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SportGlobal

Kroatien besiegt Marokko und ist WM-Dritter

Tobias Oelmaier
17. Dezember 2022

Kroatien holt sich durch einen knappen Sieg gegen Marokko den dritten Platz bei der WM in Katar. Was früher gern als "sportlich bedeutungslos" abgetan wurde, entwickelte sich zu einem Plädoyer für das "kleine Finale".

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Jubel der kroatischen Spieler nach einem Tor gegen Marokko
Zum zweiten Mal nach 1998 wird die Mannschaft aus Kroatien WM-DritterBild: JACK GUEZ/AFP

Schön war's nicht, was Marokko und Kroatien da in ihrem ersten Aufeinandertreffen bei der Fußball-WM in Katar in Gruppe F vor knapp vier Wochen auf den Platz brachten: kampfbetont, ja - taktisch kontrolliert, auch - aber attraktiv? Sicher nicht. Am Ende stand beim ersten Vorrundenspiel der beiden Teams ein 0:0, das Marokko damals nach allgemeiner Lesart als Erfolg für sich verbuchen durfte. Wer konnte in dieser Frühphase der WM in Katar schon ahnen, dass die beiden Mannschaften nicht nur die Gruppe überstehen, sondern auch unter den besten Vier landen würden?

Vize-Weltmeister gegen Überraschungsmannschaft

Bei Kroatien schien das nicht ganz abwegig, war man doch schon vor vier Jahren sogar bis ins Finale gekommen, um dort gegen die Franzosen den Kürzeren zu ziehen. Auch wenn Weltstar Luka Modric, der Dreh- und Angelpunkt, in die Jahre gekommen ist. Aber bei Marokko? Das Aus nach der Vorrunde galt als ausgemachte Sache, das Erreichen des Achtelfinales als glücklich, als Zufall, weil Gruppenfavorit Belgien ungeahnte Schwächen zeigte.

Aber Marokko machte seinen Weg. Spanien ausgeschaltet, Portugal ausschaltet, Frankreich lange Zeit die Stirn geboten. Mit Kampfgeist, Disziplin, dem Publikum im Rücken und Spielern, die über sich hinauswuchsen. Selbst das Aus im Halbfinale konnte die Nordafrikaner, die Hoffnungsträger der gesamten arabischen Welt, nicht brechen. Und Kroatien? Der Vize-Weltmeister hatte sich über eine Serie von Elfmeterschießen gegen Japan und Mitfavorit Brasilien ins Halbfinale gearbeitet und schien ebenfalls willens, mit einer Medaille nach Hause zu fahren. Co-Trainer Ivica Olic ordnete das nach der Partie gegen Marokko so ein: "Nach dem Aus gegen Argentinien waren die zwei Tage nicht so einfach, die Jungs wollten unbedingt das Finale spielen."

Kroatiens Spieler bejubeln das erste Tor
Die Freistoßvariante funktioniert: Am Ende köpft Josko Gvardiol (r.) den Ball ins TorBild: Kyodo/IMAGO

So geriet das oft gescholtene "Spiel um die goldene Ananas" zu einem weiteren Fußballfest am Persischen Golf. Den ersten Aufreger gab es schon nach zwei Minuten, als Marokkos sonst so starker Torwart Bono fast ein kurioses Eigentor fabriziert hätte: Beim Versuch, den Ball parallel zur Torlinie zu seinem Mitspieler zu passen, blieb er im Rasen hängen und der Ball strich nur um Zentimeter am Pfosten vorbei.

Auch die ersten Tore fielen früh: Nach einer brillanten Freistoßvariante legte der ehemalige Bundesligaprofi Ivan Perisic per Kopf zurück auf den Elfmeterpunkt, von wo aus Josko Gvardiol von RB Leipzig per Flugkopfball einnetzte (7.). Wer jetzt dachte, Marokko ließe sich beeindrucken, musste sich nur 148 Sekunden später eines Besseren belehren lassen, als Achraf Dari etwas überraschend mit der ersten Tor-Aktion seines Teams zum Ausgleich traf (9.).

La Ola und Offensivgeist

Und auch in der Folge wogte die Partie hin und her, so wie La Ola durchs stimmungsgeladene Stadion schwappte. Doch nur Kroatien gelang in der ersten Halbzeit ein weiterer Treffer: Mislav Orsic, freigespielt am linken Strafraumeck, schlenzte den Ball über den verdutzten Bono hinweg an den Innenpfosten und von dort ins Netz (42.).

