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Warum verschwinden Afrikas Wälder?

10. August 2020

Nirgends geht mehr Wald verloren als in Afrika, dort werde mehr gerodet als in Südamerika, so ein UN-Bericht. Ein Grund: das schnelle Bevölkerungswachstum. Doch auch für Schokolade werden viele Bäume gefällt.

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Baumstümpfe auf brauner Erde mit ein wenig Sträuchern in einem Regenwaldgebiet in Sambia
Bild: picture-alliance/Balance/Photoshot

Der Regenwald Zentralafrikas ist nach dem Amazonas das zweitgrößte tropische Urwaldgebiet der Welt. Diese Region und die angrenzenden Waldgebiete in Afrikas "grünem Gürtel" sind zum neuen Brennpunkt der weltweiten Waldzerstörungen geworden. Seit 2010 gehen in Afrika jedes Jahr 3,9 Millionen Hektar Wald verloren, das zeigt der jüngste Waldbericht der UN-Welternährungsorganisation FAO.

In ihrer Zusammenfassung bringen die Autoren die "hohe Entwaldungsrate" mit dem starken Wachstum der Bevölkerung in Verbindung und mit der "Notwendigkeit, die Lebensgrundlagen mit kleinbäuerlicher Landwirtschaft zu erhalten". Sind also Afrikas Bauern für die dramatischen Regenwaldverluste verantwortlich, weil sie immer mehr Nahrung produzieren müssen? Ganz so einfach ist es nicht.

Plantagenwirtschaft statt "kleinbäuerlicher Landwirtschaft"

Längst nicht jede Anbauform, die auf den ersten Blick so aussieht, ist tatsächlich kleinbäuerliche Landwirtschaft, sagt Jutta Kill. Die Biologin ist Expertin für Waldnutzung im globalen Süden und berät soziale Netzwerke, Stiftungen und Nicht-Regierungsorganisationen.

Kakaofrüchte in einer Plantage mit Arbeitern im Hintergrund
Die Nachfrage nach Kakao steigt stetig - die Anbauflächen werden immer weiter ausgeweitet, zum Nachteil des RegenwaldsBild: AP

"Nirgends sonst sind Palmöl- und Kautschukplantagen in den vergangenen Jahren so schnell expandiert wie in West- und Zentralafrika. Hier gibt es die Tendenz, dass Konzerne vielfach sogenannte "outgrower" beschäftigen. Das sind Kleinbauern, die exklusiv für die Unternehmen produzieren, quasi als Angestellte auf ihrem eigenen Land. In der Statistik taucht das dann als 'Entwaldung durch Bevölkerungsdruck' auf, ist aber industrielle Nutzung."

Beispiel Kakao-Anbau: Nach Angaben der Waldschutz-Organisation Fern wird 90 Prozent der weltweiten Kakao-Ernte von Klein- oder Familienbetrieben produziert. Das ist auch in der weltweit führenden Kakao-Exportnation, der Côte d'Ivoire (Elfenbeinküste) so, sagt Friedel Huetz-Adams, Referent für Westafrika beim Bonner Südwind-Institut für Ökonomie und Ökumene.

Schokoladenhunger der Industrienationen zerstört den Wald

Auf gerade einmal 7 Cent belaufen sich derzeit die Kosten für den Kakao in einer Tafel Vollmilchschokolade. Davon kämen vier bis fünf Cent bei den Kakaobauern in Westafrika an, rechnet Huetz-Adams im DW Interview vor. "Die Preise für Kakao sind so niedrig, dass die Bauern versuchen, so viel wie möglich von den Flächen runterzuholen und wenn die Böden ausgelaugt sind, dann geht man weiter und rodet die nächste Fläche."

Infografik Der Große Kakao-Hunger DE
Seit 2013 verdoppelten sich die Einzelhandelsumsätze bei Schokolade auf knapp 220 Milliarden US-Dollar

Die Folge: Es gibt kaum noch Regenwald im Land. Seit 1960 hat die Côte d'Ivoire nach Angaben von Fern 80 Prozent ihres Waldbestands verloren. "Eine nachhaltigere Bewirtschaftung, etwa die Regenerierung von bestehenden Anbauflächen statt weiterer Rodungen, können sich die Bäuerinnen und Bauern nur dann leisten, wenn sie mehr Geld für ihre Produkte bekommen", sagt der Südwind-Referent.

Nur noch regenwaldfreie Produkte für die EU?

Hier sieht Julia Christian die Europäische Union mit ihrem Green Deal in der Pflicht. Die Juristin ist zuständig für Klima- und Umweltfragen bei Fern in Brüssel. Die internationale Organisation will den Schutz von Wäldern auch in der EU-Politik voranbringen.

