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"Kein 100-prozentiger Schutz vor Terror"

Jan Bruck16. November 2015

Konzertsäle, Kinos, Diskotheken: Oft sind es geschlossene Veranstaltungsräume, die zum Ziel von Terroristen werden. Wir haben den Geschäftsführer einer der größten deutschen Arenen nach der Sicherheitslage befragt.

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Köln Lanxess Arena Pressebild
Bild: AMG

Die Lanxess-Arena, ehemals Köln Arena, ist die größte Multifunktionsarena Deutschlands und fasst bis zu 20.000 Zuschauer. Regelmäßig finden hier große Sportveranstaltungen wie Eishockey- oder Handballspiele sowie auch Konzerte von Weltstars wie Britney Spears, Madonna oder U2 statt. Stefan Löcher ist Geschäftsführer der Arena und damit auch für die Sicherheit der jährlich rund 1,4 Million Besucher verantwortlich.

DW: Herr Löcher, was ging Ihnen durch den Kopf, als sie von den Angriffen in Paris und insbesondere der Geiselnahme in der Konzerthalle Bataclan gehört haben?

Stefan Löcher: Mir ging durch den Kopf, dass diese Angriffe eine Dimension erreicht haben, die man sich natürlich schon oft vorgestellt hat und mit der man sich auch auseinandergesetzt hat. Aber sie stellen einen vor Herausforderungen, die es unmöglich machen, so etwas zu 100 Prozent zu verhindern. In der Praxis sieht es so aus: Ich kann hier 400 Security Guards vor die Arena stellen. Wenn Menschen mit Kalaschnikows ankommen, ist natürlich klar, dass die Sicherheitsleute entweder wegrennen werden oder dann im Zweifel erschossen werden. Wir reden hier über eine Situation, bei der nur höchste Staatsgewalt etwas ausrichten kann.

Stefan Löcher Geschäftsführer Lanxess Arena
Stefan Löcher, Geschäftsführer der Lanxess ArenaBild: Louis Buerk

Fühlen Sie sich ein Stück weit machtlos?

Da möchte ich abstrahieren: Ob es sich jetzt um einen Konzertsaal, ein Stadion, einen Bahnhof oder was auch immer handelt: Da kann man jeden öffentlichen Platz nehmen. Wenn dort nun fünf bewaffnete Menschen auftauchen, ist der einzig wirksame Plan, diese Menschen so schnell wie möglich unschädlich zu machen. Eigentlich müsste man dann überall, wo öffentliche Flächen sind, schwerbewaffnete Polizei oder Militär hinstellen.

Bei Selbstmord-Attentätern stellt sich die Sache anders dar: Man kann prüfen, ob jemand Material am Körper hat. Diesen Fall kann man durch hohe Sensibilität und Training fast ausschließen. Außerdem muss man schauen, dass eine solche Arena auch während der Zeit, in der keine Veranstaltung stattfindet, sauber bleibt. Es müssen regelmäßig Bombenspürhunde durch das Gebäude geführt werden. Es bewegen sich täglich sehr viele Menschen da durch und man muss sicher gehen, dass nicht doch etwas platziert wurde.

Wie sehen denn die bestehenden Sicherheitsvorkehrungen in ihrer Arena aus?

Natürlich haben wir hier höchste Sicherheitsvorkehrungen: Wir machen Personenchecks, überprüfen Taschen. Wir haben auch Veranstaltungen, bei denen wir sogar Personen durchleuchten und Detektoren anwenden. Wir sperren sehr genau die Backstage-Räume ab und haben Sicherheitspersonal mit langjähriger Erfahrung. Wir haben ein ausführliches Sicherheitskonzept und wir haben auch sehr häufig Polizei vor Ort, zum Beispiel bei Eishockey-Spielen. Wir haben ein detailliertes Evakuierungskonzept und die nächste große Polzeitstation ist 200 Meter von der Arena entfernt. Das sind alles Dinge, die helfen. Doch es wäre vermessen zu sagen, dass wir für den Fall eines bewaffneten Angriffs eine Lösung hätten. Die 100-prozentige Sicherheit hat niemand, das haben die letzten 10, 20 Jahre gezeigt.

Bataclan Paris 2
Die Konzerthalle Bataclan in ParisBild: Lari Lucien

Sie sagen also, dass dann andere Stellen am Zug wären?

Die Frage ist doch: Wie gehst Du mit einem bewaffneten Menschen um? Indem Du selber bewaffnet bist. Unsere Security darf sich nicht bewaffnen. Um diese Gefahr also wirklich eingrenzen zu können, brauchen wir öffentlichen Schutz. Da gibt es nur die Polizei, die Bundeswehr darf es aktuell nicht.

Frankreich Terror in Paris Bataclan Opfer
Polizisten mit einer Überlebenden des Terror-Anschlags auf die KonzerthalleBild: Getty Images/AFP/K. Tribouillard

Gibt es denn konkrete Maßnahmen, die sie als Reaktion auf die Ereignisse in Paris ergreifen?

Wir haben ohnehin einen sehr hohen Sicherheitsstandard. Es ist ja keine neue Erkenntnis, dass so etwas immer passieren kann. Das ist nicht völlig neu. Die Sicherheits-Standards in den öffentlichen Arenen sind sehr hoch. Die Checks am Körper wird man wohl noch einmal ausweiten

Werden Veranstaltungen in ihrer Arena nun abgesagt?

Es liegt bis dato keine diesbezügliche Information vor und ich gehe auch nicht davon aus.

Am 02.12.2015 spielt die deutsche Folkrock-Band Santiano bei Ihnen, die auch häufig bei Heavy-Metal-Events auftritt. Gibt es aus Ihrer Sicht ein höheres Risiko für Zwischenfälle bei dieser Veranstaltung?

Auf gar keinen Fall. Ich glaube, in Paris war es reiner Zufall, dass die Attentäter bei einem Metal-Konzert waren. Da geht es nicht um das Musik-Genre. Man hat sich vermutlich den Tag ausgesucht, weil es das Länderspiel gab. Die genauen Beweggründe wissen wir nicht. Aber ich glaube, dass es überhaupt keine Verbindung zu dem konkreten Konzert gab. Da hätte auch eine ganz andere Band spielen können.

Stefan Löcher ist Geschäftsführer der Lanxess-Arena in Köln.