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Politik

Kritiker verurteilen AfD-Meldeportal

Richard A. Fuchs
11. Oktober 2018

Geht es nach der AfD, dann sollen Schüler Lehrer melden, wenn diese sich politisch äußern. Es formiert sich Widerstand gegen den Internet-Pranger der Rechtspopulisten. Denn viele erinnert das an Mittel von Diktatoren.

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Screenshot AfD-Fraktion Hamburg | Neutrale Schulen
Bild: afd-fraktion-hamburg.de

Auf der Webseite der Fraktion der Alternative für Deutschland  (AfD) in Hamburg wird für ein "Informationsportal Neutrale Schulen Hamburg" geworben. Kein sonderlich aufrührerischer Titel für eine Webseite der AfD Landtagsfraktion, die das Klima an Deutschlands Schulen empfindlich stört. Auf dem Portal werden Nutzer seit September dazu aufgerufen, Lehrer zu melden, wenn diese sich im Klassenzimmer politisch äußern und so vermeintlich gegen das Neutralitätsgebot verstoßen. Nach Hamburg haben auch andere AfD-Landtagsfraktionen angekündigt, ähnliche Plattformen in Bayern, Berlin, Rheinland-Pfalz und Sachsen an den Start bringen zu wollen. Am Donnerstag schaltete der AfD-Landtagsabgeordnete Stefan Räpple den "Lehrer-Pranger" seiner Partei für das Bundesland Baden-Württemberg frei. Er begründete dies in einer Mitteilung damit, dass die AfD im Unterricht häufig dämonisiert werde. "Wo kommen wir denn dahin, wenn Lehrer den Schülern schlechte Noten geben, nur weil sie sich positiv über die AfD äußern?" Ab sofort könnten "betroffene Schüler und Studenten über politisch agierende Lehrer und Professoren beschweren", schrieb Räpple.

Justizministerin: "Ein Mittel von Diktaturen"

Deutschland Bundeskabinett Katarina Barley
Justizministerin Katarina Barley (SPD) verurteilt die AfD-Provokation Bild: picture-alliance/dpa/M. Kappeler

 Bislang schien es, als habe die AfD mit ihrem Internet-Pranger die anderen Parteien erneut medial vorgeführt. Doch jetzt mehren sich die Stimmen, die das Vorgehen der AfD scharf zurückweisen. Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) nannte das Einrichten solcher Meldeportale einen Akt "organisierter Denunziation". Das sei "ein Mittel von Diktaturen", kritisiert die SPD-Politikerin in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Wer so etwas als Partei einsetze, um missliebige Lehrer zu enttarnen und an den Pranger zu stellen, der gebe viel über sein eigenes Demokratieverständnis preis, ergänzte die Justizministerin.

Auch Lehrerverbände, Beamtenvertreter und die Kultusministerkonferenz (KMK) zeigten sich empört. Der aktuelle KMK-Vorsitzende nannte den Internet-Pranger für Lehrer ein "No-Go". Wenn die AfD hier fordere, dass Kinder zu Denunzianten werden, erinnere ihn dieses Vorgehen an die dunkelste Zeit der deutschen Geschichte von 1933 bis 1945, sagte der thüringische Bildungsminister im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. "Deswegen müssen wir klare Kante zeigen."

Schule | Plakatt mit dem Storch Heinar
Wie politisch darf, wie politisch muss die Schule sein: In Deutschland ist dazu eine Debatte entbranntBild: picture-alliance/dpa/B. Wüstneck

Lehrer kritisieren Portale als Einschüchterungsversuch

Nach Ansicht des Präsidenten des Deutschen Lehrerverbandes, Heinz-Peter Meidinger, wolle die AfD mit ihrem Meldeportal das "Anschwärzen ohne jegliche Überprüfung des Inhalts" salonfähig machen. "Und dann ist es natürlich auch der Versuch, sich selber in eine Opferrolle zu begeben, und zu behaupten, dass Deutschlands Lehrkräfte einseitig informieren", sagte der Lehrervertreter im Morgenmagazin von ARD und ZDF. "Diesen Einschüchterungsversuch weisen wir aufs Schärfste zurück." Der Funke Mediengruppe sagte Meidinger, dass ein Lehrer natürlich das Recht habe, seine politische Meinung in den Unterricht einzubringen. Er müsse diese Meinung nur für die Schüler eindeutig kennzeichnen.

Ein Verbot der Internet-Meldeportale ist nach Ansicht des KMK-Vorsitzenden Holter rechtlich schwer durchsetzbar. Einige Landesregierungen hätten aber angekündigt, juristische Schritte gegen die AfD einleiten zu wollen. Betroffenen Lehrern empfahl Holter, sich an das zuständige Ministerium zu wenden, um klären zu lassen, ob Persönlichkeitsrechte verletzt worden seien. "Dann muss man dagegen anwaltlich vorgehen."

Demokratie-Unterricht soll gestärkt werden

Zudem kündigten die Bildungsminister der Länder an, den Politik- und Demokratie-Unterricht in Deutschland deutlich zu verstärken. In einem 13-seitigen Papier erklären die für Schulbildung zuständigen Minister, dass Themen wie Rassismus, Antisemitismus, Islamfeindlichkeit, Sexismus und Homophobie stärker im Unterricht debattiert werden sollten. In dem Dokument, das der Funke Mediengruppe vorliegt, schreiben die Kultusminister: "Was in Wissenschaft und Politik kontrovers ist, muss auch im Unterricht kontrovers erscheinen."

Marlis Tepe, die Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), begrüßt die Vorschläge der KMK und kündigte an, dass die Lehrerschaft sich aktiv an diesem Kurswandel beteiligen werde. "Nach dem Pisa-Schock sind die Mint-Fächer, Mathe und Deutsch, gestärkt worden. Jetzt gilt es, die politische Bildung wieder nach vorne zu rücken."

In den sozialen Medien erntete die AfD viel Gegenwind für das Meldeportal. Einzelne User und die Partei der Freien Demokraten riefen dazu auf, das Portal mit satirischen Nachrichten zu überfluten, um es so zu blockieren. Anhänger des Meldeportals reklamieren für sich das Recht auf freie Meinungsäußerung.

Ein schulisches Vakuum zugunsten der Rechtspopulisten

Wer mit einigen Lehrkräften persönlich spricht, der hört auch noch eine weitere Perspektive. Eine Berliner Lehrerin, die bei der Landeszentrale für politische Bildung in Berlin ein Seminar gegen "Rechte Hetze" besuchte, sieht die Bildungslandschaft derzeit schlecht aufgestellt, um sich gegen anhaltende Provokationen von der AfD zur Wehr zu setzen.

Die Lehrerin will anonym bleiben. Aus ihrem Schulumfeld berichtete die Pädagogin, dass AfD-Parteimitglieder bei Veranstaltungen omnipräsent seien, während andere Parteien sich kaum blicken ließen. Zudem sei ihr wiederholt aufgefallen, dass die AfD unweit von ihrer Schule mit Informationsständen präsent sei. "Die anderen Parteien sieht man hier nur, wenn Wahlen anstehen", kritisiert die Lehrerin. So entstehe langsam aber sicher ein politisches Vakuum, das extreme politische Positionen befördere.