Kroatien: Die Kuna geht, der Euro kommt
25. August 2022Es ist ein warmer Vormittag in Zagreb, die Einwohner der kroatischen Hauptstadt drängen sich in den Straßen. Viele kaufen noch schnell ein, bevor es am Mittag drückend heiß wird. In einem Café in der Innenstadt sitzen die drei Studenten Jagor Sunde, Fran Zekan und David Cemeljic und schauen dem Trubel zu.
Gerade bezahlen an einem Nachbartisch zwei Männer und legen der Bedienung das Geld auf den Tisch. Seit einiger Zeit haben die drei befreundeten Studenten einen besonderen Blick, wenn sie kroatische Geldmünzen sehen. Denn die Landeswährung Kuna wird in wenigen Monaten ausgedient haben - im kommenden Jahr führt Kroatien den Euro ein. Und Jagor, Fran und David haben auf ihre Weise zum Währungswechsel beigetragen: Auf den kroatischen Euro-Münzen prangt das Design, mit dem die drei Freunde den Wettbewerb der Kroatischen Nationalbank (HNB) gewonnen haben.
Gegenwind für die Einheitswährung
Am 1. Januar 2023 ist es so weit: Kroatien wird offiziell den Euro als Währung annehmen und als 20. Mitglied der Eurozone beitreten. Dafür hat die EU Mitte Juli 2022 endgültig grünes Licht gegeben. Doch in Kroatien selbst ist es ein kontrovers diskutierter Schritt, denn die Bevölkerung ist gespalten.
Viele Menschen sind verunsichert, haben Angst vor negativen Effekten wie steigenden Preisen. Die politische Opposition hält den Zeitpunkt der Einführung für einen falschen, man solle auf bessere Begleitumstände warten, in denen die EU nicht von Krise zu Krise schlittere. Laut Eurobarometer waren in diesem Jahr nur noch rund 55 Prozent der Menschen im Land für die Einführung des Euros - deutlich weniger als in den Jahren zuvor.
Geht es nach Sunde, Zekan und Cemeljic, ist die Euro-Einführung trotz des Gegenwindes ein richtiger Schritt. Alle drei wollen für die Zukunft, dass Kroatien vollends in die EU integriert wird, eben auch bei der Währung.
Verwirklichung einer Vision
Sunde erklärt, was die EU für ihn bedeutet: "Die Europäische Union soll ein Tempel sein, der uns ermöglicht, unsere Geschichte, die unterschiedlichen kulturellen Werte der Nationen und gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit unserer Volkswirtschaften auf regionaler und internationaler Ebene zu bewahren. Das ist die Vision, von der wir träumen. Die ersten Schritte zu ihrer Verwirklichung sind dabei nun mal die Währungsintegration und der Eintritt in den Schengen-Raum."
Der 22-Jährige ein aufgeweckter junger Mann, hat sich eingelesen in die kroatische Wirtschaft und die europäische Geldpolitik, er studiert Architektur und Urbanistik an der Universität von Zagreb. Er hatte im Frühjahr davon gehört, dass die Nationalbank HNB einen neuen Wettbewerb zur Gestaltung der kroatischen Euromünzen ausschrieb, nachdem es beim ersten Gewinnerdesign Urheberrechtsverletzungen gegeben hatte. Nach einigem Zögern entschloss sich Sunde zum Mitmachen - und holte zwei Schulfreunde ins Boot: Zekan und Cemeljic, beide 21 Jahre alt.
"Wir sind stolz"
Tagelang werkelten sie an einem Entwurf, digitalisierten, optimierten, machten so lange Probedrucke mit einem 3D-Drucker, bis ihnen das Ergebnis perfekt erschien: Ihre Euro-Münze ziert ein minimalistisch anmutender Baummarder - auf Kroatisch Kuna - vor dem klassischen Nationalsymbol der Kroaten, dem karierten Schachbrettmuster. Dass die Kuna in dieser Form auf dem Euro erhalten bleibt, dürfte vielen Kroatinnen und Kroaten gefallen. Der Name hat eine lange Tradition - schon im Mittelalter wurden die Felle des Tieres genutzt, um Waren zu bezahlen und zu handeln.
