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Kuba-USA: Neuer Frühling hat viele Feinde

Jan D. Walter19. Dezember 2014

Tauwetter zwischen Kuba und den USA - aber Kubas Dissidenten reagieren eisig. Sie kritisieren Obamas Flirt mit Diktator Castro. Der US-Präsident werte das Regime auf und beschere ihm einen Propaganda-Sieg.

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Auf dem Revolutionsplatz in Havanna weht die kubanische Flagge (Foto: Picture-alliance/Robert Harding World Imagery)
Bild: picture alliance/Robert Harding World Imagery

Kuba zur Demokratie zwingen: So war es bisher das Ziel der USA. Wohl bekanntester Teil ihrer Politik ist das Handelsembargo - mit ihm verbieten die Vereinigten Staaten seit 1960 ihren Bürgern, mit der Insel Handel zu treiben. Nun will US-Präsident Obama die Blockade am liebsten aufheben - seiner Ansicht nach hat sie ihr Ziel nicht erreicht.

Doch derzeit dürfte der US-Kongress dem nicht zustimmen. Daher will Obama zumindest Erleichterungen einführen: Es soll einfacher werden, Geld aus den USA nach Kuba zu schicken oder selbst dorthin zu reisen. Auch diplomatische Beziehungen wollen beide Staaten aufnehmen.

Befreiungsschlag? Das sehen Kubas Dissidenten anders

Kubas Staats- und Parteiführung um die Gebrüder Castro dürfte das sehr recht sein - das Land führt das Embargo seit jeher als einen Hauptgrund für seine Misere an. Auch zahlreiche Kommentatoren stoßen in dieses Horn.

Und Kubas Opposition? Die ist gar nicht zufrieden. Für sie ist das Embargo ein untergeordnetes Problem. Viel schwerer wiegt in ihren Augen die katastrophale Menschenrechtslage auf Kuba. Deshalb sieht auch kaum jemand unter ihnen in der Annäherung einen großen Befreiungsschlag.

Im Gegenteil: Weitgehende Einigkeit herrscht darüber, dass Washington wenig Einfluss auf die Misere des kubanischen Volkes habe. Verantwortlich für die katastrophale Menschenrechtslage sei allein das Castro-Regime.

"Die Demokratisierung Kubas hängt nicht maßgeblich von den USA oder einem anderen Land ab", sagt etwa Carlos Payá, Sprecher der spanischen Sektion der Christlichen Freiheitsbewegung MCL. Daher sei die diplomatische Annäherung zwischen Kuba und den USA von untergeordneter Bedeutung für die Situation des kubanischen Volkes.

Das sieht auch Berta Soler so. Im spanischen US-Kanal America TeVe sagte die Sprecherin der mit dem Sacharow-Preis gekrönten Menschenrechtsorganisation "Damas de Blanco": "Mit oder ohne Embargo - das Regime wird das kubanische Volk weiter unterdrücken." Obamas Entscheidung eröffne "dem kubanischen Repressionsapparat weitere finanzielle Mittel zur Unterdrückung."

Propaganda-Sieg für Castro

Das befürchtet auch Antonio Guedes, Vorsitzender der Exilpartei Liberale Kubanische Union ULC in Spanien. Gerade jetzt, da Venezuela seine Hilfen für Kuba drastisch zurückfährt, steht das Castro-Regime unter massivem ökonomischem Druck. Den, so Guedes, hätte Obama nutzen müssen, um Raúl Castro konkrete Zusagen zur Verbesserung der Menschenrechte abzuringen. Stattdessen könne Castro nun einen diplomatischen Sieg feiern und propagandistisch ausschlachten.

Die Argumentation des US-Präsidenten findet Guedes widersprüchlich: "Gerade erst hat Obama Russland und Venezuela mit Wirtschaftssanktionen belegt, um ihren politischen Kurs zu beeinflussen. Die Sanktionen gegen Kuba will er mit demselben Ziel aufheben."

Befürchtet ein Erstarken des Castro-Regimes: Menschenrechtlerin Berta Soler
Befürchtet ein Erstarken des Castro-Regimes: Menschenrechtlerin Berta SolerBild: Getty Images

"Auf Kuba gibt es keine Freiheit"

Der in Havanna lebende kubanische Regimekritiker René Gómez Manzano sieht es im DW-Gespräch ähnlich. Gegen mehr materiellen Wohlstand hätte er nichts einzuwenden. Aber das Handelsembargo sei nicht das drängendste Problem: "Auf Kuba gibt es keine Freiheit: Keine Meinungs-, keine Versammlungs- und keine Pressefreiheit und schon gar keine freien Wahlen."

Gómez warnt deshalb vor einem Kuschelkurs: "Der US-Kongress sollte das Embargo nur aufheben, wenn das kubanische Regime konkrete Schritte für signifikante und nachprüfbare Verbesserungen der Menschenrechtslage einleitet."

"Mutiger Schritt in die richtige Richtung"

Trotz aller Kritik - es gibt auch Exilkubaner, die Obamas Entscheidung begrüßen: "Eine beachtliche Menge Kubaner hier in Miami hält das für einen mutigen Schritt in die richtige Richtung", berichtet Arnoldo Muller von der Sozialdemokratischen Partei CSDC in Miami. Wer unter den Sanktionen leide, sei schließlich das kubanische Volk - und die Öffnung mache Hoffnung darauf, dass sich die Situation für die Menschen in Kuba verbessere.

Den angeblich spontanen Jubelbildern aus Havanna schenkt Muller keinen Glauben: "So etwas läuft in Kuba nicht ohne Beteiligung der Regierung." Wirklichen Grund zum Jubeln gebe es ohnehin erst, wenn das Embargo tatsächlich falle - und die Öffnung zu einer Besserung der Lage auf Kuba führe.

Menschen jubeln und Halten Plakate mit der Aufschrift "Freiheit jetzt" hoch (Foto: Reuters/Stringer)
An spontanen Jubel in Havanna glauben nicht einmal Befürworter der AnnäherungBild: Reuters/Stringer

Die wäre wohl eher graduell. Dass sich die Menschenrechtslage signifikant verbessert, solange die Castro-Brüder leben, das glaubt eigentlich niemand unter den Dissidenten. Größere Änderungen wären wohl eher ökonomischer Natur: "Bisher sehe ich am ehesten Anzeichen dafür, dass Kuba auf einen Staatskapitalismus zusteuert", sagt die kubanische Politologin María Werlau. Sie leitet das "Cuba Archive", das die Menschenrechtsverletzungen des Castro-Regimes dokumentiert. Die Freiheit würde sich dann, ähnlich wie in China, vor allem auf die Wirtschaft beschränken.

Andere Menschenrechte, fürchtet Werlau, dürften weiterhin auf der Strecke bleiben - US-Diplomatie hin oder her. Obamas Vorstoß irritiert Werlau dennoch sehr - ihrer Ansicht nach wertet seine Unterstützung das kommunistische Regime auf Kuba auf.