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Politik

Österreichs Rechtsextreme zeigen ihre Fratze

Barbara Wesel Kommentarbild App *PROVISORISCH*
Barbara Wesel
18. Mai 2019

Österreichs Rechtsextreme haben sich durch Dreistigkeit und Arroganz ins vorläufige Aus befördert. Der Fall FPÖ ist eine Warnung für Konservative, die auf Bündnisse mit den Rechtsparteien setzen, meint Barbara Wesel.

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Österreich | PK Strache
Bild: picture-alliance/AP Photo/M. Gruber

Die Ibiza-Mitschnitte vom Geheimtreffen des österreichischen Vizekanzlers Heinz-Christian Strache mit der Vertreterin eines mutmaßlichen russischen Oligarchen sind großes Kino. Wie sich der nunmehr Ex-Parteichef der Freiheitlichen Partei Österreichs, FPÖ, da auf dem Sofa lümmelt, angetrunken und ziemlich enthemmt, das ist ein Geschenk für seine politischen Gegner und eine Warnung für den konservativen Kanzler Sebastian Kurz. Strache hat sich selbst den Rest seiner Maske der Bürgerlichkeit vom Gesicht gerissen. Was sich zeigt ist eine Fratze.

Die wahre Natur der FPÖ war längst sichtbar

Im Grunde brachte die "Geheimoperation Ibiza" ja keine unerwarteten Erkenntnisse über den Charakter von Strache und seinen Parteifreunden hervor. Erstaunlich ist höchstens die Unverschämtheit des FPÖ-Mannes, wie er angeblichen russischen Investoren Staatsaufträge gegen Parteispenden versprach und die erwünschte Gleichschaltung einer großen Zeitung gleich mit in den Topf warf. Strache führte sich auf, als gehöre ihm die Alpenrepublik mitsamt ihren Bürgern.

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DW-Korrespondentin Barbara Wesel

Die Enthüllungen kommen nach einer Kette von Skandalen, die die konservativ-rechtsextreme Koalitionsregierung in Wien zunehmend unter Druck gesetzt hatten. Da gab es etwa Verbindung in der FPÖ zu einem Mitglied der sogenannten Identitären, der Geld vom Attentäter von Christchurch erhalten hatte. Die Freiheitlichen traten eine Kampagne gegen den öffentlich-rechtlichen Sender ORF los, weil ein Moderator die berechtigte Frage nach der NS-Nähe einer Karikatur gestellt hatte, die auf dem Mist der FPÖ-Jugend gewachsen war.

Ein anderer FPÖ-Politiker hatte Menschen mit Ratten verglichen, bei parteinahen Bierabenden war nationalsozialistisches Liedgut aufgetaucht - die Reihe der Vorfälle ist endlos. Die FPÖ agiert schon seit längerem außerhalb des demokratischen Parteien-Spektrums, denn sie hat die Abgrenzung zu Neonazis und anderen rechtsradikalen Gruppen bewusst aufgegeben.

Ein Schlag für die Rechtsallianz bei der Europawahl

Für die geplante Allianz der Rechtsparteien im nächsten Europaparlament ist die Affäre ein Schlag. Ihre Anführer zucken die Achseln und stellen sich wahlweise als Opfer einer Kampagne oder als Unbeteiligte dar. Aber der Fall FPÖ zeigt erneut, dass sie keine Reform Europas wollen, sondern seine Zerschlagung und dass ihr politisches Modell teils in Russland, teils im Faschismus angesiedelt ist.

Hoffnungen von Italiens Innenminister und Lega-Parteichef Matteo Salvini etwa, er könne die konservative europäische Volkspartei zum Bündnispartner und wirklich Einfluss auf europäische Politik gewinnen, dürften nach dem "Fall Ibiza" endgültig gestorben sein.

Flaue Distanzierung

Unterwegs bei seinem Europawahlkampf, ging der Spitzenkandidat der europäischen Volkspartei, EVP, auf Abstand: Er habe schon lange gesagt, dass linke und rechte Extremisten und Populisten keine Lösung seien, erklärte Manfred Weber. Warum er hier Linke erwähnt, wo es doch um Rechtsextreme geht, und warum seine Distanzierung so flau ausfiel, ist rätselhaft.

Leider war es Manfred Weber selbst, der jahrelang den Aufstieg des selbsterklärten Antidemokraten Viktor Orbán zum Alleinherrscher Ungarns gedeckt hatte, der europäische Werte und Normen längst offen bekämpft. Und leider dient gerade Orbán als Vorbild für Salvini und andere, die seine Rezepte nachahmen wollen.

Ob Manfred Weber das inzwischen so peinlich ist, dass er über die FPÖ Affäre nicht reden mag? Wenn er jetzt nicht endlich erkennt, was sich da in der rechten Ecke im Europaparlament zusammenbraut und dass er mit diesen Parteien keine politischen Geschäfte machen kann, dann ist dem Mann endgültig nicht mehr zu helfen.

Wer in den Sumpf steigt, wird dreckig

Österreichs Kanzler Sebastian Kurz hatte geglaubt, er könne den Tiger FPÖ reiten. In jüngster Zeit aber legten die Freiheitlichen jede Zurückhaltung ab und machten ihm das Leben in der Koalition zunehmend schwer. Kurz will seine Rest-Glaubwürdigkeit als bürgerlicher Konservativer wahren, Strache und Co. aber drängten seine Regierung immer weiter in die rechtsextreme Ecke. Er hätte erkennen müssen, dass dieses Bündnis auf Dauer nicht vertretbar und haltbar sein würde.

Im Grunde ist es ganz einfach: Wer in den Sumpf steigt, wird dreckig. Wer glaubt, er könne sich mit Rechtsextremen und Neonazi-Freunden einlassen, wird zu ihrem nützlichen Idioten. Es kann keine Regierungskoalitionen mit Leuten geben, die westliche Demokratien "dekadent" nennen und von der Diktatur à la Putin schwärmen. Der Fall "Strache auf Ibiza" ist eine letzte Warnung an alle in Europa, die glauben, sie könnten mit den Rechtsextremen ins Boot steigen und als Demokraten überleben. Es ist zu spät für den Ruf: "Wehret den Anfängen". Inzwischen muss es heißen: "Macht auf keinen Fall weiter so".