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Gerechte Strafe für Apple und Irland

Porträt eines Mannes mit blauem Sakko und roter Krawatte
Bernd Riegert
30. August 2016

Die EU-Kommission geht gegen aggressive Steuervermeidung und illegale Vorteile für einzelne Konzerne vor. Gut so! Das bringt Punkte bei den Bürgern, meint Bernd Riegert.

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Margrethe Vestager
EU-Kommissarin Vestager: Keine Angst vor großen TierenBild: Dunand/AFP/Getty Images

Wozu brauchen wir die Europäische Union? Darauf hat die EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager eine Antwort gegeben. Nur sie kann gegen die verwerflichen Steuersparmodelle einiger EU-Staaten vorgehen, die sich zu Kumpanen internationaler Konzerne gemacht haben. Nationales Recht wurde in Irland zugunsten des Computer-Giganten Apple nicht gebrochen, wohl aber europäisches Wettbewerbsrecht. Gäbe es die EU nicht, hätten Irland, die Niederlande, Luxemburg und andere Staaten ihre ungerechte Steuerpolitik, die einzelne Firmen schamlos bevorzugt, einfach weiterführen können. Nur der gemeinschaftliche Binnenmarkt bietet eine Handhabe gegen offensichtliche Steuerschiebung.

Es ist gut, dass die EU-Kommission jetzt hart gegen die Täter und Begünstigten vorgeht. Sie knickt nicht ein, weder vor Kritik aus Irland noch vor Druck aus den USA, die sich schützend vor amerikanische Firmen stellen. Dem brav Steuern zahlenden Bürger oder dem mittelständischen Unternehmer beweist die EU, dass sie doch zu etwas nütze ist, jenseits aller Flüchtlingskrisen und Brexit-Dramen. Sie bietet Rechtssicherheit und vernünftige Regeln.

Allerdings kommen die Verfahren gegen Irland, Luxemburg, die Niederlande und vier weitere Staaten reichlich spät. Immerhin gibt es die Steuersparmodelle und Steuervorentscheide schon seit fast 30 Jahren. Jedem Kundigen waren sie mit den lustigen Namen "Double Irish" oder "Dutch sandwich" geläufig. Erst nachdem vor zwei Jahren die massenhaften Steuervorbescheide in Luxemburg öffentlich wurden, wachte auch die EU-Kommission auf. Sie weitete ihre Vorermittlungen auf alle 28 EU-Staaten aus, denn verdächtige Steuervorentscheide gab und gibt es überall. Allein in Luxemburg soll es über 300 betroffene Firmen geben.

Riegert Bernd Kommentarbild App
Europa-Korrespondent Bernd Riegert

Konkrete Verfahren gibt es erste wenige. Nach Starbucks in den Niederlanden, Amazon und Fiat in Luxemburg ist Apple in Irland erst die vierte große Firma, die zur Nachzahlung von Steuern verpflichtet wurde. Sowohl Irland als ertappter Staat als auch Apple wollen gegen die sehr hohe Nachforderung von 13 Milliarden Euro vor den Europäischen Gerichtshof ziehen. Vor den europäischen Richtern dürften sie wenig Chancen haben. Die Steuerhoheit der jeweiligen Staaten wird durch die Entscheidung der EU nicht angetastet, anders als der irische Finanzminister das jetzt behauptet. Irland will die 13 Millarden Euro nicht, die es zum Beispiel in seiner Finanzkrise gut hätte gebrauchen können. Damals ging Irland fast pleite und hatte keine Skrupel, sich fast 70 Milliarden Euro im EU-Rettungsschirm zu pumpen. Wer seine Steuereinnahmen künstlich senkt, sollte keine billigen Rettungskredite erhalten.

Irland hätte seinen eigenen Steuersatz von eigentlich 12,5 Prozent nicht auf 0,005 Prozent senken dürfen, und zwar nur für Apple. Das ist das Unrecht, die staatliche Beihilfe, die die EU-Kommission jetzt anprangert.

Sehr langsam ändert sich auch das Bewusstsein der Finanzminister. Sie wollen nach zähem Ringen von 2017 an ihren Steuerbehörden erlauben, untereinander automatisch Informationen über Steuersparmodelle und Vorentscheide auszutauschen. Dann können sich die Staaten gegenseitig auf die Finger schauen. Die Öffentlichkeit wird von diesen Modellen nichts erfahren. Das Steuergeheimnis will es so.

Langfristig müssten die Staaten, die in einem Binnenmarkt zusammengeschweißt sind, auch einheitliche Steuersysteme haben, um Firmen und Bürgern die gleichen Bedingungen zu bieten. Doch davon sind die Mitgliedsstaaten noch weit entfernt. Sie pochen auf ihre Steuerhoheit und konkurrieren untereinander mit ihren Steuersätzen. Mittelfristig wollen die Finanzminister zumindest eine gemeinsame Basis für die Besteuerung von Unternehmen definieren und auch über einen Mindeststeuersatz nachdenken. Das geht alles langsam, aber ohne die EU ginge es gar nicht. Deshalb brauchen wir die EU.

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Porträt eines Mannes mit blauem Sakko und roter Krawatte
Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union