Ringen um Kompromiss
4. August 2011Im Grenzstreit zwischen Serbien und dem Kosovo hat der kosovarische Regierungschef Hashim Thaci eingelenkt. Vor seinem Kabinett sprach er am Donnerstag (04.08.2011) überraschend von einem "fruchtbaren Treffen" mit dem Kommandeur der internationalen Kosovo-Schutztruppe KFOR, Bundeswehrgeneral Erhard Bühler. Dabei hätten sich beide Seiten auf die nächsten Schritte verständigt.
Zuvor hatte sich die Regierung des Kosovo dagegen gewandt, zwei umstrittene Grenzübergänge zu Serbien vorerst unter internationaler Kontrolle zu belassen. Damit schienen die Fronten verhärtet, denn Serbien vereinbarte mit der KFOR, welche Grenzübergänge zum Kosovo vorerst unter internationaler Kontrolle bleiben sollen.
Den Lösungsansatz ausgehandelt hatte Bühler mit dem serbischen Minister für das Kosovo, Goran Bogdanovic, und dem serbischen Unterhändler Borko Stefanovic. Demnach behalten die KFOR-Truppen wenigstens bis Mitte September die Kontrolle über die beiden Grenzübergänge zu Serbien im Norden des Kosovo, an denen es zu den jüngsten Ausschreitungen gekommen war. Zudem soll die Regierung des Kosovo die Importverbote für serbische Waren lockern. Im Gegenzug müssen die Serben zahlreiche Straßensperren abbauen. Ziel soll sein, die Bewegungsfreiheit zu garantieren.
Die Grenzen des Entgegenkommens
Noch bevor alle Details des Abkommens geklärt waren, hatte die kosovarische Regierung unter Thaci ein deutliches Zeichen nach Belgrad geschickt: Die Einigung sei "inakzeptabel und unausführbar". Man wolle die Grenzübergänge mit eigenen Polizisten und Zollbeamten kontrollieren. Das Problem: Die KFOR und Serbien haben sich noch nicht darauf verständigt, wessen Beamte später an den Grenzübergängen stehen sollen: die der kosovarischen Regierung oder die der serbischen Minderheit.
Bislang kontrolliert die serbische Minderheit die Grenzen - bis Pristina Ende Juli einen eigenen Beamten dorthin schickte und die Lage eskalierte. Ein kosovarischer Polizist wurde getötet, ein Grenzübergang in Brand gesetzt und die KFOR übernahm das Kommando. Noch insgesamt rund 6000 Soldaten stellt die NATO im Kosovo, um die Sicherheit zu gewährleisten.
Am Mittwoch hatte die KFOR damit angefangen, die Truppen zu verstärken. Deutschland und Österreich kündigten an, es solle ein Reservebataillon mit etwa 700 Soldaten an die Grenzübergänge verlegt werden. Die Deutschen stellten mit rund 900 Soldaten bislang das größte Bataillon. KFOR-Kommandeur Bühler macht vor allem fehlende rechtsstaatliche Strukturen im Norden des Kosovo für die Probleme verantwortlich. Man habe "viel zu lange zugelassen, dass sich hier radikale Strukturen herausgebildet haben", sagte Bühler. Das seien vor allem kosovo-albanische und kosovo-serbische Gruppen. Doch Recht und Gesetz müssten auch im Norden des Kosovo gelten.
Gegenseitige Sticheleien
Hintergrund der Auseinandersetzungen ist ein Handelszwist: Neuerdings verbietet das Kosovo Importe aus Serbien. Dies ist die kosovarische Antwort auf das serbische Importverbot auf dessen Produkte. Dieses existiert seit der Unabhängigkeit des Kosovo im Jahr 2008. Die Regierung in Belgrad erkennt das Land nicht als unabhängigen Staat an, sondern sieht das Gebiet weiterhin als autonome Provinz. Der völkerrechtliche Status des Kosovo ist umstritten, denn auch nicht alle Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen oder der Europäischen Union erkennen das Kosovo als unabhängigen Staat an.
Der Grenzstreit ist nicht nur ein Problem für die Stabilität und Sicherheit der Balkan-Region, er belastet auch das serbische Verhältnis zur EU und die Beitrittsverhandlungen. Die EU verlange, dass Belgrad "konkrete Schritte zur Integration des Nordens mit dem übrigen Kosovo" ermögliche, sagte ein Regierungsmitglied in Serbien. Ein Termin für die Aufnahme der Beitrittsverhandlungen steht noch nicht fest - bis zum Jahresende bleibt Serbien EU-Beitrittskandidat. Bis dahin, hoffen alle Beteiligten, sollte zumindest der Grenzkonflikt beigelegt sein.
Autoren: Nicole Scherschun/Herbert Peckmann (afp, dapd, dpa, rtr)
Redaktion: Thomas Grimmer/Sabine Faber