Keine Hoffnung in Kipushi
26. November 2018Kipushi, eine kleine Stadt im Südosten der Demokratischen Republik Kongo. Die Region war einst das Rückgrat der kongolesischen Wirtschaft. Noch heute werden hier Gold, Kupfer, Zink und Kobalt abgebaut. Jahrzehntelang betrieb die staatliche Bergbaufirma Gécamines die Minen hier, doch sie ist schwer angeschlagen und hat der Stadt schon lange den Rücken gekehrt.
Der siebenjährige Paulin sitzt neben seiner Mutter Prisca in einem Tagebau, der nahe dem Stadtzentrum beginnt und sich über dutzende Hektar erstreckt. Prisca schlägt Steine auf, in der Hoffnung darin Kobalt zu finden. Mutter und Sohn sind staubbedeckt. Steine, Staub, die gleißende Sonne und der harsche Umgangston der Minenarbeiter - das ist Paulins Welt. Dabei wünscht sich seine Mutter nichts sehnlicher, als ihn in die Schule schicken zu können. "Das Leben ist hart geworden, seit Gécamines am Boden ist. Wir müssen diese Arbeit machen, um unseren Kindern die Schule zu bezahlen", berichtet Prisca. Die Arbeit ist mühsam, an guten Tagen bringt sie rund 5000 kongolesische Francs nach Hause - umgerechnet etwa drei Euro. Die Regel sei das aber nicht. "Nicht jeden Tag gelingt es mir, etwas zu verkaufen", klagt sie.
Paulins jüngerer Bruder Jeannot kommt aus einem Stollen. Er trägt eine Tasche. Darin Sand, gemischt mit schwärzlichen Steinen - vermutlich Kobalt. Priscas Kinder begleiten ihre Mutter jeden Tag im Morgengrauen hierher, in der Hoffnung, die wertvollen Mineralien zu finden. Keines der Kinder geht zur Schule. Ihre Geschichten ähneln denen von Tausenden anderer Kinder oder Familien, die in den Minen der Region arbeiten.
Blasse Erinnerungen an bessere Zeiten
Gécamines, der einstige Riese der kongolesischen Bergbauindustrie, kämpft seit mehr als fünfzehn Jahren ums Überleben. Verschiedene Regierungen plünderten den Konzern regelrecht aus. Nur selten wurden die Gewinne in den Erhalt der Minen investiert. Ein Großteil von ihnen ist heute in der Hand ausländischer Konzerne - nicht so in Kipushi. Hier wird heute nur noch von Hand geschürft. Es herrscht das Gesetz des Stärkeren.
Einst war die Firma der größte Arbeitgeber in der Bergbauprovinz Katanga. Mehr als 33.000 Menschen arbeiten für Gécamines, viele davon in Kipushi. "Es war eine Stadt mit Häusern, die alle der Gécamines gehörten, mit Erholungszentren, Sportanlagen, Schulen und Krankenhäusern", erinnert sich der Aktivist und Unternehmer Alain Mwambenu an seine Kindheit. "Ich wusste nicht einmal, dass man für die Schule zahlen konnte. Mein Vater bekam für uns alles gratis - bis hin zum Toilettenpapier." Doch das sind heute alles nur noch Erinnerungen.
"Alles ist gestorben"
Heute bleiben nur noch blasse Erinnerungen von den guten Zeiten. Ihren Mann hat Prisca schon vor längerer Zeit verloren. Auch sie selbst sei krank, sagt sie. "Wenn ich heute zum Arzt ginge, würde man mich mit wegen meines Harnwegsinfekts nach Hause schicken. Im Krankenhaus haben sie gesagt, ich dürfte hier nicht mehr arbeiten. Aber ich habe keine Wahl." Viele Menschen würden versuchen, den Krankheiten mit Antibiotika vorzubeugen. Die Mütter brächten kranke oder totgeborene Kinder zur Welt.
"Es ist ein Trauerspiel. Wir verdienen fast nichts. Wegen des Zusammenbruchs von Gécamines arbeiten wir selbst mit unseren Frauen und Kindern in den Minen. Jede Woche begraben wir Verwandte und ehemalige Beschäftigte von Gécamines", klagt ein anderer Arbeiter. Ohne die nötige Ausrüstung seien sie Krankheiten schutzlos ausgeliefert, sagt der Arbeiter. Doch Alternativen gebe es nicht. "Wenn wir es nicht tun, werden wir verhungern. Alles ist hier gestorben wegen Gécamines."
Was die Wenigsten hier wissen: Untersuchungen von Proben der Metalle aus Kipushi haben Spuren von Uran zutage gebracht - ein radioaktiver Stoff, dem die Arbeiter im Tagebau vermutlich schutzlos ausgeliefert sind - Tag für Tag.
Dieser Artikel ist der zweite Teil unserer Reportagereihe zum Kongo vor den Wahlen. Weitere Beiträge finden Sie unter unten stehendem Link.