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Krug: "Wollen Fußball gerechter machen"

Herbert Schalling
15. August 2017

Die 55. Bundesliga-Saison startet am Freitag mit einer Premiere. Künftig werden entscheidende Szenen von Video-Assistenten überprüft. Der ehemalige FIFA-Schiedsrichter Hellmut Krug ist der verantwortliche Projektleiter.

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Helmut Krug steht vor Monitoren (Foto: picture-alliance/dpa/M. Kusch)
Bild: picture-alliance/dpa/M. Kusch

DW: Was ist der Hauptgrund für die Einführung des Video-Assistenten in der Bundesliga?

Hellmut Krug: Die Grundidee ist, mehr Gerechtigkeit im Fußball zu schaffen. In der letzten Saison hatten wir 104 Fehlentscheidungen unserer Schiedsrichter. 77 davon wären durch den Video-Assistenten korrigierbar gewesen. Jetzt haben viele Zuschauer im Stadion ein Smartphone. Die können ganz schnell sehen, wenn der Schiedsrichter einen klaren Fehler gemacht hat. Nur der Schiedsrichter sieht es nicht. Wenn der Schiedsrichter da keine Hilfe von außen bekäme, wäre das nicht mehr zeitgemäß.

Was wird überhaupt kontrolliert und gegebenenfalls korrigiert?

Da gibt es durch die FIFA klare Vorgaben. Nur vier Situationen dürfen überprüft werden. Tor oder nicht Tor ? Elfmeter, Rote Karte berechtigt und Spielerverwechslungen bei Gelben und Roten Karten.

Als das IFAB, die Regelbehörde der FIFA, das Projekt Videoschiedsrichter startete, waren DFB und DFL von Anfang an dabei. Warum ?

Ausschlaggebend war 2015/16. Das war keine gute Saison für die Schiedsrichter. Es sind viele Fehler gemacht worden, die in der Öffentlichkeit schwer zu erklären waren. Deshalb haben wir gesagt, wir beteiligen uns. Wir wollen in der ersten Reihe derer sein, die das System vorantreiben. Jeder nationale Verband soll seine Erfahrungen machen nach den Vorgaben der FIFA. Alle Ergebnisse werden an der Uni Leuven in Belgien ausgewertet. Im März 2018 will die FIFA entscheiden, wie es weiter geht.

Der Videobeweis beim CONFED CUP (Foto: Getty Images/AFP//F. Fife)
Das Warten auf die endgültige Schiedsrichter-Entscheidung soll in der Bundesliga möglichst kurz gehalten werdenBild: Getty Images/AFP//F. Fife

Wie sind die Schiedsrichter auf die neue Technik vorbereitet worden?

Wir haben unsere Referees über ein Jahr geschult. Die Schiedsrichter waren daran gewöhnt, auf dem Platz zu entscheiden. Sie mussten jetzt lernen, eine Situation am Bildschirm zu beurteilen, zu interpretieren. Das ist ein ganz anderer Job. Von der FIFA gibt es auch hier klare Richtlinien. Jeder Schiedsrichter muss fünf Mal offline und fünf Mal online gearbeitet haben. Offline heißt OHNE Kontakt zum Schiedsrichter im Stadion. ONLINE mit Sprechverbindung. Dazu muss Jeder drei Spiele geleitet haben mit Kontakt zu einem Assistenten außerhalb des Stadions. Diese Vorgaben haben unsere Unparteiischen alle erfüllt.

Sie sind selbst Schiedsrichter gewesen. In ihrer aktiven Zeit und darüber hinaus galt, der Schiedsrichter trifft eine Tatsachenentscheidung. Die ist nicht revidierbar. Wann begann bei Ihnen ein Prozess des Umdenkens?

Es geht im Fußball um immer mehr Geld. Es geht um Auf- und Abstieg, um die Qualifikation für internationale Wettbewerbe. Die Schiedsrichter waren bei falschen Entscheidungen zunehmend massiver Kritik ausgesetzt. Da muss man sich fragen, kann man an der alten Philosophie festhalten, dass der Schiedsrichter entscheidet und es keine weitere Instanz gibt? Dazu kamen ja die immens verbesserten technischen Möglichkeiten, mit jetzt über zwanzig Kameras im Stadion. Vor diesem Hintergrund ging das Umdenken bei mir eigentlich recht schnell.

Der Fußball büßt seine Einheitlichkeit ein. Es gibt jetzt Unterschiede zum DFB-Pokal, zur 2.Liga, von den unteren Spielklassen ganz zu schweigen.

Das müssen wir in Kauf nehmen. Die Torlinientechnik gibt es ja auch nur in der ersten Liga. Vielleicht wird das eines Tages alles auch mal für die 2.Liga relevant. Es ist eine Frage des Geldes und der technischen Basis. Mit nur drei oder vier Kameras im Stadion ist kein relevanter Videobeweis machbar.

Schiedsrichter Mohammed al-Abakry aus Saudi-Arabien kontrolliert beim Confed-Cup am Bildschirm die Aufnahmen der Kameras (Foto: Getty Images/AFP//F. Fife)
Dass der Haupt-Schiedsrichter die Aufnahmen selbst kontrolliert, soll in der Bundesliga die Ausnahme bleibenBild: Getty Images/AFP//F. Fife

Beim Confed-Cup dauerte es oft sehr lange, bei Eingriffen des Video-Assistenten. Wird das in der Bundesliga schneller gehen?

Da bin ich sicher. Als wir mit den Tests starteten dauerte es im Durchschnitt 90 Sekunden, bevor eine Situation durch den Video-Assistenten gecheckt war. Heute brauchen wir in der Regel zwischen zehn und 30 Sekunden. Beim Confed-Cup war das aber zu erwarten. Es gab keine Möglichkeit diese Schiedsrichter dort langfristig zu schulen. Sie hatten nur vier bis sechs Wochen Zeit, sich mit dem Ganzen vertraut zu machen. Hinzu kam, dass sich der Referee auf dem Feld und der Video-Assistent nicht kannten. Unsere Kollegen kennen einander. Da ist eine Vertrauensbasis. Der Mann auf dem Feld kann sich auf den am Bildschirm verlassen. Deshalb wird bei Bundesligaspielen der Schiedsrichter im Stadion nur in Ausnahmefällen die Review-Area aufsuchen, um sich die Szene selbst noch einmal anzuschauen.

Wie ist ihr Gefühl vor dem ersten Bundesliga-Wochenende?

Wir haben alles getan, was wir tun konnten. Jetzt müssen wir in der praktischen Arbeit unsere Erfahrungen sammeln. Nicht alles wird reibungsfrei verlaufen. Da muss bestimmt an der einen oder anderen Stelle nachjustiert werden. Aber ich bin sicher, dass der Videoschiedsrichter zu mehr Gerechtigkeit führen wird. Die Fans werden das anerkennen.

Hellmut Krug war von 1984 bis 2003 Schiedsrichter für den Deutschen Fußball-Bund und wurde 1991 vom Weltfußballverband zum FIFA-Schiedsrichter berufen. Bis 2007 leitete er die Fußballschiedsrichter-Abteilung beim DFB. Aktuell ist er Projektleiter Video-Assistent beim DFB und der Deutschen Fußball Liga.

Das Interview führte Herbert Schalling.