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Kritische Rohstoffe aus Finnland und Schweden

Sergio Matalucci
23. Juni 2022

Die Nachfrage nach wichtigen Metallen boomt. Wegen geopolitischer Realitäten und Lieferkettenengpässe suchen EU-Länder nach neuen Quellen für kritische Rohstoffe.

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Schweden Abraumhalden des Eisenerzbergwerks in Kiruna
Schweden Abraumhalden des Eisenerzbergwerks in KirunaBild: picture-alliance/WILDLIFE

Die Europäische Union möchte sich aus der Abhängigkeit von russischen fossilen Brennstoffen wie Gas, Öl oder Kohle lösen. Außerdem will sie den Ausstoß von CO2 reduzieren. Dabei spielen bestimmte Metalle und kritische Rohstoffe eine zentrale Rolle, denn für die meisten nachhaltigen Energietechnologien werden Mineralien, insbesondere Lithium, gebraucht. Diese Rohstoffe kommen aber meist aus Asien, vor allem China, Ozeanien und Südamerika.

Allerdings gibt es auch in europäischen Ländern Rohstoffvorkommen. So haben Finnland und Schweden eine lange Bergbautradition und könnten kritische Rohstoffe in die EU liefern. "Wir sind die wichtigsten Bergbauländer in der EU", erklärt Maria Suner, Geschäftsführerin des schwedischen Verbands der Bergbau-, Mineral- und Metallproduzenten (Svemin) gegenüber DW. "Schweden allein produziert über 90 Prozent des gesamten in der EU geförderten Eisenerzes." Allerdings werde damit nur etwas mehr als ein Viertel von dem Eisenerz abgedeckt, das in der EU nachgefragt werde. Die EU müsse also immer noch 70 Prozent ihres Eisenerzes importieren, fügte sie hinzu.

Norwegen | Firma Norge Mining | Start Bohrungen
Suche nach kritischen Rohstoffen, hier in NorwegenBild: Norge Mining

In Finnland und Schweden gibt es ein mineralreiches Grundgestein. Laut Suner hat das feste Gestein unter der skandinavischen Halbinsel und der Kola-Halbinsel das Potenzial, alles zu liefern, was auf der EU-Liste der kritischen Rohstoffe (CRM) steht. Eine solche Liste hatte die Europäische Kommission im Jahr 2011 erstellt. Entscheidend für die Einordnung auf der Liste sind sowohl die wirtschaftliche Bedeutung des jeweiligen Rohstoffs in der EU als auch das Versorgungsrisiko. Die Liste wird immer länger.

Ukraine-Krieg hat europäischen Bergbau Schub gegeben

Der Einmarsch Russlands in der Ukraine ist der Hauptgrund dafür, dass Finnland und Schweden die Mitgliedschaft in der NATO beantragen und es ist aber auch ein Grund, dass der dortige Bergbau mittelfristig einen Schub bekommt. So sagt der CEO von Svemin, zwar hätten Pandemie und die damit einhergehenden Unterbrechungen der Lieferketten den heimischen Bergbau wieder stärker in den Fokus gerückt hätten. Einen noch größeren Impuls habe der eigene Bergbau aber nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine bekommen. Der habe die Nachfrage weiter erhöht und auch die Rohstoffpreise auf einen neuen Höchststand getrieben.

Auch China ist ein wichtiger und nicht unbedingt sicherer Lieferant von wichtigen Rohstoffen. Die Volksrepublik ist der größte Produzent von Graphit. Außerdem raffiniert China 87 Prozent der Seltenen Erden, 65 Prozent des Kobalts, 58 Prozent des Lithiums und 35 Prozent des Nickels, heißt es von der Internationalen Energieagentur. Russland ist das zweitwichtigste Land der Welt für die Nickelgewinnung und das drittwichtigste für die Kobaltgewinnung.

Seltene Erden werden im Hafen von Lianyungang in China verladen
Begehrte Seltene Erden kommen meist aus ChinaBild: Wang chun lyg/Imaginechina/picture alliance

Pekka Suomela, Geschäftsführer des finnischen Bergbauverbands (FinnMin), sieht den Ukraine-Krieg dagegen nicht als Auslöser für eine größere Förderung des europäischen Bergbaus. „Die Frage ist eher, ob Europa erkannt hat, dass es an Metallen mangelt", sagt er gegenüber DW.

