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Kugelstoßer Niko Kappel: Ausnahmesportler und Vorbild

28. August 2024

Im Leben von Para Weltmeister Niko Kappel geht es oft um wenige Zentimeter. Bei den Paralympics in Paris möchte der kleinwüchsige Kugelstoßer Gold holen und seinen Erfolg nutzen, um die Gesellschaft zu verändern.

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Kugelstoßer Niko Kappel beim Training
Niko Kappel ist 1,41 Meter groß und hält mit 15,07 Metern den Weltrekord im KugelstoßenBild: IMAGO/24passion

"Mein Vater hat früher zu mir gesagt: Wenn du mal groß bist, dann musst du arbeiten", erinnert sich Niko Kappel im Gespräch mit der DW. Das ist über 20 Jahre her, mittlerweile ist der Para Leichtathlet 29 Jahre alt und 1,41 Meter groß gewachsen. "Ich bin klein geblieben und muss nun trotzdem arbeiten." Kappel lacht und ergänzt: "Mein Vater ist Versicherungskaufmann. Ich hätte ihm einfach nicht vertrauen sollen."

Trotz anders lautender Versprechungen seines Vaters, musste er sich einen Job suchen. Er machte eine Lehre als Bankkaufmann. Seinen Arbeitsalltag verbringt Kappel seit einigen Jahren aber nicht im Büro oder am Schalter, sondern in der Trainingshalle und dem Kraftraum seines Vereins, des VfB Stuttgart. Kappel ist Profi-Sportler geworden und als Leichtathlet sehr erfolgreich.

Der Para Kugelstoßer konnte im Mai dieses Jahres bei den Para Sport Weltmeisterschaften in Japan zum zweiten Mal seit 2017 den WM-Titel in seiner Klasse F41, eine der Unterklassen für Kleinwüchsige, gewinnen. Bei seinem goldenen Versuch in Kobe landete die Kugel bei 14,23 Metern.

Doch zufrieden war Kappel mit seiner Leistung nicht. Kein Wunder, denn nur zwei Wochen zuvor hatte er seinen eigenen Weltrekord um acht Zentimeter auf 15,07 Meter verbessern können. Soweit hatte zuvor noch niemand gestoßen. "Das war etwas ganz Besonderes für mich und mein Team", sagt er. "Das macht Lust auf mehr."

Niko Kappel: "Ich war kein Kopfball-Ungeheuer"

Dass der 29-Jährige einmal zu den besten Kugelstoßern der Welt gehören würde, hätte er sich als kleiner Junge wohl nicht träumen lassen. Denn in seiner Jugend bestimmte ein anderer Sport seinen Alltag. "Mein Leben bestand aus Fußball, für mich gab es nichts anderes", erzählt er. "Ich habe in einer ganz normalen Mannschaft im Sturm gespielt. Das war eine ganz besondere und sehr gute Zeit für mich."

Er habe gesehen, dass es nicht schlimm sei ein bisschen kleiner zu sein als andere. "Klar bin ich nicht das Kopfball-Ungeheuer in der Mannschaft gewesen, aber ich habe dann andere Aufgaben übernommen."

Para Kugelstoßer Niko Kappel bereitet sich auf einen Stoß vor und hält die Kugel mit der rechten Hand an seinen Hals
Hat seine Leidenschaft im Kugelstoßen gefunden: Niko KappelBild: Karl-Josef Hildenbrand/dpa/picture alliance

Bei den Paralympics in Peking 2008 wecken dann die Wettkämpfe der kleinwüchsigen Sportlerinnen und Sportler sein Interesse. "Ich habe die Chance gesehen, mich mit meinesgleichen messen zu können, eben mit den Besten der Welt. Ich habe 'Matze' Mester gesehen, der Silber im Speerwerfen gewonnen hat, und wollte es dann auch versuchen." Kappel probiert vieles aus, doch weil lediglich Speerwurf und Kugelstoßen bei den kleinwüchsigen Athletinnen und Athleten paralympisch sind, bleibt er schließlich "an der Kugel hängen", wie er sagt.

