Kritik an geplanter Google-Cloud in Saudi-Arabien
27. Mai 2021Der Journalist Jamal Khashoggi wurde im saudischen Konsulat in Istanbul ermordet, die Menschenrechtlerin Ludschain al-Hathlul wurde kürzlich erst nach 1001 Tagen unter Auflagen aus dem Gefängnis in Saudi-Arabien entlassen. Sie hatte gegen das damals bestehende Fahrverbot für Frauen im Land protestiert. Das sind nur zwei Beispiele, die zeigen, mit welcher Härte Saudi-Arabien gegen Dissidenten und Kritiker vorgeht.
Vor diesem Hintergrund haben 38 Menschenrechtsorganisationen und Einzelpersonen - darunter Human Rights Watch (HRW) und Amnesty International (AI) - den Google-Konzern jetzt in einer Stellungnahme dazu aufgefordert, den angepeilten Start seines Cloud-Services in Saudi-Arabien bis auf Weiteres auf Eis zu legen. Grund hierfür sind ernsthafte Bedenken über anhaltende Menschenrechtsverletzungen im Land.
Google müsse erst nachweisen, wie "mögliche nachteilige Auswirkungen auf die Menschenrechte in dem Land verringert werden können".
Partnerschaft mit Saudi Aramco
Die Befürchtung der Organisationen ist groß, dass Riad die neuen Technologien nutzen könnte, um Kritiker und Dissidenten mithilfe der Daten von Tech-Firmen noch strenger zu kontrollieren als bisher und um dann gegen sie vorzugehen
"Es ist außerdem besorgniserregend, dass die Cloud-Region von Google in Partnerschaft mit einem staatlichen Unternehmen entstehen soll", so die Menschenrechtler in ihrer Stellungnahme.
Im Dezember 2020 hatte Google mit dem staatlichen Gas- und Ölkonzern Saudi Aramco eine Vereinbarung getroffen, die die Einrichtung einer Cloud-Region in Saudi-Arabien vorsieht. Eine Google-Cloud-Region, eine Art lokales Rechenzentrum, würde über eine groß angelegte Infrastruktur die Nutzung fortschrittlicher IT-Dienstleistungen ermöglichen. Die Datenspeicher- und Cloud-Computing-Dienste von Google gehören zu den größten der Welt.
Diese Technologien sollen Unternehmen im Königreich Saudi-Arabien zur Verfügung gestellt werden, heißt es. Behörden könnten dadurch aber auch einfacher Zugang zu Daten und zur Kommunikation unliebsamer Bürger bekommen.
"Saudi-Arabien hat eine traurige Menschenrechtsbilanz - dazu gehört die digitale Überwachung von Dissidenten. Es ist ein unsicheres Land, in dem die Google-Cloud-Plattform gehostet wird", sagt Rasha Abdul Rahim, Direktorin von Amnesty Tech.
Viele Menschenrechtsverstöße
Amnesty International, Human Rights Watch und andere Menschenrechtsgruppen berichten seit vielen Jahren ausführlich über Menschenrechtsverletzungen in Saudi-Arabien. Seit Kronprinz Mohammed bin Salman an die Macht gekommen ist, sind viele Oppositionelle festgenommen oder zu langen Haftstrafen verurteilt worden, nur weil sie ihr Recht auf Meinungs-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit wahrgenommen haben.
In einem Land, das Dissidenten in Gefängnisse stecke und foltere, könne der Plan von Google den saudischen Behörden noch mehr Zugriffsmöglichkeiten geben, sagt Abdul Rahim. So könnten Netzwerke infiltriert werden und das Regime könnte dadurch Zugang zu Daten von Aktivisten und Personen bekommen, die abweichende Meinungen zur offiziellen Regierungslinie hätten, so Abdul Rahim.
Ausspionieren im In- und Ausland
Hinzu kommt: Das Königreich hat in den vergangenen Jahren bereits gezeigt, dass es seine Bürger auch digital ausspioniert, sowohl im Inland wie im Ausland.
Zu den prominenten Fällen gehört das digitale Ausspionieren des Dissidenten Omar Abdulaziz - unter anderem ein Freund von Jamal Khashoggi. Omar Abdulaziz hatte vor einigen Jahren politisches Asyl in Kanada erhalten. 2018 dann erfuhr Abdulaziz durch Forscher am Citizen Lab der Universität Toronto, dass sein Telefon offenbar mit Spyware durch ein mit Saudi-Arabien in Verbindung stehendes Netzwerk gehackt und abgehört worden sein soll. Nach dem mutmaßlichen Hack wurden mehrere Familienmitglieder in Saudi-Arabien festgenommen.
Zwei ehemalige Twitter-Angestellte, Ali Alzabarah und Ahmad Abouammo, wurden 2015 beschuldigt, die Daten von mehr als 6.000 Saudi-Arabien-kritischen Usern des Netzwerks an Behördenvertreter in Riad weitergegeben zu haben. Die Aktivitäten der mutmaßlicher Twitter-Spione sollen direkt zur Inhaftierung von Abdulrahman al-Sadhan, einem Mitarbeiter des Roten Halbmondes, geführt haben. Sadhan wurde im Mai zu 20 Jahren Gefängnis verurteilt, weil er auf Twitter seine politische Meinung zum Ausdruck gebracht hatte.
Das Unternehmen Google stehe in der Pflicht, Menschenrechtsverletzungen, die durch den Einsatz seiner Technologie ermöglicht werden, zu verhindern, meinen die Organisationen anlässlich ihrer Initiative. Bereits Anfang des Jahres hatten sowohl Access Now, als auch weitere Organisationen wie die Canadian Internet Policy and Public Interest Clinic (CIPPIC) und Human Rights Watch den Google-Chefs ihre Bedenken gegen die Einrichtung einer Cloud-Region in Saudi-Arabien mitgeteilt. HRW hatte dabei um eine Stellungnahme zu der Frage gebeten, wie der Konzern plane, Mitarbeiter zu überprüfen, die Zugriff auf Userdaten bekommen, die in der Cloud-Region Saudi-Arabien gespeichert würden.
Google soll mehr Auskünfte geben
Außerdem wollte HRW wissen, wie Google mit Anfragen der saudischen Behörden nach Benutzerdaten umgehen wolle. Nach saudischem Recht sei das nämlich legal, mit internationalen Menschenrechtsstandards aber nicht vereinbar.
Google bekräftigte daraufhin in einer Antwort allgemein sein Engagement für die Menschenrechte und erklärte, dass auch eine unabhängige Menschenrechts-Bewertung für die Google-Cloud-Region in Saudi-Arabien durchgeführt wurde. Das Unternehmen soll demnach auch Schritte eingeleitet haben, um identifizierte Probleme anzugehen. Wie die genau aussehen, wurde bisher aber nicht mitgeteilt.
Auf die neue Forderung der Organisationen, die Einrichtung der Cloud-Angebote in Saudi-Arabien vorerst zu stoppen bis klar wird, wie Menschenrechtsverletzungen durch deren Nutzung verhindert werden können, hat Google bisher nicht reagiert.
Auch Saudi Aramco hat sich zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Artikels noch nicht öffentlich zu den Forderungen der Menschenrechtsorganisationen geäußert.