China Kritik im Netz
13. November 2012Viele Bürger sind einfach nur genervt von den Sicherheitsmaßnahmen auf der Straße und von den Einschränkungen im Internet im Vorfeld und während des Parteitags. Die Taxis in Peking müssen bestimmte Straßenblocks umfahren, die Fenster beim Fahrgast dürfen nicht geöffnet werden. In den sozialen Netzwerken wird Unmut geäußert. "Was für ein Parteitag! Überall lauert die Polizei, vor wem wollen sie sich schützen? Einfach schrecklich", schreibt ein Nutzer bei Sina Weibo, der populären chinesischen Version von Twitter.
Inhaltliche Diskussionen finden auf diesen Plattformen aber kaum statt, denn im chinesischen Internet herrscht während des Parteitages besonders strenge Zensur. Mit Suchbegriffen zum Parteitag findet man bei Sino Weibo keine individuellen Kommentare, nur Postings von offiziellen Medien.
Kreativ gegen Zensurmaßnahmen
Die Netzgemeinde versucht daher mit kreativen Wortfindungen, die Sperren zu umgehen. Anstatt beispielsweise die chinesischen Zeichen für "18. Parteitag" (in Pinyin-Umschrift: shiba da) zu benutzen, werden die ähnlich lautenden Zeichen für das Wort "Sparta" benutzt, oder es wird in westlicher Schreibweise "18big" benutzt. Diese Codes, wie auch "sieben Zwerge" für die voraussichtlich sieben Mitglieder des neuen Politbüro-Spitze, funktionieren immer nur für kurze Zeit, bis die Internet-Wächter dahinterkommen.
In den zensierten Foren der großen Internetanbieter sind erwartungsgemäß zum Parteitag fast nur Begeisterung und positive Erwartungen zu hören. "Ein wichtiger Tag für unser Land und Volk", "Ein schöner Masterplan für das Land und neue Maßnahmen zur Verbesserung unseres Lebens" lauten etwa die Überschriften.
Kritische Tweets
Im Netzwerk Twitter, das in China nur mit technischen Kniffs zugänglich ist und eine weitaus kleinere Gemeinde hat als Sina Weibo, wird dagegen unverhohlen Kritik geäußert. "Immer mehr Menschen haben erkannt: Das Ganze ist nur eine aufgedonnerte Show. Und die Partei muss ihre verstaubte Rolle immer weiterspielen." So ein Tweet von Hu Jia, dem bekannten Menschenrechtsaktivisten, der vor vier Jahren den Sacharow-Preis des Europäischen Parlaments bekam. "Als Steuerzahler habe ich das Recht zu fordern, den Parteitag aus der Parteikasse zu finanzieren und nicht mit unserem Steuergeld", twitterte er aus dem Hausarrest. Und weiter: "Als Bürger habe ich das Recht zu sagen, ihr sollt aufhören, die Justiz zu missbrauchen, um die Menschen unter dem Vorwand der Sicherheit während des Parteitags zum Schweigen zu bringen."
Enttäuschung über Rede von Hu
Auch die 90 Minuten lange Eröffnungsrede von Parteichef Hu Jintao wurde unter die Lupe genommen. Der dort angekündigte Kampf gegen Korruption beeindruckte aber wohl nur die wenigsten. Beobachter hatten schon vorher vermutet, dass der Bericht der Parteiführung keinen Durchbruch bringen würde. "Aber dass nicht mal geringste Veränderung vorgesehen ist, überrascht doch sehr. Während die Aktivisten im Netz sich enttäuscht fühlen, können die korrupten Beamten ruhig schlafen", schreibt die Journalistin und Autorin Gao Yu.
"Alle sagen das gleiche"
Als "Rechtfertigung für Nicht-Reform" wird die Rede im Netz bezeichnet. "Hu hat in seiner Rede mehrmals betont, dass die Reformen vorangetrieben werden müssen. Aber gleichzeitig beharrt er darauf, dass man keinesfalls vom Kurs abkommen dürfe. Wenn man Reformen anstrebt, kann es nicht so weitergehen", heißt es in einem anderen Tweet. Nach der Übertragung der Rede schrieb ein Nutzer in Sina Weibo: "Alle sagen das gleiche. Es macht eigentlich keinen Unterschied, ob man sich das anhört oder nicht."
Trotzdem setzen viele Chinesen ihre Hoffnung in die Partei und geben ihren Erwartungen in Internet-Foren Ausdruck. Bekämpfung der Korruption, gerechtere Verteilung des Einkommens, bessere soziale Leistungen bei Gesundheit, Rente und Bildung sowie niedrigere Wohnungspreise wünschen sich viele "Netzbürger".