Seitdem habe er gelernt den Sport, für den er sich entschieden hat, zu lieben. Oder manchmal auch zu hassen. "Die Faszination ist eine Bewegung so zu perfektionieren, dass ich aus dem Stoßring heraus, aus meiner Bewegung die maximale Geschwindigkeit auf die Kugel übertragen kann", sagt Kappel der DW.

Er habe mit dem Kugelstoßen einen Sport gefunden, der ihm richtig viel Spaß macht und ihn täglich herausfordert. "Wir haben uns keine Grenzen gesetzt und wollen herausfinden wie weit es noch gehen kann", so der Kugelstoßer, der seinen aktuellen Weltrekord weiter verbessern möchte.

Niko Kappel: "Wir können auf die Gesellschaft einwirken"

Grundsätzlich geht es für Kappel im Sport aber nicht nur um Zentimeter oder ums Gewinnen oder Verlieren. Sport könne einen wichtigen Beitrag für das gesellschaftliche Miteinander leisten. Deswegen hält Kappel Vorträge oder geht in Schulen, um vor allem Kindern die Werte des Sports zu vermitteln.

Para Kugelstoßer Niko Kappel gestikuliert mit seinen Händen und erklärt etwas
Para Sportler Niko Kappel hält Vorträge und möchte damit Ängste und Vorurteile abbauenBild: IMAGO/24passion

"Egal ob ein Mensch mit Behinderung oder nicht - man lernt aufeinander Rücksicht zu nehmen, man lernt im Team zu agieren oder auch respektvollem Umgang miteinander", so Kappel. "Das sind für unser gesellschaftliches Leben enorm wichtige Tugenden."

Zudem versucht der 29-Jährige seine Rolle als kleinwüchsiger Leistungssportler zu nutzen und Vorurteile oder auch Unsicherheiten gegenüber Menschen mit Behinderung abzubauen. "Ich sehe es als unsere Aufgabe, dass wir den Menschen zeigen, dass man keine Sorge vor dem Umgang mit uns haben muss", erklärt er. Er habe das Gefühl, dass einige immer öfter Angst davor haben, etwas falsch zu machen. Das Thema Inklusion sei sehr politisch geworden, so Kappel. "Darf ich den ansprechen? Darf ich fragen, wie es ist kleiner zu sein oder werde ich dann an den Pranger gestellt?"

Im paralympischen Sport wolle man daher eine klare Botschaft vermitteln: "Wir sind wie alle anderen auch. Wir wollen die Besten sein, egal ob mit Bein oder ohne Bein oder mit einem halben Bein oder eben etwas kleiner als andere. Das macht keinen Unterschied. Die Zeit oder die Weite sind das Entscheidende", sagt Kappel. "Ich glaube, wenn wir das vermitteln können und anfangen über den Sport zu sprechen und nicht über die Art der Behinderung, dann können wir definitiv auf die Gesellschaft einwirken."

Kappel möchte dritte Medaille in Paris

Kappel ist ein positiver Mensch und seine Art steckt an. Die Menschen hören und sehen ihm gerne zu - beim Kugelstoßen, aber auch auf seinem TikTok-Kanal. Auf der Plattform folgen ihm mittlerweile über 250.000 Menschen, die er mit unterhaltsamen Videos zu begeistern weiß.

Niko Kappel steht mit Silber-Gewinner Hagan Landry aus den USA und Paralympoics-Sieger  Bobirjon Omonov aus Usbekistan auf dem Podest
Bei seiner letzten Teilnahme an den Paralympics in Tokio 2021 holt Niko Kappel (r.) die Bronze-MedailleBild: Joel Marklund for OIS via AP/picture alliance

Inzwischen fehle ihm aber die Zeit für regelmäßige Videos, denn sein "Kernjob" sei ein anderer. Nämlich die Kugel so weit wie möglich aus dem Abwurfsektor heraus zu katapultieren. Bei den Paralympics in Parismöchte Kappel seine aktuell gute Phase bestätigen und erneut über sich hinauswachsen.

Getreu dem Motto einer seiner Vorträge "Klein hin - groß zurück! Mein Weg zum Olympischen Gold", ist seine dritte Medaille, nach Gold in Rio de Janeiro 2016 sowie Bronze in Tokio 2021, das erklärte Ziel für 2024.