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GesellschaftAsien

Kontroverse um "Miss Japan" aus der Ukraine

Martin Fritz aus Tokio
26. Januar 2024

Was ist typisch japanisch? Nicht jeder in Japan will akzeptieren, dass eine Frau mit europäischen Eltern und japanischem Pass den "Miss-Japan"-Wettbewerb gewonnen hat. Martin Fritz aus Tokio.

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Japan: Miss Japan Contest 2024 | Carolina Shiino "Water Angel"
"Miss Japan" 2024 ist Carolina Shiino (m.)Bild: Kazuki Oishi/Sipa USA/picture alliance

Als Carolina Shiino am Montag (22.1.) in einem Hotel in Tokio die Krone der "Miss Japan 2024" aufgesetzt und die Schärpe umgehängt wurde, da flossen bei der 26-Jährigen die Tränen. Denn sie gewann den Schönheitstitel als erste Frau, die außerhalb von Japan geboren wurde, keine japanisch-stämmigen Eltern hat und erst 2022 in Japan eingebürgert wurde.

"Es ist wie ein Traum", sagte sie nach ihrer Krönung. "Ich hatte mit Barrieren zu kämpfen, die mich oft daran hinderten, als Japanerin akzeptiert zu werden, daher bin ich voller Dankbarkeit, bei diesem Wettbewerb als Japanerin anerkannt zu werden."

Dessen ungeachtet setzte in den sozialen Medien in Japan sofort eine Debatte darüber ein, ob Shiino wirklich die Krone einer "Miss Japan" beanspruchen dürfe. Die zustimmenden Aussagen konzentrierten sich auf den Punkt ihrer japanischen Nationalität. Die überwiegend negativen betonten die Frage der Ethnizität. "Die zur 'Miss Japan' gewählte Person ist nicht einmal eine halbe Japanerin, sondern eine hundertprozentig reine Ukrainerin. Ist sie deshalb nicht 'Miss Ukraine'?", fragte etwa User Iwaimichiko (@iwaimichiko) auf dem Portal X.

Japanisch draußen, japanisch drin?

Die traditionelle japanische Denkweise definiert das Japanisch-Sein über das Aussehen und nicht über die Nationalität. Wie viele Halbjapaner wird zum Beispiel die in Japan geborene Tennisspielerin Naomi Osaka mit einer japanischen Mutter aus Japan und einem haitianischen Vater weitläufig als Japanerin wahrgenommen, weil sie japanisch "aussieht", obwohl sie schlecht japanisch spricht und ihren japanischen Pass erst im Alter von 22 Jahren erhielt.

Dagegen scheint das Konzept, dass Ausländer ohne japanische Wurzeln wie Carolina Shiino auf dem Weg einer Einbürgerung zu Landsleuten werden, für einige Japaner noch recht abstrakt und fremd zu sein. Dabei erhalten jedes Jahr mehrere tausend Menschen einen japanischen Pass, darunter auch viele nicht-japanischstämmige Ausländer. Der gebürtige Finne Marti Turunen, der als Missionar nach Japan kam, ließ sich 1979 einbürgern, japanisierte seinen Namen zu Marutei Tsurunen und saß von 2002 bis 2013 im japanischen Oberhaus als Abgeordneter.

Naomi Osaka geht bei den US Open über einen Platz
Japanische Tennisprofisportlerin Naomi OsakaBild: Frank Franklin II/AP/picture alliance

Aus der Ukraine nach Japan zugewandert

Die neue Schönheitskönigin ist die Tochter ukrainischer Eltern und wurde 1998 in Ternopil in der westlichen Ukraine geboren. Nach der Scheidung heiratete ihre Mutter einen Japaner mit dem Nachnamen Shiino, so dass Carolina im Alter von fünf Jahren nach Japan umzog und dort unter ganz normalen Umständen aufwuchs. Sie spricht Japanisch akzentfrei und nahm nach eigenen Angaben die kulturelle Identität einer Japanerin an. Sie fühle sich "sprachlich und geistig" als Japanerin, gab die junge Frau an. Doch wegen ihres nicht-japanischen Aussehens fiel sie in ihrer japanischen Umgebung immer wieder auf.

Die Organisatorin des 'Miss Japan Grand Prix', Ai Wada, sagte der BBC, die Jury habe Frau Shiino mit "vollem Vertrauen" zur Siegerin gekürt. "Sie spricht und schreibt in schönem und höflichem Japanisch", sagte Wada. "Sie ist mehr Japanerin als wir."

Die Gewinnerinnen des "Miss-Japan"-Wettbewerbs 2024 stehen vor einer Werbewand und halten die Pokale des Wettbewerbs in der Hand
Fünf Gewinnerinnen des "Miss-Japan"-Wettbewerbs 2024 Bild: Kazuki Oishi/Sipa USA/picture alliance

Davon waren auf Japans wichtigster Diskussionsplattform X nicht alle überzeugt. "Als Japanerin mit einem Achtel japanischer Abstammung glaube ich, dass man mindestens halb japanisch sein sollte, um ein homogenes Land wie Japan bei dem Miss Japan-Wettbewerb zu repräsentieren", schrieb Nutzerin Kara (@0xkarasy). "Es geht um Identität." Userin Ajisai Natsuko (@ajisainatsuko07) erklärte: "Ich bin Japanerin und überhaupt nicht zufrieden mit dieser Auswahl für Miss Japan. Japanische Schönheitsstandards sind anders als westliche."

Andere Kommentare konzentrierten sich auf die äußere Schönheit. "Ist das nicht die schönste 'Miss Japan' der Geschichte? Ich glaube nicht, dass ich jemals zuvor eine so schöne Frau gesehen habe", schrieb Yuna (@yucop731). Ebenfalls auf dem Portal X meinte Kaoru (@1958118): "Sie verdient den Titel einer 'Miss Japan'. Sie ist eine bescheidene und niedliche japanische Lady." Einige User mutmaßten, die Jury wollte mit der Wahl ein politisches Zeichen für Diversität setzen und ihre Sympathie mit der Ukraine ausdrücken.

Japan Ariana Miyamoto, Model
"Miss Universe Japan" 2015 Ariana Miyamoto mit afrikanischer WurzelBild: picture-alliance/dpa/Maxppp

Alte Debatte neu aufgeflammt

Shiino hatte sich nach eigenen Angaben ganz bewusst um die Krone der Miss Japan beworben, um "eine Gesellschaft zu schaffen, in der Menschen nicht nach ihrem Aussehen beurteilt werden". Die Kontroverse wird sie daher nicht überrascht haben, zumal es vor neun Jahren eine ähnliche Diskussion gab, als Ariana Miyamoto als erste Frau, die aus einer gemischten Ehe stammt, zur "Miss Universe Japan" gekürt wurde. Auch damals lautete die Kritik, dass die 20-Jährige nicht "japanisch genug" aussehe.

Wie Naomi Osaka hatte Miyamoto einen afroamerikanischen Vater und eine japanische Mutter, so dass darüber diskutiert wurde, ob eine Japanerin mit dunkler Hautfarbe eine 'Miss Japan' sein könne. Schließlich ist die weiße Haut ein klassisches Schönheitsideal für japanische Frauen. Nun müssen sich die Menschen der Inselnation an eine 'Miss Japan' gewöhnen, die zwar nicht japanisch aussieht, aber im Herzen eine Japanerin ist.