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PolitikKroatien

Kroatien: Ein Präsident auf Konfrontationskurs

26. März 2024

Zoran Milanovic wäre lieber Premierminister als wie bisher Präsident von Kroatien. Das Verfassungsgericht hat das bereits abgelehnt. Doch Milanovic hält an seinem Plan fest - und teilt rhetorisch nun voll aus.

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Kroatiens Präsident Zoran Milanovic während einer Rede mit erhobener rechter Hand. Im Hintergrund die kroatische Flagge.
Ein Präsident, der Premier werden will: Zoran Milanovic polarisiert mit derben SprüchenBild: MARTIAL TREZZINI/Keystone/picture alliance

Das Kalkül des kroatischen Präsidenten Zoran Milanovic ist aufgegangen. In Kroatien wird gerade nur über dieses Thema diskutiert. Erst legte Milanovic den Termin für die anstehenden Parlamentswahlen in Kroatien ungewöhnlicherweise auf einen Mittwoch (17.04.2024). Dann verkündete er kurzerhand seine eigene Kandidatur für den Posten des Premiers für die Sozialdemokratische Partei (SDP) - ohne vorher von seinem Amt als Präsident zurückzutreten.

Das Verfassungsgericht untersagte Milanovic zwar kurz danach die Kandidatur - doch auch davon ließ der Präsident sich nicht abhalten. Seine Partei, die SDP, will ihn nun zwar nicht offiziell als Kandidaten stellen - erklärte aber auch, wenn die Partei gewinne, werde Milanovic zum Premier gewählt. Doch nicht nur die Ankündigung der Kandidatur sorgt für Aufregung - es ist vor allem Milanovics ungezügelte Rhetorik, welche seitdem die Gemüter erhitzt. Denn der Präsident teilt kräftig aus.

"Lästige Stallfliegen" und "Parasiten"

Als die Verfassungsrichter verkündeten, dass Milanovic kein Kandidat sein dürfe, wenn er nicht vorher als Präsident zurücktrete, bezeichnete er sie als "analphabetische Bauern" und "lästige Stallfliegen", sprach gar von einer "Gangstergruppe".

Menschen mit Fahnen und Transparenten demonstrieren in den Straßen von Zagreb gegen die kroatische Regierung am 17.02.2024.
Protest gegen die Regierung: Am 17.02.2024 gehen Bürger auf die Straßen von Zagreb Bild: ANTONIO BRONIC/REUTERS

Zu ähnlich harten Bandagen greift Milanovic, wenn er über die Regierung von Noch-Premier Andrej Plenkovic und seiner nationalkonservativen Partei HDZ spricht. Vor der versammelten Presse nannte er sie "leere Gestalten ohne Glauben und Weltanschauung", die nur "machthungrig und geldgierig" seien. Überhaupt sei das Land beherrscht von "Räubern", die eine "Mentalität von Viehdieben" hätten. Sie seien alle "Blutegel und Parasiten auf dem gesunden Gewebe der kroatischen Nation". Er versprach "Flüsse der Gerechtigkeit", die durch Kroatien rauschen würden, sobald er zum Premier gewählt werde.

Ein kalkulierter PR-Auftritt

"Diese heftige Rhetorik ist kalkuliert. Es handelt sich um eine Marketingstrategie, um einen wohlüberlegten PR-Auftritt", sagt der politische Analyst und Schriftsteller Jurica Pavicic der DW. Er glaubt, dass Milanovic sich bereits mitten im Wahlkampf befinde - und mit seiner provokanten Sprache vor allem auf die kroatische Mittelschicht abziele. "Diese Menschen empören sich darüber, dass Kroatien durchsetzt wird von Nepotismus und Korruption, und völlig erstickt wird von der Dominanz der Regierungspartei, die über alles bestimmt - vom Opernintendanten bis zum Chef der Feuerwehr in der Provinz", so Pavicic.

 Portrait des kroatischen Journalisten und Schriftstellers Jurica Pavicic.
"Milanovics Rhetorik ist kalkuliert": der kroatische Analyst Jurica PavicicBild: privat

Milanovic habe die Stimmung im Lande erkannt und daher seine Rhetorik angepasst, glaubt Experte Pavicic. "Er stilisiert sich als jemand, der mit der Kavallerie kommt, der über diesen zutiefst kompromittierten und korrupten Staat hinwegfegen wird. Er will die ohnehin schon beträchtliche Wut eines erheblichen Teils der kroatischen bürgerlichen, städtischen, liberalen Mittelschicht anheizen und aufrechterhalten", so Pavicic.

Die Mittelschicht werde ihre Stimme demjenigen geben, der die besten Chancen habe, gegen die derzeitige Regierungspartei HDZ zu gewinnen, glaubt Pavicic - und das scheine nun die linke Koalition um die Sozialdemokratische Partei zu sein, mit Milanovic als wichtigstem Zugpferd.