Nach dem Seitenwechsel merkte man beiden Teams die Vorbelastungen aus sechs Turnierspielen durchaus an, der Leidenschaft tat das aber keinen Abbruch. Auch wenn die Verletzungspausen häufiger und länger wurden, Torchancen boten sich sowohl den Marokkanern als auch den Kroaten. Und wären der katarische Schiedsrichter Abdulrahman Al Jassim und seine Kollegen am Video-Platz aufmerksamer gewesen, hätten sie wohl auf Strafstoß zugunsten der Kroaten nach einem Foul an Gvardiol erkennen müssen. So oder so war deutlich zu spüren: Beide wollten unbedingt diesen dritten Platz.

Marokkos Torhüter streckt sich vergeblich nach dem Ball, der sich hinter ihm ins Tor senkt
Der Ball von Mislav Orsic wird lang und länger, Marokkos Torhüter Bono kommt nicht mehr dranBild: Martin Meissner/AP/picture alliance

Dass der Sieg schließlich knapp an Kroatien ging, ist zumindest keine Überraschung. Die Spielanlage etwas reifer, die Abwehr abgeklärter, die Chancenauswertung zumindest in dieser Partie effektiver. Und sie wirkten auch etwas fitter: "Wir haben verdient gewonnen, auch weil wir einen Tag mehr Pause hatten", sagte Ivica Olic. "Wir wollten auch dieses Spiel gewinnen, um Platz drei zu erreichen. Aber das ist nicht einfach", sagte Marokkos Torhüter Bono und räumte ein: "Nach dem Spiel gegen Frankreich waren wir mental und körperlich platt." Trotzdem wäre beinahe in der sechsten Minute der Nachspielzeit noch der Ausgleich gefallen, aber Youssef En-Nesyris Kopfball strich um Haaresbreite über die Latte. Jubeln durften die Kroaten, und das taten sie auch, fast, als hätten sie eben den Titel geholt. "Ein geiles Gefühl", so Olic.

Frust und Enttäuschung bei Marokko

Kroatien ist zum zweiten Mal nach 1998 - als die "goldene Generation" um Davor Suker, Zvonimir Boban und Robert Prosinecki auf dem Platz stand - Dritter der WM. Und auch Marokko darf stolz auf das Erreichte sein: Als erstes afrikanisches Land hat man das Halbfinale einer WM erreicht, als erstes arabisches und afrikanisches ebenfalls - und das als absoluter Außenseiter. "Wenn du gewinnen willst, und es klappt dann nicht, dann bist du natürlich enttäuscht, aber das Team hat einen guten Job gemacht", sagte Torwart Bono. "Platz vier ist unglaublich für uns, für Afrika. Darauf können wir stolz sein."

Marokkos Spieler diskutieren mit Schiedsrichter Abdulrahman Al Jassim
Schiedsrichter Abdulrahman Al Jassim aus Katar muss sich von Marokkos Spielern nach dem Abpfiff einiges anhören Bild: Frank Augstein/AP/dpa/picture alliance

Aber trotz des Erfolgs waren nach dem Abpfiff erst einmal alle aufgebracht und wütend: Marokkos Spieler bedrängten nach dem Schlusspfiff den katarischen Schiedsrichter Abdulrahman Al Jassim. Viele Fans richteten ihre Wut gegen FIFA-Präsident Gianni Infantino, weilmit Al Jassim ein international unerfahrener Referee aus dem WM-Gastgeberland dieses für sie so wichtige Spiel leiten durfte. Der Einzige, der die Ruhe bewahrte, war Marokkos Trainer Walid Regragui. "Wenn wir ein Spiel verlieren, sind wir immer enttäuscht. Wenn man manchmal etwas überreagiert nach einem Spiel, dann kann das passieren", sagte er. "Meine Spieler sind sehr ehrgeizig, es war kein fehlender Respekt." Allerdings gab er zu: Den Schiedsrichter nach dem Spiel so zu bedrängen, das sei "nicht der marokkanische Weg".

Dennoch zeigt die Enttäuschung der Marokkaner - genau wie der Jubel der Kroaten - dass dieses Spiel um Platz drei auf keinen Fall ein Spiel ohne Bedeutung war.