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Starpianist Igor Levit erhielt Morddrohung

Verena Greb
30. Dezember 2019

Er ist bekannt für sein virtuoses Klavierspiel und dafür, politisch Haltung zu beziehen. Jetzt wurde bekannt, dass Igor Levit bedroht wurde. Im "Tagesspiegel" äußert er sich über den Hass als gesellschaftliches Problem.

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Igor Levit, Pianist
Bild: picture-alliance/dpa/Geisler-Fotopress/C. Hardt

Er sieht sich als "Citizen. European. Pianist." - in dieser Reihenfolge. So steht es auf der Startseite seines Web-Auftritts.Seinem Twitter-Account @igorpianist hat er nun noch die Selbstbeschreibung "Human Being" hinzugefügt. Diese steht nun an erster Stelle. Warum inzwischen notwendig sei, auf diese Selbstverständlichkeit zu verweisen, hat Levit in einem Gastbeitrag im Tagesspiegel vom 29.12.2019 dargelegt.

Es hat damit zu tun, dass sich Levit zuletzt Anfeindungen und sogar einer antisemitisch gefärbten Morddrohung ausgesetzt sah. Eigenen Angaben zufolge erreichte ihn im November 2019 eine Mail, die eine Ankündigung für ein bestimmtes Konzert in Süddeutschland enthielt. Laut seiner Sprecherin wurde daraufhin die Polizei eingeschaltet. Unter Personenschutz und aufwendigen Sicherheitsmaßnahmen spielte er besagtes Konzert trotzdem.

Ein talentiertes Kind

Levit bekam schon als Kleinkind Klavierunterricht, zunächst von seiner Mutter im russischen Gorki, dem heutigen Nischni Nowgorod. Dort war er 1987 in eine jüdische Familie geboren worden. Als er acht Jahre alt war, zog diese nach Hannover, wo er ein Gymnasium besuchte. 1999 ging Levit nach Salzburg ans Mozarteum und bekam Unterricht von Hans Leygraf. Zurück in Hannover besuchte er die Hochschule für Musik, Theater und Medien und studierte am neu gegründeten Institut zur Frühförderung musikalisch Hochbegabter (IFF).

Igor Levit am Klavier
Igor Levit am 17. Mai 2019 in MünchenBild: Getty Images for Steinway & Sons/L. Preiss

Inzwischen ist Levit mit zahlreichen Preisen für sein virtuoses Spiel ausgezeichnet worden, zum Beispiel mit dem Opus Klassik und dem Internationalen Beethovenpreis (beide 2019). Jüngst machte Schlagzeilen, dass er das Beethoven-Preisgeld in Höhe von 10.000 Euro Opfern digitaler Gewalt gespendet habe. Er wolle nicht hinnehmen, dass online Menschen mit dem Tode bedroht werden.  

Levit als politischer Mensch

Levit engagiert sich schon seit Längerem öffentlich gegen Hass und Hetze. So gab er 2018 im Rahmen des Antisemitismus-Skandalsum die Rapper Kollegah und Farid Bang seinen Echo-Musikpreis zurück, hielt bei der Verleihung des Opus Klassik 2019 eine flammende Rede gegen die Verrohung der Sprache und widmete seinen Preis den Opfern des Anschlags in Halle. Dass der hochdekorierte Künstler nun betont, ein Mensch, ein "human being", zu sein, bedeutet, dass Levit verletzlich ist, so wie jeder andere auch. Von Verletzungen und Angst handelt darum sein Gastbeitrag im Tagesspiegel. Allerdings sieht er diese als gesellschaftliche Phänomene. Sein Beitrag wirkt essayistisch, er entfernt sich darin von der persönlichen Verletzung.

So zitiert Levit andere Fälle von Opfern von Hass und Anfeindungen in der jüngsten Vergangenheit. Darunter Walter Lübcke, der am 2. Juni 2019 ermordet wurde. Der Hauptverdächtige, ein hessischer Rechtsextremist, hatte zunächst bekannt, sich an einer Bemerkung Lübckes angesichts der Flüchtlingssituation 2015 gestört zu haben. Auch auf die Seite der Täter geht Levit ein, Täter, die "nur mit Worten (verletzen). Aber streichen Sie das 'nur'. Sprachgewalttäter sind Täter. Die gibt es in der Anonymität des Internets, aber sie sitzen auch im Deutschen Bundestag und in den Landtagen. Sie haben Sendezeit im Fernsehen und Platz in Zeitungen – nicht selten umso mehr, je heftiger die Entgleisungen ausfallen. Menschen werden mit Worten drangsaliert und tatsächlich erschossen."

Von der Pflicht des Künstlers

Igor Levit, Pianist
Igor Levit 2019 im Rahmen der Verleihung des Opus KlassikBild: picture-alliance/dpa/Sven Simon/M. Ossowski

Levit sieht es als seine Pflicht an, genauer als "Pflicht des Künstlers", "die Zeit zu spiegeln", wie er mit den Worten der 2003 verstorbenen US-amerikanischen Musikerin und Bürgerrechtlerin Nina Simone sagt. Der Künstler Levit tut dies auf sämtlichen Bühnen und Plattformen. Diese nutzt er, um seinen Humanismus, den die Süddeutsche Zeitung einen "linken" nennt, zu verbreiten. Beispielsweise vor einem Auftritt, wie im September 2018, als er mit dem WDR-Sinfonieorchester spielte und vor der Zugabe ein politisches Statement abgab. Darin appellierte er an die Gesellschaft, sich gegen Rassismus und Ausgrenzung zu positionieren. 

In der ZDF-Talkshow "Maybrit Illner" war der Pianist als Mitdiskutant zum Thema  "Worte, Wut, Widerspruch – Hass verbieten, Meinung aushalten?" eingeladen. Rechtsradikalismus sei keine Meinung, sondern eine Einstellung, so Levit in der Sendung. Und nun schreibt er im Tagesspiegel. Der Text ist auch eine Warnung: "Das Gift rechtsradikaler, völkischer Hetze verbreitet sich langsam und schleichend. Wenn Übergriffe und Attacken zum regelmäßigen Stoff von Nachrichten werden, dann steigt die Gefahr, dass wir uns an Skandal und Unmenschlichkeit gewöhnen (…)".

Außenminister Heiko Maas verlinkt bei Twitter auf Levits Artikel, in dem jener appelliert, der "Verrohung, Vergiftung und Abstumpfung" mit Anstand und Engagement entgegenzutreten. Levit wiederum nutzt die Gelegenheit, den Politiker Maas aufzufordern, aktiv zu werden:

In seinem Gastbeitrag hatte er die Verantwortungsträger bereits einbezogen. Einige hätten nicht verstanden, dass die Menschenwürde in Gefahr sei und "Handlungsbedarf" bestehe. Levits aufrüttelnder Artikel schließt mit den Worten: "Empörung darf sich nicht in Ritualen erschöpfen und auf Betroffenheitsrhetorik im Salongespräch und in Medienstatements beschränken."