Kamerun Regenwaldrodung
Immer mehr Holz wird aus den Regenwaldgebieten abtransportiert, neue Strassen werden dafür tief in die Wälder getriebenBild: picture-alliance/Wildlife/B. Luther

"Was bei Tropenholz gilt, muss auch für andere Produkte, wie Kakao, Kaffee, Bananen, Kautschuk oder Palmöl gelten. Wenn für sie Regenwald gerodet werden, sollten sie nicht in die EU eingeführt werden dürfen", fordert Christian im Gespräch mit der DW. Als drittgrößter Verbrauchermarkt der Welt habe der EU einen enormen Einfluss auf den Zustand der Umwelt weltweit.

Legal oder illegal: Tropenholz bleibt begehrt

Illegal geschlagenes Regenwaldholz bleibe trotz vielfacher Einfuhrverbote auch in der EU ein Problem, sagt Johannes Zahnen, Referent für Forstpolitik beim WWF Deutschland. Denn laut EU-Holzhandelsverordnung EUTR muss die legale Herkunft nur bei der Einfuhr nachgewiesen werden. Ist es einmal in der EU gilt das Holz automatisch als legal. "Das führt dazu, dass Händler vor allem über solche EU-Länder Holz einführen, in denen es kaum Kontrollen gibt", kritisiert Zahnen.

Lesen Sie mehr: Illegale Regenwaldrodung: Europäische Firmen arbeiten mit dubiosen Lieferanten zusammen

Zwar haben mehrere afrikanische Regierungen ihren Wald zu Schutzgebieten erklärt, in denen großflächige Abholzungen nur eingeschränkt möglich sind. Doch kleinbäuerliche Bewirtschaftung, sogenanntes "artisanal logging", bleibt vielfach weiter erlaubt. Das sei ein Schlupfloch für Konzerne, sagt Jutta Kill.

"Dabei werden junge Männer aus der Umgebung von Holzhändlern mit Kettensägen und anderem Gerät ausgestattet. Das gefällte Holz wird ihnen dann abgekauft und die Händler organisieren den Transport. Formal geht das dann als 'Entwaldung durch erhöhten Bevölkerungsdruck' in die Statistik ein. Faktisch ist das aber eine industrielle Nutzung."

"Korruption und Abholzungen gehen Hand in Hand"

Und auch ganz offiziell werden Konzernen Holzschlagrechte im Regenwald eingeräumt. Erst im Februar dieses Jahres vergab Kameruns Regierung Logging-Konzessionen für 150.000 Hektar im Ebo-Forest.

Infografik Regenverluste in Afrika DE

Die Bevölkerung sei nicht informiert worden, ihre Rechte auf ihr angestammtes Land und auf Mitsprache seien ignoriert worden, kritisiert Raoul Monsemboula, Regionalkoordinator Westafrika bei der Umweltschutzorganisation Greenpeace im DW-Interview. Das passiere immer wieder, wenn sich Wälder in Staatsbesitz befänden. Regierungen nutzten den Wald immer wieder, um politischen Unterstützern Gefallen zu erweisen.

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 "Wir müssen die weit verbreitete Korruption in Afrika beenden und dafür sorgen, dass der Wald in den Besitz der lokalen Bevölkerung gelangt, damit sie sich um ihn kümmern kann", fordert Monsemboula. "Die weltweit am besten geschützten Wälder sind solche, die von der lokalen Bevölkerung bewirtschaftet werden", bestätigt Julia Christian von Fern.

Bildung, Frauenrechte und faire Preise gegen den Bevölkerungsdruck

Und ja, auch Afrikas rasant wachsende Bevölkerung bedroht die natürlichen Ressourcen des Kontinents. Laut UN-Prognosen wird sich Afrikas Einwohnerzahl bis zum Jahr 2050 von heute gut einer Milliarde Menschen auf 2,2 Milliarden Menschen mehr als verdoppeln.

Das lasse sich nur ändern, wenn Frauen und Mädchen bessere Bildung und mehr Mitsprache erhielten, sagt Raoul Monsemboula. "Sie müssen die Methoden der Familienplanung kennen und Zugang zu Verhütungsmitteln haben."

Neben mehr Bildung ließe vor allem mehr Wohlstand die Geburtenraten sinken, betont Obed Owusu-Addai, Mitbegründer der Umweltorganisation EcoCare in Ghana. "Arme Bauern in Ghana brauchen viele Kinder, um ihr Land bewirtschaften zu können. Das wird sich nur ändern, wenn die Landwirtschaft produktiver wird." Nur wenn die Bauen höhere Preise für ihre Produkte erhielten, können sie Investitionen tätigen, um mehr Ertrag zu erwirtschaften.

Anders gesagt: Für den Erhalt des Regenwalds müssen mehr als vier oder fünf Cent pro Tafel Schokolade in Afrika bleiben.

DW-Redakteurin Jeannette Cwienk
Jeannette Cwienk Autorin und Redakteurin, Fokus unter anderem: Klima- und Umweltthemen