Wertschöpfung für den Export herstellen zu können, müssten die wichtigsten Investitionsgüter importiert werden - was mit einer inflationären Drachme kaum zu machen ist.
Zu recht macht "Le Monde diplomatique" auf einen weiteren verheerenden Aspekt aufmerksam, der das Land vermutlich völlig destabilisieren wird: "Die Rückkehr zu einer inflationären Drachme würde die sozial ausgemergelten Bevölkerungsschichten einer Kaste von Euro-Besitzern ausliefern, die das Land buchstäblich aufkaufen würden. Das Ergebnis wäre die größte Umverteilung von Vermögen seit dem Einzug des Kapitalismus in die ehemalige Sowjetunion."
Neue Verhandlungen
Wohl auch deshalb ist es wahrscheinlich, dass sich die Staats- und Regierungschefs der Eurogruppe wieder einmal fast bis zur Selbstaufgabe verbiegen und Athen neue Verhandlungen anbieten werden. Griechenlands Regierende können zwar nicht mit dem Euro umgehen, aber sehr gut pokern. Ihnen ist es egal, ob sie am Abgrund tanzen oder nicht. Denn sie wissen, dass ihr Land als Partner in der Europäischen Union, in der Nato, in der OECD gebraucht wird. Und deshalb immer wieder angeblich letzte Chancen bekommen wird, die einem normalen Schuldner nie eingeräumt würden.
Deshalb droht uns eine Fortsetzung des Schmierentheaters ad infinitum. Für wichtige Entscheidungen im Ministerrat der EU braucht man Einstimmigkeit, also auch die Stimme der linken Ideologen aus Athen. Dieser Zwang zur Einstimmigkeit hat zwar im Prinzip etwas Gutes, denn er zwingt alle Beteiligten zu Kompromissen. Doch wenn man in Zukunft mit diesen Chaoten aus Athen zusammenarbeiten muss, sehe ich schwarz.
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