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Monika Grütters Bilanz nach sieben Amtsjahren

16. Juli 2021

Corona-Hilfen gesichert, Raubkunst-Debatte organisiert, Humboldt-Forum eröffnet: Kulturstaatsministerin Monika Grütters zieht Bilanz - im DW-Interview.

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71. Berlinale - Sommerfestival | Monika Grütters
Monika Grütters, Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und MedienBild: Stefanie Loos/AFP/dpa/picture alliance

Zufriedenheit spricht aus Monika Grütters Worten, wenn sie auf ihre bald achtjährige Amtszeit zurückblickt. Seit 2013, als sie Bernd Neumann im Amt des Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien ablöste, gibt die moderat auftretende CDU-Politikerin die Richtung der deutschen Kulturpolitik vor. Sie tut das mit Verve und, wie sie sagt, "mit Begeisterung und Leidenschaft". Kurz vor der Bundestagswahl im Herbst sieht Grütters viele ihrer Ziele erreicht. Wird sie weitermachen?  "Das", so Grütters, "entscheidet dann der Wähler."

Eines ist Grütters, Jahrgang 1962, jetzt schon, sagt sie: Europas dienstälteste Kulturministerin, zumal in der Kulturnation Deutschland, die "im Vergleich zu anderen Ländern sehr viel für ihre Kultur" tue. "Dafür", so Grütters, "bin ich Angela Merkel dankbar" - Europas dienstältester Regierungschefin.

Kulturstaatsministerin Monika Grütters sitzt DW-Chefredakteurin Manuela Kasper-Claridge im Interview gegenüber
Monika Grütters stand DW-Chefredakteurin Manuela Kasper-Claridge für das Kulturmagazin K.21 Rede und AntwortBild: DW

Corona war ihr Stresstest

Das klingt nach Erleichterung. Denn zum größten Stresstest in Grütters Amtszeit geriet die Corona-Krise: Landauf, landab mussten - trotz ausgeklügelter Sicherheitskonzepte - Museen, Theater, Konzertsäle und Kinos schließen. Nichts lief mehr, eine ganze Branche geriet ins Trudeln. "Was mich am meisten betroffen gemacht hat, war die wirkliche, echte, erkennbare und auch buchstäblich spürbare Not der Künstlerinnen und Künstler", sagt Grütters im DW-Interview, "dass die Kreativen so um Sichtbarkeit gerungen haben, aus Angst, ihre Bedeutung für das gesellschaftliche Ganze werde nicht richtig gesehen." Doch da kannten sie Monika Grütters schlecht.

Als Kulturpolitikerin versteht sie sich seit jeher als "Lobbyistin" der Kulturbranche. Deshalb habe sie sich für Coronahilfen in Milliardenhöhe eingesetzt, für den - gemessen am Bruttoinlandsprodukt - zweitstärksten Wirtschaftszweig Deutschlands. "Ich musste kämpfen: Beachtet bitte auch den Kreativ-Sektor, und zwar nicht nur als Standortfaktor, als Wirtschaftsbereich", so Grütters, "nein, es ging auch um die gesamtgesellschaftliche Anerkennung und Bedeutung." Gleichwohl habe am Ende immer gegolten, "wenn wir die Schulen dichtmachen, dann können wir niemandem erklären, warum ein Theater auf sein darf."

Debatte über koloniale Raubkunst

Aber nicht nur die Künste hätten große Opfer gebracht, betont die Ministerin. Auch das Publikum habe auf viel verzichtet: "Ich selber hab mich wie auf Entzug gefühlt, und ich glaube, vielen Menschen ging es ähnlich." Gefehlt hätten die Anregung und die Möglichkeit zum Austausch. Entscheidende Themen seien nicht mehr auf großer Bühne verhandelt worden, sondern nur noch im stillen Kämmerlein. "Das sind ja nicht nur Lustbarkeiten, das ist nicht nur Unterhaltung, sondern das ist ein ganz wichtiges kritisches Korrektiv in unserem Gemeinwesen, wichtig auch für die Demokratie", sagt Monika Grütters. Und meint: systemrelevant.

