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Politik

Alexej Nawalny zu mehrjähriger Haft verurteilt

2. Februar 2021

Der russische Oppositionelle Alexej Nawalny muss für zwei Jahre und acht Monate in Haft. Die Richter begründeten dies damit, dass er Bewährungsauflagen nicht erfüllt habe.

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Alexej Nawalny wird in den Gerichtssaal gebracht
Alexej Nawalny wird in den Gerichtssaal gebrachtBild: Moscow City Court/dpa/picture-alliance

Ein Moskauer Gericht hat den russischen Oppositionspolitiker Alexej Nawalny wegen Verstößen gegen Bewährungsauflagen zu einer Freiheitsstrafe von 3,5 Jahren verurteilt. Weil der 44-Jährige aber schon rund ein Jahr im Hausarrest beziehungsweise in Untersuchungshaft verbracht hat, muss er nun für 2,8 Jahre in Haft. Ableisten soll er diese in einem Straflager Die Richterin erklärte Nawalny für schuldig, sich während seines Aufenthalts in Deutschland nach dem Nervengiftanschlag auf ihn nicht regelmäßig bei den Behörden gemeldet zu haben.

Anhänger des Widersachers von Präsident Wladimir Putin riefen auf Twitter zu einer sofortigen Demonstration in Moskau auf.

Die russische Strafvollzugsbehörde (FSIN) hatte in dem Prozess beantragt, eine 2014 gegen Alexej Nawalny verhängte Bewährungsstrafe von dreieinhalb Jahren in reguläre Haft umzuwandeln.

Russland Gerichtsverhandlung Nawalny
Spezialkräfte der Anti-Terror-Einheit OMON sind rund um das Gerichtsgebäude im EinsatzBild: Kiril Kudryavtsev/AFP/Getty Images

Nawalny, der sich in Deutschland von den Folgen des Giftanschlags erholt hatte, war nach seiner Rückkehr Mitte Januar in Moskau festgesetzt und in einem Eilverfahren zunächst zu 30 Tagen Haft verurteilt worden. Kritiker betrachten das juristische Vorgehen gegen den 44-Jährigen als politisch motiviert.

Die Verteidiger des Kremlgegners kündigten umgehend an, die verhängte Haftstrafe anfechten zu wollen. "Natürlich werden wir Berufung einlegen", sagte die Anwältin Olga Michailowa noch im Gerichtssaal.

Nawalny weist Vorwürfe zurück

Der Kreml-Kritiker Alexej Nawalny hatte in dem Gerichtsverfahren in Moskau die Vorwürfe der Strafvollzugsbehörde zurückgewiesen, er habe während seines Patienten-Aufenthaltes in Deutschland gegen Bewährungsauflagen verstoßen. Er habe der FSIN seine Adresse in Deutschland mitgeteilt, sagte der 44-Jährige in dem Gericht, in dem über eine Gefängnisstrafe gegen ihn verhandelt wurde. "Was hätte ich denn sonst noch tun sollen? Hätte ich Ihnen ein Video von meiner Physiotherapie schicken sollen?"

Die FSIN wirft Nawalny vor, er habe während seiner Zeit in Deutschland, wo er wegen der gravierenden Folgen eines Giftanschlags behandelt wurde, "systematisch" gegen Bewährungsauflagen verstoßen. Insgesamt sieben Mal habe er die Meldepflicht bei den russischen Behörden verletzt. Deshalb hat sie die Umwandlung einer bereits bestehenden Bewährungs- in eine Haftstrafe beantragt. Dieser Antrag wird von der Staatsanwaltschaft unterstützt. Die Verteidigung dagegen argumentiert, dass der Oppositionelle in Deutschland war und sich entsprechend nicht bei den russischen Behörden melden konnte.

In einer abschließenden Erklärung betonte Nawalny vor Gericht: "Die Hauptsache in diesem Prozess ist nicht, wie er für mich ausgehen wird. Die Hauptsache ist, eine große Anzahl von Menschen einzuschüchtern. Und das funktioniert so: Man sperrt einen Menschen ein, um Millionen einzuschüchtern. Ich hoffe sehr, dass dieser Prozess von den Menschen nicht als Signal dafür verstanden wird, Angst haben zu müssen. Hunderttausende und Millionen kann man nicht einsperren."

Fahrzeuge mit CC-Kennzeichen

Vor dem Gerichtsgebäude parkten zahlreiche Fahrzeuge von Diplomaten, was das russische Präsidialamt zu einer Stellungnahme veranlasste: Ausländische Vertreter dürften keinen Druck auf die Justiz ausüben, erklärte der Kreml. Russland hoffe, die Europäische Union werde die bilateralen Beziehungen nicht vom Fall Nawalny abhängig machen.

Russland Moskau Protest und Festnahmen Alexej Nawalny
Nahe dem Gerichtsgebäude fuhren Gefangenentransporter aufBild: Maxim Shemetov/REUTERS

Hundertschaften der auf Anti-Terror-Einsätze spezialisierten Sonderpolizei OMON bewachten das Stadtgericht, das weiträumig abgesperrt war. Die Sicherheitskräfte gingen gegen Demonstranten vor, die sich in der Nähe des Gerichtsgebäudes versammelt hatten. Nach Angaben der Nichtregierungsorganisation OWD-Info wurden mehr als 300 Menschen in Gewahrsam genommen. 

Die DW-Korrespondentin Emily Sherwin berichtet von einem Gespräch mit einer jungen Frau vor dem Gericht. Diese sagte: "Ich glaube, dass die Menschen frei in ihrer Meinung sein sollten und dass Nawalny frei sein sollte. Und ich möchte in einem Land leben, in dem das Geld für Wohltätigkeit und für das Volk verwendet wird und nicht für unseren Präsidenten, weil es einfach unfair ist. Und ich denke, dass ein Mann, der fast getötet wurde, nicht im Gefängnis sein sollte."

Große Härte gegen Unterstützer

An den vergangenen Wochenenden waren in ganz Russland mehrere Zehntausend Menschen für Nawalny auf die Straße gegangen. Die Polizei schritt mit großer Härte ein. Mehrere Tausend Menschen wurden festgenommen.

Unterstützer Nawalnys am Tag der Gerichtsverhandlung in Moskau
Unterstützer Nawalnys am Tag der Gerichtsverhandlung in MoskauBild: Kiril Kudryavtsev/AFP/Getty Images

Der Regierungskritiker hatte im August nur knapp einen Mordanschlag mit dem Nervenkampfstoff Nowitschok überlebt. Nawalny selbst macht für das Attentat Präsident Wladimir Putin und Agenten des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB verantwortlich. Der Kreml wies die Vorwürfe wiederholt zurück.

Mit Blick auf die geplanten Wahlen im Herbst sagte die Russland-Expertin Sarah Pagung der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) in Berlin der Deutschen Welle: "Das Bemerkenswerte an Nawalny ist, dass er es in den letzten Jahren trotz der vielen Maßnahmen der russischen Regierung geschafft hat, seine Bekanntheit zu steigern. Wenn wir uns anschauen, wie viele Russen und Russinnen Nawalny kennen, dann ist diese Zahl in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Und das trotz der Tatsache, dass ihm beispielsweise kaum Zeit im Fernsehen gewidmet wurde, dass er kaum in den großen Printmedien vorkommt. Und genau das ist eben auch die Gefahr, die Nawalny für das Regime darstellt, da er letztlich nochmal verdeutlicht, dass das Regime eben nicht in der Lage ist, alles vollkommen zu kontrollieren."

kle/jj/qu (dpa, afp, rtr, DW)