Der Präsident als Opposition in Personalunion

In den bisherigen vier Jahren seiner fünfjährigen Amtszeit profilierte sich Milanovic als die eigentliche Opposition zu Premier Plenkovic und seiner HDZ - nicht zuletzt auch, weil die eigentlichen Oppositionsparteien untereinander zerstritten waren und sich für die Regierung größtenteils als harmlose politische Gegner entpuppten.

Milanovic hatte jedoch dank des halbpräsidialen Systems in Kroatien besonders viel Einfluss. In dem gibt es zwei starke Akteure. Auf der einen Seite sind da der Premier und seine Regierung. Sie werden, wie auch in anderen Ländern üblich, von der stärksten Partei einer Regierungskoalition im Parlament gewählt.

Andrej Plenkovic (links) schüttelt die Hand von Olaf Scholz vor der kroatischen Flagge.
Händeschütteln unter Europafreunden: Kroatiens Premier Andrej Plenkovic und Bundeskanzler Olaf Scholz Bild: Britta Pedersen/dpa/picture alliance

Auf der anderen Seite steht ein unabhängiger, ebenfalls direkt vom Volk gewählter Präsident. Er hat nicht nur Repräsentationsaufgaben, sondern zentrale Mitgestaltungsrechte in Fragen der Sicherheits- und Außenpolitik.

Solange der Premier und der Präsident aus der gleichen Partei stammen, gibt es in der Regel wenig Probleme. Wenn sie aber aus verschiedenen politischen Lagern kommen, wie es zurzeit noch der Fall ist, kann es ungemütlich werden - wie jetzt, denn Milanovic interpretierte die Machtteilung äußerst konfrontativ.

Eine "echte Alternative"?

Innenpolitisch unterließ Milanovic keine Gelegenheit, die Regierung wegen ihrer angeblichen Korruptheit und ihrem ungezügelten Klientelismus anzugreifen.

Gerne nutzte er aber auch die Bühne der Außenpolitik: Im Unterschied zu dem als Europas Musterschüler geltenden Premier Plenkovic betont Milanovic in der EU-Politik gerne die Nationalinteressen Kroatiens. In der Frage des russischen Kriegs gegen die Ukraine zeigt er großes Verständnis für die Sichtweise Moskaus und setzt sich für eine zurückhaltende Position Kroatiens ein. Und in Bezug auf das Nachbarland Bosnien und Herzegowina tritt er vor allem als Beschützer der Exklusivrechte der dort lebenden Kroaten ein und schert sich wenig um die Stabilität und Funktionalität des Landes.

Mit dieser Strategie ist er sehr erfolgreich. Seit Jahren ist der frühere Chef der Sozialdemokraten in Umfragen kontinuierlich der populärste Politiker Kroatiens. Nach der Verkündung seiner Kandidatur hat die SDP laut Umfragen sieben Prozentpunkte dazugewonnen. Die sicher geglaubte Wiederwahl Plenkovics ist plötzlich fraglich. "Nun hat Kroatien eine echte Alternative", sagt Analyst Pavicic.

Ein kroatischer Fico?

Dabei weiß niemand, was Milanovic nach der Wahl machen wird, falls er tatsächlich gewinnt, warnt Analyst Pavicic. Im laufenden Wahlkampf tritt Milanovic ohne erkennbares Programm an - er allein ist das Programm. "Es ist ein links-rechtes populistisches Konzept. Es hat einige Elemente seiner früheren linken Position, etwa in Bezug auf Antifaschismus und den Zweiten Weltkrieg. Aber einige Positionen sind rechtspopulistisch, etwa in Bezug auf die Ukraine und Russland oder auf das Erbe der Jugoslawienkriege, einschließlich der damaligen Kriegsverbrechen", erklärt Pavicic.

Und das sei ein Problem. "Es ist sehr wahrscheinlich, dass Wähler, die normalerweise für die Linke stimmen, und ein Teil der rechten Wähler für ihn stimmen werden. Man weiß aber nicht, wohin seine Regierung gehen wird. Wir wissen nicht, ob er womöglich eine kroatische Version von Robert Fico werden könnte", befürchtet Pavicic.

Fico, der slowakische Ministerpräsident, bereitet Brüssel zusammen mit dem ungarischen Premier Viktor Orban gerade die größten Kopfschmerzen. Beide gelten als populistisch, scheren sich wenig um Pressefreiheit und Rechtsstaatlichkeit und gelten als ausgesprochene Putin-Versteher unter den EU-Regierungschefs. Wettert Milanovic weiterhin so öffentlichkeitswirksam, scheint es nicht unwahrscheinlich, dass die beiden Populisten bald auf Verstärkung aus Kroatien hoffen können.