Die Debatte um koloniale Raubkunst, die während der Pandemie Fahrt aufgenommen hat, begrüßt die Ministerin im Gespräch mit der Deutschen Welle als längst überfällig: "Deutschlands koloniale Vergangenheit, das war lange ein blinder Fleck in unserer Erinnerungskultur", so Grütters. Deutschland habe bisher seine jüngere Geschichte, beginnend mit dem Ersten und Zweiten Weltkrieg, aufgearbeitet. "Die Zeit davor aber, die koloniale Herrschaft Europas über Afrika, kommt erst jetzt in den Blick. Das tut uns gut."

Geraubte Kulturgüter aus der Kolonialzeit
Der Umgang der Museen mit der kolonialen Vergangenheit ist eines der großen kulturpolitischen Themen der Gegenwart - hier sind drei Raubkunst-Bronzen aus dem Land Benin in Westafrika in Hamburg ausgestelltBild: Daniel Bockwoldt/dpa/picture alliance

Deutschland sei - wie im Fall der sogenannten Benin-Bronzen - willens, Beutekunst zurückzugeben. Die wertvollen Metalltafeln und Skulpturen, die seit dem 16. Jahrhundert den Königspalast des Königreichs Benin schmückten, waren 1897 durch britische Kolonialherren zu Tausenden als Beutekunst nach Europa und in die USA verschleppt worden. Über den Kunstmarkt gelangte ein Teil in die Sammlungen deutscher Museen. "Der Ursprungs-Kontext ist ein Unrechts-Kontext", betont Grütters jetzt. "Und deshalb sind wir bereit zur Rückgabe." Die ersten Stücke könnten - "nach einem konzentrierten Dialogprozess" - bereits im kommenden Jahr nach Nigeria überführt werden.

Weltoffen und Partnerschaftlich

Blick auf das neue Humboldt-Forum, vor dem Skulpturen an die Humboldt-Brüder erinnern.
Wo früher das Berliner Stadtschloss stand, öffnet das neue Humboldt-Forum seine PfortenBild: Berlin Producers/Arte/RBB

Eigentlich waren die Benin-Bronzen als Hauptattraktion des neuen - und bereits vielkritisierten - Humboldt-Forums vorgesehen, das an der Stelle des einstigen Berliner Stadtschlosses errichtet wurde und in diesen Tagen seine Pforten öffnet. Monika Grütters verteidigt die Entscheidung für das Forum vehement, das ein "Kultur-Haus neuen Typs" sei, jedenfalls "mehr sei als nur ein Museum, denn es arbeitet interdisziplinär". Es biete einen Kinosaal, Bühnen, auch Platz für Konferenzen: "Es wird immer behauptet, es wäre alles so umstritten und so schwierig, dabei war ja noch niemand drin", sagt Grütters.

Mikrofone von Journalisten recken sich Kulturstaatsministerin Monika Grütters entgegen.
Monika Grütters bei der Pressekonferenz zur Unterzeichnung der Vereinbarung zum Nachlass des Kunstbesitzers Cornelius GurlittBild: Britta Pedersen/dpa/picture alliance

Auf der 42.000 Quadratmeter großen Forumsfläche würden auch Teil-Stücke aus außereuropäischen Sammlungen gezeigt. Eine Kulturnation wie Deutschland definiere hier am Beginn des 21. Jahrhunderts den zentralen Platz der Republik neu. "Das macht mich stolz", so Grütters. Denn nur wenige Staaten hätten "der Versuchung widerstanden, sich selbst und die eigene Geschichte glorios in den Mittelpunkt zu stellen". Deutschland habe sich anders entschieden: "Wir haben gesagt: Nein, die außereuropäischen Künste sollen dort ihren Platz bekommen im Dialog mit der Museumsinsel gegenüber, wo die Mittelmeerraum-Geschichte ihren Platz hat, und also auch die deutsche."

Gelegenheit für die Kulturstaatsministerin, die Weltoffenheit Deutschlands zu betonen: "Als Partner in der Welt wollen wir uns empfehlen." Schließlich stehe der Name Humboldt für die Neugier auf die Welt. "Alexander und Wilhelm von Humboldt haben ja wirklich die Geistesgeschichte vorangebracht. Und es steht für große Offenheit, für Toleranz und für den Abgleich eigener Erfahrung mit dem, was in anderen Regionen der Welt möglich ist." Auch daran arbeite sie "mit großer Leidenschaft", sagt Monika Grütters im Deutsche Welle-Interview, "Und ich sehe - außer einer Wahl - keinen Grund, damit aufzuhören."