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Kristina Vogel: "Ich fahre jeden Tag Vollgas"

11. August 2016

Sie hat Oberschenkel wie Baumstämme und ein Selbstbewusstsein wie ein Champion. Das ist Kristina Vogel auch. Im DW-Interview spricht die Bahnrad-Sprinterin über die Last der Favoritenrolle und den Verzicht auf Taktik.

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Die Bahnradfahrerin Kristina Vogel (Getty)
62 Kilo verteilt auf 1,60 Meter Körpergröße - Kristina Vogel ist ein Kraftpaket auf der BahnBild: Getty Images/D. Mullan

DW: Manche sagen: Einen Olympiasieg zu holen, ist schwer, aber ihn zu verteidigen, ist noch viel schwerer.

Kristina Vogel: Verteidigen ist immer schwieriger als Holen. Bevor du zum ersten Mal gewinnst, bist du meist ein Underdog. Du kommst einfach und holst dir das Ding. Verteidigen ist schwerer, weil alle dich anschauen, mehr Leute mit dir rechnen und sich genau auf dich vorbereiten. Deine Taktik, deine Vorbereitung ist einfach mehr im Fokus der anderen. Und natürlich kommt von außen viel mehr Druck auf dich. Manchmal mehr, als du es selbst willst.

Sie haben seit ihrem Olympiasieg in London viel gewonnen. Wie hat sich ihre Position im Bahnradsport geändert?

Ich habe mir eine andere Rolle in der Radwelt erarbeitet. Wenn man an mir vorbeifahren kann, hat man eine Medaille sicher. So einfach ist das. Da hat sich einiges geändert im Vergleich zu vor vier Jahren.

Wie gehen Sie mit der Favoritenrolle um?

Das ist manchmal schon hart. Ich sehe es bei meinen Gegnern. Viele fahren gegen mich anders. Wenn es gegen mich geht, haben sie plötzlich eine ganz andere Körperspannung und agieren aggressiver. Sie müssen eben gegen mich gewinnen, um weiterzukommen.

"Die Bahn liegt mir"

Haben die olympischen Bahnwettbewerbe in dieser Hinsicht eigene Gesetze?

Definitiv. Das haben wir 2012 in London ja gesehen. Der Kampf um Gold wird unheimlich eng. Die Zeiten der Top-Fahrerinnen liegen sehr dicht beieinander. Ich bin bereit, fühle mich gut und will jetzt einfach fahren.

Das Velodrom von Rio war bei Ihrer Ankunft noch nagelneu, manche Arbeiten waren noch nicht abgeschlossen. Wie schnell ist die neue Bahn?

Man merkt, dass die Bahn noch frisch ist. Es wäre aus meiner Sicht schöner, wenn sie ein paar Jahre älter wäre. Dann wäre das Holz härter und schneller. Aber wenn die Bahn gut gepflegt wird, kann das eine sehr schnelle Bahn werden. Und sie liegt mir. Ich mag die engen Kurvenradien und auch die langen Geraden. Aber ob hier viele Weltrekorde fallen, da bin ich skeptisch. Vielleicht noch im Vierermannschafts-Zeitfahren, in den anderen Disziplinen eher nicht.

Miriam Welte (l.) und Kristina Vogel
2012 in London überraschten Miriam Welte (l.) und Kristina Vogel die Weltelite und holten Gold. Wiederholung möglich?Bild: AP

Sie starten im Sprint, im Keirin und im Teamsprint. Auf welchen Wettbewerb setzen Sie besonders?

Ich bin in jeder Disziplin gleich motiviert. Ich fahre jeden Tag Vollgas, da wird nicht gespart. Auch im Rennen taktiere ich nicht groß. Ich tue es einfach. Und ich glaube, dass ist das Beste, was man in meiner Disziplin machen kann. Wenn ich es mir aussuchen könnte, dann würde ich gerne Sprint-Olympiasiegerin werden, denn das ist die Königsdisziplin auf der Bahn. Dieses Jahr wäre natürlich toll, aber sonst habe ich noch die Spiele in Tokio 2020, das werden wohl meine letzten Spiele.

"Die Chinesinnen und die Russinnen sind eine Macht"

In London waren Sie gemeinsam mit Miriam Welte Olympiasiegerin im Teamsprint. Wie steht es diesmal um Ihre Chancen?

Die letzten Jahre haben gezeigt, dass die Konkurrenz stärker geworden ist. Die Chinesinnen und die Russinnen sind eine Macht. Beide sind sehr gut besetzt und arbeiten gut zusammen. Aber es muss viel zusammenkommen für einen Olympiasieg. Daher haben wir auch unsere Chance. Wir erhoffen uns schon eine Medaille, Bronze ist das Ziel, alles andere wäre eine Zugabe.

Sie haben im Vorfeld der Spiele gesagt, dass sie quasi im Wochenrhythmus kontrolliert werden? Gilt das auch für Ihre Konkurrentinnen?

Ich habe wirklich keine Lust mehr auf das Russland-Thema. Was soll ich machen? Ich muss so oder so gegen sie fahren. Die Russen sind aber nicht die einzigen, die vielleicht betrügen. Niemand weiß das genau. So lange kein positiver Test vorliegt, kann man nichts machen. Ich hoffe einfach, dass die WADA in allen Ländern die gleichen Bedingungen schafft.

Kristina Vogel ist zwar erst 25 Jahre alt, doch sie dominiert bereits seit Jahren die Sprintszene. Schon als Juniorin wurde die deutsche Bahnradfahrerin Weltmeisterin und setzte dann bei den Frauen ihrer Karriere erfolgreich fort. Höhepunkt ihrer Laufbahn war bisher der Olympiasieg im Teamsprint in London gemeinsam mit Miriam Welte. Aber die in Kirgistan geborene Vogel musste auch Rückschläge verkraften: Im Mai 2009 nahm ihr im Training ein Auto die Vorfahrt und verletzte sie schwer. Nach zwei Tagen im Koma und drei Monaten Reha-Pause war sie jedoch zurück auf dem Rad. Kristina Vogel reiste als amtierende Keirin-Weltmeisterin nach Rio.

Das Interview führte Joscha Weber.