Zu ihrer eigenen Überraschung gewannen die drei Studenten die Ausschreibung tatsächlich. Sie waren hocherfreut: "Zu wissen, dass wir mit unserer Arbeit etwas zur Zukunft unseres Landes und der Gesellschaft beigetragen haben, das macht uns schon stolz", sagt der 21-jährige Fran Zekan.
Furcht vor steigenden Preisen
Für die kroatischen Bürger ist der Euro eigentlich nichts Unbekanntes. Im Land sind schon seit Jahren viele Ersparnisse der Bevölkerung in Euro angelegt. Auch große Anschaffungen werden in der europäischen Währung abgewickelt. Dennoch haben laut Eurobarometer vom Juni 2022 81 Prozent der Bevölkerung die Sorge, dass die Lebenshaltungskosten steigen, sobald sich das Preisniveau an die Euro-Zone passt. Zugleich verunsichert viele Menschen auch, dass die kroatische Geldpolitik ihre Eigenständigkeit durch den Euro zu großen Stücken verliert.
Ognian Zlatev, der Vertreter der Europäischen Kommission in Kroatien, hält dagegen. Hinter ihm, in einem klimatisierten Raum der EU-Kommission in Zagreb, sollen die Flaggen Kroatiens und der EU Einheit und Zusammenhalt demonstrieren. Was er von den Ängsten der Bevölkerung bezüglich des Währungswechsels hält? Zlatev bedient sich des Beispiels der Slowakei. Bei deren Beitritt zur Eurozone seien die Preise zwar tatsächlich gestiegen, allerdings nur um bis zu zwei Prozent. "Das war ein Effekt, der sehr schnell wieder verschwand", sagt Zlatev. Mit einer PR-Kampagne, an der auch die EU mitarbeitet, will die Nationalbank deshalb nun "die oftmals noch kritische, ältere Generation aufklären", so Zlatev.
Kein Automatismus für Verbesserungen
Aufzuhalten ist der Prozess der Euro-Einführung ohnehin nicht mehr. Kroatien hat sich entschieden, mag die Bevölkerung noch so zerrissen sein. Die EU und die Kroatische Nationalbank HNB sehen Kroatien jedenfalls gut gerüstet für die Umstellung. Preisauszeichnungen in beiden Währungen sollen bis 2024 dafür sorgen, dass der Währungswechsel von Händlern nicht ausgenutzt wird.
Sunde, Zekan und Cemeljic wissen, dass die Euro-Einführung Vor- und Nachteile bringt. Weder würden sich ökonomische Probleme in Luft auflösen, noch ein wirtschaftlicher Aufschwung einfach so nebenbei stattfinden, sagt Sunde. "Länder können nicht einfach durch eine andere Währung eine bessere Zukunft erwarten. Dafür müssen sie klare wirtschaftspolitische Schritte zum Wohle der Bürger unternehmen", sagt er.
EU unter Druck - wie geht es weiter?
Mittlerweile ist die Hitze drückend geworden, das Café hat sich geleert, nur das Summen der Ventilatoren ist noch zu hören. Frage an die drei Studenten: Wie kann Europa die extremen Herausforderungen in der Finanz-und Währungspolitik meistern? Schließlich steigen die Preise in der Eurozone gerade im Rekordtempo. Im Juli 2022 lagen sie für Verbraucher im Vergleich zum Vorjahresmonat um 8,9 Prozent höher, wie das Statistikamt Eurostat Ende Juli bekannt gab.
Jagor Sunde antwortet: "Wir erleben gerade, dass eine Gemeinschaft, die ausschließlich auf wirtschaftlichen Interessen gegründet worden ist, möglicherweise nicht für immer in der jetzigen Form überleben kann. Es ist heute wichtiger denn je, dass Brücken zwischen Ländern, Kulturen und Menschen gebaut werden, die uns verbinden und stärken." Zekan und Cemeljic nicken zustimmend, während sie schon mal in ihren Taschen kramen, um zu einer der letzten Gelegenheiten ihre Kuna für die Getränke auf den Tisch zu legen.