Krisenfonds: Signal an die Finanzmärkte
10. Mai 2010Vor 15 Monaten, im Februar 2009, sagte Joachim Starbatty, emeritierter Professor der Volkswirtschaftslehre an der Universität Tübingen, der Deutschen Welle ins Mikrofon: "Griechenland müsste eigentlich um 40 Prozent abwerten. Der Euro steht vor einer Zerreißprobe." Man kann sicher sein: Was ein Professor weiß, der seinerzeit vor dem Bundesverfassungsgericht erfolglos gegen die Einführung des Euros geklagt hatte, das wissen Hedgefonds und andere institutionelle Anleger mindestens genauso lange. Sie hatten also über ein Jahr Zeit, ihre Truppen zu sammeln, um eine Festung sturmreif zu schießen: First we take Manhattan, then we'll take Berlin. Erst nehmen wir uns Griechenland vor, dann den Euro.
Hedgefonds auf Beutezug
Dabei sind die Hedgefonds äußerst methodisch und vollkommen rational vorgegangen. Sie nutzen einfach die gigantischen Ungleichgewichte in den Handels- und Leistungsbilanzen der Mitgliedsländer des Euro-Raumes aus, um ihr Kapital zu vervielfachen. Griechenland war der erste und einfachste Probefall. Mit Leerverkäufen griechischer Staatsanleihen wetteten sie auf einen baldigen Staatsbankrott, mit so genannten Kreditausfallversicherungen, die außerbörslich gehandelt werden und sich jeder Kontrolle entziehen, setzten sie einen noch größeren Hebel an, der in die gleiche Richtung wirkt.
Das erste Rettungspaket, das die Euro-Länder und der Internationale Währungsfonds geschnürt haben, war nichts anderes als etwas gekaufte Zeit. Rund zwei bis drei Jahre ist Griechenland nicht auf die internationalen Kapitalmärkte angewiesen, um sich zu refinanzieren. Die Wirtschaft des Landes müsste jährlich um über vier Prozent wachsen, um aus eigener Kraft mit dem Abbau seines Schuldenberges beginnen zu können – doch dank der rigiden Sparmaßnahmen ist dort eher eine Rezession zu erwarten, und die Euroländer stünden nach dieser Zeit vor dem gleichen Problem wie heute.
Wetten auf Dominoeffekt
Das Kalkül der Hedgefonds ist einfach: Was in Griechenland funktioniert, kann auch in Portugal, in Spanien und in Italien klappen. Und je mehr Steine aus der Mauer des Euro herausgebrochen werden, desto mehr gerät der Euro selbst ins Visier, durch einfache Devisentermingeschäfte. Ich verspreche dir, zum 1. Januar 2011 einen Euro, der jetzt noch 1, 28 Dollar kostet, für einen Dollar zu verkaufen. Diese Euros besitze ich zwar noch nicht, doch wenn ich sie dir liefern muss, kaufe ich sie am Devisenmarkt – für 88 US-Cent. Ein grandioses Geschäft.
Es hat lange gedauert, bis Europas Finanzpolitiker und Notenbankgouverneure begriffen haben: Es geht nicht um Griechenland oder Portugal, es geht um den Euro. Der jetzt aufgespannte Schutzschirm für den Euro soll ein klares Signal an die Finanzmärkte sein: Die Wetten gegen den Euro werden nicht aufgehen. Und damit dieses Signal überhaupt eine Wirkung hat, ist es mit der unvorstellbaren Summe von einer halben Billion Euro unterfüttert worden.
Strukturelle Reformen müssen folgen
Jetzt bleibt abzuwarten, wie lange dieses Signal wirkt. Denn die monetären Maßnahmen sind nur die eine Seite der Medallie. Wenn ihnen keine Reformen bei den Institutionen und im Regelwerk der Finanzmärkte folgen, wird auch diese Summe nicht ausreichen, die Spekulation gegen den Euro aufzuhalten. Vorschläge gibt es genug: Der Finanzsektor müsste an der Finanzierung öffentlicher Aufgaben und den Folgekosten von Finanzkrisen beteiligt werden – in welcher Form auch immer. Unregulierte Geschäfte mit Kreditausfallversicherungen (Credit Default Swaps) auf Staatsanleihen müssen verboten werden, wenn man nicht tatsächlich Eigentümer der jeweiligen Kreditforderung ist. Auch über das Instrument der Leerverkäufe muss man nachdenken. Man kann sie zwar nicht verbieten, weil viele von ihnen der Absicherung von Geschäften dienen, die erst in der Zukunft anfallen, doch in irgendeiner Form müssen die daraus abgeleiteten Geschäfte, die Derivate verboten werden, um ihnen die spekulative Spitze zu nehmen. Und schließlich muss im Regelwerk des Euro-Vertrages endlich eine Insolvenzordnung verankert werden, wie es sie für Unternehmen und Privathaushalte schon längst gibt – nur eben für Staaten noch nicht.
Autor: Rolf Wenkel
Redaktion: Klaus Ulrich