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Ex-Kindersoldaten suchen eine Zukunft

Judith Raupp2. September 2015

Ex-Rebellenchef Bosco Ntaganda steht wegen Kriegsverbrechen vor dem Weltstrafgericht. Er soll im Kongo Kindersoldaten rekrutiert haben. Nach ihrer Zeit in der Miliz finden die Jugendlichen nur schwer zurück ins Leben.

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Symbolbild Kindersoldaten in der DRC (Foto: dpa)
Bild: picture alliance/dpa

Daniel Muramba Jad erinnert sich noch ganz genau: In Walikale im Osten der Demokratischen Republik Kongo haben Milizen seine Mutter getötet. Ihn haben sie dann in den Wald verschleppt und gefoltert. Da war er 15 Jahre alt. "Sie haben gedroht, mich zu töten, wenn ich nicht in ihre Armee eintrete", sagt Daniel. "Sie haben mich geschlagen und unter Wasser gedrückt. Danach habe ich beschlossen, Kindersoldat zu werden - wie die anderen auch." Drei Jahre hat er für verschiedene Milizen gekämpft, die im Ostkongo die Bevölkerung terrorisieren. Es geht um Macht und Rohstoffe.

Seit Januar lebt Daniel in der Provinzhauptstadt Goma, im Ausbildungszentrum der Hilfsorganisation zur Bildung und Betreuung von Traumatisierten aus Nyiragongo (ETN). Der Verein setzt sich für traumatisierte Kriegsopfer in der Region ein. 275 ehemalige Kindersoldaten und Straßenkinder lernen dort ein Handwerk, zum Beispiel Schreiner, Schweißer, Koch oder Friseur. Außerdem bekommen sie Unterricht in Geschichte, Hygiene und Ethik. Finanziert wird das Programm von einer finnischen und einer US-amerikanischen NGO.

Der ehemalige Kindersoldat Daniel Muramba aus der DRC (Foto: Judith Raupp/DW)
Will ein Leben ohne Krieg: Daniel MurambaBild: DW/J. Raupp

Traum vom neuen Leben

Die Jungen und Mädchen sollen wieder in die Gesellschaft zurückfinden. Doch das fällt vielen schwer. "Einige Kinder kommen direkt aus dem Wald. Sie wollen sich dauernd prügeln und Drogen nehmen", sagt der Leiter des Zentrums, Pascal Badibanga Zagabe. "Wir müssen sie mit Ratschlägen begleiten. Von Anfang an setzen wir strenge Regeln, damit sie wieder zu Recht und Gesetz zurück finden."

Auch Daniel will wieder ein Leben ohne Gewalt führen. Er macht eine Ausbildung zum Klempner, weil er Waschbecken, Wasserhähne und Toiletten für ein Zeichen des Fortschritts hält. Im Ostkongo sind sie alles andere als selbstverständlich: Zwei Drittel der Bevölkerung leben in absoluter Armut. Daniel wünscht sich, dass er einmal heiraten und Kinder haben kann. Er will dann alles anders machen als sein eigener Vater. Der, sagt er, habe sich nie um ihn gekümmert und das wenige Geld der Familie für Bier ausgegeben. Aber der heute 18-Jährige hat auch Angst vor der Zeit nach der Lehre, denn dann muss er das Internat im Ausbildungszentrum verlassen und er weiß nicht, wo er wohnen und wovon er leben soll. "Ich muss Arbeit finden. Aber ich habe keine Beziehungen. Und ohne Beziehungen gibt es keine Arbeit", sagt er.

Pascal Badibanga Zagabe, Leiter eines Ausbildungszentrums der Hilfsorganisation ETN in Goma (Foto: Judith Raupp/DW)
Ausbildungsleiter Pascal Badibanga ZagabeBild: DW/J. Raupp

Erst frei, dann wieder rekrutiert

Die Betreuer der ehemaligen Kindersoldaten helfen bei der Job-Suche, aber Arbeitsplätze sind rar im Ostkongo. Krieg, Kriminalität und Korruption schrecken Unternehmer und Investoren ab. Einige Jugendliche haben Glück, sie können noch eine Weile in Projekt-Werkstätten bei Hilfsorganisationen arbeiten. Die Hälfte des Lohns müssen sie sparen, um nach einem Jahr vielleicht ihre eigene Werkstatt eröffnen zu können. Aber es gibt nur wenige Plätze in diesen Projekten.

Deshalb kehren die meisten Jungen und Mädchen erstmal in ihre Dörfer zurück, nachdem sie das Reintegrationsprogramm abgeschlossen haben. Dort bleiben sie sich selbst überlassen. Und genau das sei ein großes Problem, sagt Lavinia Lommi. Die Italienerin arbeitet in Goma in der Kinderschutzabteilung der Friedensmission der Vereinten Nationen MONUSCO. "Es besteht das Risiko, dass die Kinder erneut rekrutiert werden", sagt Lommi, denn viele Dörfer werden immer wieder von Milizen angegriffen.

Demokratische Republik Kongo - Kindersoldaten
Im Ausbildungszentrum sind die Kinder und Jugendlichen sicher, aber danach?Bild: DW/J. Raupp

Allein im ersten Halbjahr 2015 haben sich mehr als 1000 Kindersoldaten bei der MONUSCO ergeben, fast so viele wie im ganzen Jahr davor. Wie viele Jungen und Mädchen während der zahlreichen Konflikte im Ostkongo verschleppt wurden, weiß niemand genau. Vermutlich sind es Zehntausende. Und die Milizen rekrutieren immer weiter.

Hoffen auf späte Gerechtigkeit

Daniel ist damals von einer besonders brutalen Rebellengruppe aufgegriffen worden. Die Rückkehr in die Gesellschaft fällt ihm schwerer als anderen. Zu seinem Dorf hat er allen Kontakt abgebrochen. "Ich kann nicht mehr in meine Heimat Walikale zurück. Denn ich habe die Menschen dort bestohlen und ich habe getötet", erzählt Daniel. Er sagt, er schäme sich heute dafür und bitte Gott jeden Tag um Vergebung.

Demokratische Republik Kongo: Aufkleber, Kindersoldaten (Foto: Judith Raupp/DW)
Genaue Zahlen gibt es nicht: Vermutlich zehntausende Kinder haben die Milizen im Kongo verschlepptBild: DW/J. Raupp

Die Rekrutieren von Kindersoldaten ist nach internationalem Recht ein Kriegsverbrechen. Erst 2009 hat auch die Regierung im Kongo ein Verbot erlassen. Die Täter werden aber nur selten zur Rechenschaft gezogen. "Sie haben unser Leben zerstört und blockieren unsere Zukunft", sagt Ex-Kindersoldat Daniel heute. Er hofft, dass jetzt zumindest Rebellenchef Bosco Ntaganda vom Internationalen Strafgerichtshof verurteilt wird und dass der Prozess ein Signal sendet - an all die anderen Milizenchefs im Kongo, die Jungen und Mädchen in den Krieg zwingen.