Kroatien: Erneute Anklage wegen Kriegsverbrechen gegen Ex-General
19. April 2007Der Klebeband-Fall
Im so genannten Klebeband-Fall geht es um die Ermordung von zehn serbischen Zivilisten am Fluss Drau im Jahr 1991 sowie versuchten Mordes. Der Fall wird so genannt, weil die Opfer brutal gefesselt worden waren, und liegt 16 Jahre zurück: Damals, als die Stadt Osijek gegen die Jugoslawische Volksarmee und die ihr angeschlossenen paramilitärischen Einheiten der aufgewiegelten lokalen serbischen Bevölkerung verteidigt wurde, waren auf Anordnung von Branimir Glavas Einheiten für besondere Aufgaben aufgebaut worden. Den Angeklagten Ivica Krnjak und Gordana Getos-Magdic wird vorgeworfen, diese Sondereinheiten auf Glavas' Befehl hin gebildet zu haben, Glavas selbst kontrollierte die Einheiten.
Wie die Staatsanwaltschaft in ihrer Pressemitteilung darlegt, hatte Glavas damals befohlen, Zivilisten serbischer und anderer nicht-kroatischer ethnischer Herkunft ihrer Freiheit zu berauben, sie zu misshandeln und zu töten. Das verstößt gegen internationales Kriegs- und Menschenrecht. Die Mitangeklagten beteiligten sich daran, diese Befehle auszuführen und gaben sie an die untergeordneten Mitglieder der Sondereinheiten, Mirko Sivic, Dino Kontic, Tihomir Valentic und Zdravko Dragic, weiter. Die Zivilisten serbischer und anderer Nationalitäten wurden ohne jeden Grund festgenommen, misshandelt, zum Fluss Drau gebracht und dort getötet. Acht Opfer sind identifiziert, zwei unbekannt und einem, Radomir Ratkovic, ist es gelungen zu überleben.
Glavas wieder hinter Gittern
Die Verteidiger von Branimir Glavas hatten eine derartige Abfolge von Ereignissen nicht erwartet. "Wir haben gehofft, dass keine Anklage erhoben wird, weil wir geglaubt haben, dass man endlich rechtsgemäß vorgehen und die im Verfahren festgestellten Tatsachen würdigen würde", sagte Glavas’ Rechtsanwalt, Ante Madunic, und kündigte Einspruch an. Im Verfahren waren 147 Zeugen gehört worden. Glavas befand sich als einziger der Angeklagten im sogenannten Klebeband-Fall auf freiem Fuß. Er saß bereits einmal aufgrund eines anderen Prozesses wegen Kriegsverbrechen im Gefängnis. Glavas wurde allerdings vorzeitig entlassen, nachdem er sich während eines Hungerstreiks fast zu Tode gehungert hatte.
Tatijana Mautner, Osijek
DW-RADIO/Kroatisch, 17.4.2007, Fokus Ost-Südost