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"Asylrecht in der EU bleibt ein Flickenteppich"

Ralf Bosen31. März 2013

Die EU-Staaten haben letzte Hindernisse auf dem Weg zu gemeinsamen Asylregeln beseitigt. Doch Karl Kopp von Pro Asyl warnt im DW-Interview vor der Gefahr, dass künftig mehr Asylsuchende inhaftiert werden könnten.

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Karl Kopp von Pro Asyl Deutschland Foto: Pro Asyl Deutschland
Bild: Pro Asyl Deutschland

Die Situation für Asylsuchende in der Europäischen Union entspricht oft nicht den vereinbarten Mindeststandards. Ein für alle EU-Staaten geltendes Gesetzespaket soll Abhilfe schaffen. Darüber verhandeln die EU-Staaten bereits seit 14 Jahren. Nun steht das "Gemeinsame Europäische Asylsystem" (GEAS) kurz vor seiner Vollendung. Am Mittwoch (26.03.2013) einigten sich EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström und die EU-Botschafter auf letzte Details des geplanten Gesetzespaketes. Darin geht es zum Beispiel um Länge und Ausgestaltung der Asylverfahren, die finanzielle Unterstützung für Migranten, die Chance auf Anerkennung oder Regelungen zur Abschiebung.

Ein von Hilfsorganisationen wie Pro Asyl kritisiertes Thema sind die künftigen Inhaftierungsgründe. Asylbewerber können zur Feststellung ihrer Identität, zur Prüfung des Einreiserechts und zur Sicherung von Beweisen über die Fluchtgründe festgesetzt werden. Dies gilt auch für verspätete Asylantragstellung, bei Gefahr der nationalen Sicherheit und eines möglichen Untertauchens. Das Regelwerk muss noch auf Ministerebene und vom Europa-Parlament formell beschlossen werden. Dies wird für Mai oder Juni erwartet.

DW: Herr Kopp, die EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström sagte nach Klärung der Gesetzesdetails, Entscheidungen über Asylanträge fielen in Europa künftig fairer, schneller und besser. Würden Sie dem zustimmen?

Karl Kopp: Das ist sehr optimistisch, wenn ich mir die Ergebnisse anschaue, was jetzt im zweiten Harmonisierungsschritt auf dem Weg zu einem gemeinsamen Asylrecht gemacht wurde, muss man sagen, es ist sehr bescheiden und an manchen Stellen haben das EU-Parlament und der Rat sehr dramatische Dinge beschlossen.

Welche sind das?

Beispielsweise gibt es eine Aufnahmerichtlinie, die demnächst formal angenommen werden soll. Da geht es um die soziale Ausgestaltung während des Asylverfahrens. Neuerdings werden sechs Haftgründe für Asylsuchende genannt. Das heißt, Europa normiert die schäbige Inhaftierungspraxis und erweitert dieses Drama. Das führt dazu, das mehr Asylsuchende als vorher inhaftiert werden.

Zu den Neuerungen gehört auch, dass sich Asylbewerber europaweit nach neun Monaten eine Arbeit suchen dürfen. In Deutschland beträgt das Arbeitsverbot derzeit zwölf Monate. Die Wartezeit würde also um drei Monate verkürzt. Das müsste doch eigentlich Ihren Vorstellungen entsprechen.

Wir sind auch dafür, dass man Menschen frühzeitig die Chance gibt, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen und damit auch den Arbeitsmarktzugang und auch den Bildungszugang erleichtert. Das ist klar. Aber wie gesagt, wir können das nicht mit den Haftgründen verrechnen. Das wird uns vom Europaparlament immer wieder entgegengerufen: "Schaut her, wir haben den Zugang zum Arbeitsmarkt beschleunigt." Aber zeitgleich hat das Europaparlament nicht die Kraft aufgebracht, die Praxis der Inhaftierung von Asylsuchenden zu beenden. Nicht einmal die Inhaftierungspraxis bezogen auf allein fliehende Kinder und Jugendliche wurde in dieser Richtlinie verboten, und das ist doch sehr traurig.