Umweltschutz contra Bergbau

Die Verteilung und Nutzung von Land ist in den nordischen Regionen ein großes Thema. Vor allem die Forstwirtschaft konkurriert um Flächen. Auch wenn Finnland, Norwegen und Schweden die am dünnsten besiedelten Länder in Europa sind, was theoretisch ein Vorteil für den Bergbau sein könnte, sind Gebiete geschützt.

So wird eine Ausweitung des Bergbaus von vielen Umweltschützer abgelehnt, weil sie durch ihn die biologische Vielfalt bedroht sehen. Als die schwedische Regierung im März die Ausbeutung des größten unerschlossenen Eisenerzvorkommens genehmigte, beklagten die schwedische Klimaschutzaktivistin Greta Thunberg und die Bewegung Fridays for Future, Schweden führe einen "Krieg gegen die Natur".

"Fast die Hälfte des schwedischen Territoriums ist Rentierzuchtgebiet für die Sami, das einzige indigene Volk in Europa", sagt Suner vom schwedischen Verband der Bergbau-, Mineral- und Metallproduzenten. "Aber es wird nur ein begrenztes Gebiet für den Bergbau benötigt und wir wissen, wie wir die Auswirkungen minimieren können."

Hürden für den Bergbau

Die Sorge um die mittelfristigen Umweltauswirkungen kollidiert oft mit dem langfristigen Ziel eines klimafreundlichen Strukturwandels. So können in der EU von der Explorationsphase bis zum Beginn des kommerziellen Bergbaus an die 25 Jahre vergehen. Svemin hat daher 27 Reformen vorgeschlagen, darunter die Verkürzung der Genehmigungsverfahren. Für die Bergbaugesetzgebung sind die EU-Mitgliedsstaaten selbst zuständig. Dagegen befasst sich Brüssel mit Aspekten, die mit Gesundheit, Wasser und Landnutzung zusammenhängen.

Die aktuelle geopolitische Lage könnte die gesellschaftliche Akzeptanz für den Bergbau erhöhen. Suomela meint jedoch, die Europäische Union dürfe nicht zu viel Druck auf einzelne Länder ausüben, um die öffentliche Meinung auf ihrer Seite zu behalten.

Schwierig ist auch, dass die Energiepreise in Nordschweden und Finnland weit unter denen in Mitteleuropa liegen. Wenn der Bergbau ausgebaut werden soll, braucht es aber damit einhergehende Investitionen in Energieanlagen und die lohnen sich bei höheren Energiepreisen mehr.

Erneuerbare Energien Nordeuropa DE

"Der Mineralien- und Bergbausektor plant eine Verzehnfachung des Stromverbrauchs bis 2050", so Suner. "Darüber hinaus haben wir weitere Projekte für die Batterieproduktion und die fossilfreie Stahlerzeugung. Solche Projekte sind durch die heutige Stromerzeugung in Schweden nicht abgedeckt."

Estland sucht neue Quellen für Seltenen Erden

In Estland, einem weiteren Land mit einer Grenze zu Russland, befindet sich die einzige kommerzielle Verarbeitungsanlage für Seltene Erden in Europa. Die Anlage gehört dem in Toronto ansässigen Technologieunternehmen für Seltene Erden, Neo Performance Materials. Das Unternehmen bemüht sich seit 2020 die Versorgung seiner Verarbeitungsanlage in Sillamae in der Nähe des Finnischen Meerbusens mit Seltenen Erden zu diversifizieren.

Angestoßen vom Ukraine-Krieg nehmen Raffinerieunternehmen ihre globalen Lieferketten genauer unter die Lupe, erklärt Konstantin Karayannopoulos, Präsident und CEO von Neo. "Neo ist da keine Ausnahme", sagt er, aber er weist auch darauf hin, dass sein Lieferant auf der russischen Halbinsel Kola seit über 40 Jahren ein zuverlässiger Lieferant sei. "Geopolitische Erwägungen sind immer ein Faktor, aber unser Hauptantrieb bleibt die Kundennachfrage", so Karayannopoulos.

Im Moment sieht es so aus, als würde die Nachfrage steigen. Nach Angaben der European Association of Metals (Eurometaux) könnte die Verwendung von Lithium in sauberen Technologien bis zum Jahr 2050 um unglaubliche 2100 Prozent steigen. Die Nachfrage nach Dysprosium, Tellur und Scandium wird sich in den nächsten 30 Jahren voraussichtlich mehr als verdoppeln.

Dieser Artikel wurde aus dem Englischen übersetzt.