Kunst in Sozialen Netzwerken
27. Dezember 2019"Für viele Künstlerinnen und Künstler ist die Nutzung der Sozialen Medien längst Alltag geworden", erklären die Ausstellungsmacher um Kuratorin Anika Meier. "Viele können oder wollen nicht mehr darauf verzichten." Mehr noch: Sie arbeiten längst damit. Das zeigen auch die rund 50 Raum- und Videoinstallationen, Skulpturen, Fotografien und Gemälde von 35 überwiegend jungen Künstlern. Was alle Werke auszeichnet: Visuelle Kunst findet da statt, wo das Publikum ist – in den Sozialen Medien und da vorrangig bei Instagram. Die gute alte Website, sie hat wohl ausgedient.
Muss man denn die digitale Kunst ausdrucken, um die Werke junger, online-beeinflusster Künstler im Museum zu zeigen? "Das haben wir nicht gemacht", sagt Kuratorin Meier. Es wäre auch gar nicht nötig. Denn so ungewohnt die ausgestellten Arbeiten sein mögen, so plastisch sind sie. Den Auftakt der Schau markiert eine - längst wieder verflossenen - Einrichtung des Internetzeitalters: Der Berliner Aram Bartholl hat die Original-Sitzreihe eines Kreuzberger Internetcafés ins Museum gestellt.
Geschichte der Netzkunst
Über eine Handvoll Bildschirme flimmern Bilder und erinnern so an frühere "Speed Shows" Bartholls, für die er "echte" Internetcafés zu Galerien umfunktionierte, indem er die versammelten Rechner zu Kurzzeit-Ausstellungen nutzte. Bartholls Rauminstallation lässt die Geschichte der Netzkunst Revue passieren. Zwar gibt es die nicht erst seit das Internet für ein Massenpublikum zugänglich wurde. Aber die Sozialen Medien haben das Publikum noch einmal dramatisch vergrößert. Und das Smartphone mit Internet-Zugang steckt heute in fast jeder Hosentasche.
Mit den Symbolen des Internetzeitalters und der modernen Konsumwelt spielt hingegen der Belgier Tom Galle. Der Künstler hat das blaue Facebook-"F" zu einem Brecheisen verbogen. Und das goldene Mc-Donald's-"M" ergänzte er um Fingerlöcher - jetzt ist es ein Schlagring.
Andere Werke fragen nach den Wirkungen, die der Hang - und nicht selten der Zwang - zur Inszenierung in Sozialen Medien wie Instagram auf die Nutzer ausübt. Andy Picci aus Paris etwa hat sein Smartphone auf einem Sockel drapiert, als vielsagende Anspielung: Denn wer sich nähert, erkennt auf dem Display den Künstler, ganz in schwarz gekleidet in einem weißen Raum. "Ich wollte mein digitales Ich in seinen eigenen Käfig stecken - in mein Smartphone", erklärt Picci. Wie er begibt sich eine neue Generation von Netzkünstlern auf die Suche nach der Identität im digitalen Zeitalter. Manche bedienen sich dabei, wie etwa Johanna Jakowska der Augmented Reality oder wie Selam X der Künstlichen Intelligenz , um Schönheitsideale und Gendernormen auf den Prüfstand zu stellen.
Auch künstliche Intelligenz im Einsatz
Mit Künstlicher Intelligenz beschäftigt sich der Londoner Thomas Webb. Er hat Computer so programmiert, dass sie Smileys mit neutralem Strichmund über eine Spiegelfläche an der Wand kullern lassen. Schneidet der Betrachter Grimassen, so imitieren die Smileys seine Gesichtsausdrücke. Das Resultat aber, so erläutert Webb, sei nicht die Emotion des Betrachters, sondern ihr oberflächliches Abbild - ganz wie beim Einsatz von Emojis in sozialen Netzwerken.
Abseits des Digitalen geht es in der Leipziger Ausstellung aber auch um Malerei. So hat der Hamburger Chris Drange die Selfies weiblicher Mitglieder des Kardashian-Clans vergrößert, mit Elementen klassischer Malerei kombiniert und die Motive schließlich als Ölgemälde in China malen lassen. Kristina Schuldt, Absolventin der Leipziger Meisterklasse Neo Rauchs, vereint in ihrem Werk motivische Anspielungen auf die Alten Meister mit Gliedmaßen, die Smartphones halten.
Die Ausstellung "Link in Bio" im Untergeschoss des Museums der bildenden Künste ist noch bis zum 15. März 2020 zu sehen.