Gibt es denn Elemente in dieser neuen Richtlinie, die Sie begrüßen und unterstützen würden?

Der schnellere Zugang zum Arbeitsmarkt ist gut. Es soll auch ein eigenes, schnelles Identifikationsverfahren für besonders Schutzbedürftige, für Traumatisierte und für Minderjährige geben. Das wird Verbesserungen bringen, auch in Deutschland. Es wird wahrscheinlich auch Verbesserungen in Bezug auf Therapieplätze für Traumatisierte und für Opfer von Folter geben. Über die Asylverfahrensrichtlinie und die Asylzuständigkeitsregelung sind wir allerdings überhaupt nicht glücklich. Dazu muss man aber sagen, dass es in Zukunft auch in Deutschland Rechtsschutz mit aufschiebender Wirkung gegen eine Überstellung in ein anderes Land geben wird. Das heißt, es gibt kein blindes Vertrauen mehr, dass man jemand abschiebt und sagt, weil das ein EU-Land ist, bist du sicher. Nein, der Betroffene kann seine Ansichten vortragen und die Richter müssen prüfen. Doch dieses positive Element ist durch ein Grundsatzurteil des Europäischen Gerichtshofs in Luxemburg erzwungen worden. Es war nicht der politische Gestaltungswille.

Die neuen Asyl-Regeln sollen dafür sorgen, dass Asylbewerber künftig überall in Europa dieselben Schutzstandards vorfinden. Glauben sie, dass alle EU-Staaten die kommenden gesetzlichen Normen auch in die Praxis umsetzen können?

Wir haben ja schon während der ersten Etappe zwischen 1999 und 2004 gesehen: Es gab Staaten, die überhaupt nichts in die Praxis umgesetzt haben - beispielsweise Griechenland. Es wäre also wichtig, dass man die Umsetzung dieser europäischen Gesetze viel genauer überwacht und viel früher sanktioniert. Aber im Kern wird dieser Flickenteppich auch mit diesem neuen Regelwerk weiter bestehen, das demnächst wohl formal angenommen wird. Wir werden weiterhin in zahlreichen Staaten obdachlose Asylsuchende haben. Wir werden mehr Haftanstalten an den Grenzen haben. Diese neuen Gesetze werden das nicht verhindern. Sie werden den Betroffenen vielleicht nur einige Verfahrensrechte geben. Aber die Inhaftierungspraxis in Griechenland, Malta und anderen Außenstaaten wird fortgesetzt.

Sie sehen in dem neuen Asylsystem also keinerlei Fortschritte?

Wir sehen einzelne Verbesserungen. Aber wir reden über einen Prozess von 14 Jahren. Dafür ist zu wenig rausgekommen. Dafür hat sich auch das EU-Parlament, was erstmals mitentscheiden darf, zu viel abkaufen lassen. Man hat zu viele Kompromisse um jeden Preis gemacht, nur damit das Regelwerk erst mal steht. Ich muss einfach sagen, der Prozess war intransparent. Es ist für Außenstehende kaum noch nachvollziehbar, was zwischen EU-Präsidentschaft, EU-Rat und Parlament sowie der Kommission beschlossen wurde. Das hat Auswirkungen für Hunderttausende von Menschen, und es ist kein öffentliches Thema. Das ist kein Beitrag für einen europäischen Mehrwert. Das, was jetzt nicht beschlossen wurde oder eklatant falsch ist, werden wahrscheinlich die höchsten europäischen Gerichte in einem längeren Prozess richten müssen. Aber das ist nicht meine Vorstellung von politischem und menschenrechtlichem Gestaltungswillen. Da hat die Politik versagt.

Karl Kopp ist Europareferent im Frankfurter Zentralbüro der Menschenrechtsorganisation Pro Asyl e.V.