Kurz und gut
30. April 2003Hier hat Wim Wenders seine erste Zigarette geraucht. Hier hat er bei den Westdeutschen Kurzfilmtagen jahrelang jeden Film gesehen und beschlossen selber Filme zu machen. Hier ist Oberhausen – Wiege der Ruhrindustrie. Autofahrer kennen den Namen. Fußballfans haben vielleicht von Rot-Weiß Oberhausen gehört. Und Cineasten? Die pilgern jedes Jahr im Mai zu den "Internationalen Kurzfilmtagen" – eine der angesehensten Filmveranstaltungen der Welt.
Das Genre blüht
Kurzfilme? Gibt´s die denn überhaupt noch? Ja klar. "Eigentlich sind wir ja von Kurzfilmen umgeben," sagt Sabine Niewalda, Pressesprecherin der Kurzfilmtage im Gespräch mit DW-WORLD. Schließlich sei beispielsweise jeder Fernseh-Werbeclip bereits eine Art Kurzfilm. Und da man sich in Oberhausen "flexibel im Umgang mit ästhetischen Veränderungen" gibt, will man auch dieses Jahr bei den 49. Internationalen Kurzfilmtagen das ganze Spektrum des bewegten Bildes abdecken. Neben klassischen Kurzfilmen und Experimentalfilmen stehen auch Videos und Musikvideos auf dem Programm – nur kurz müssen sie eben sein. Mit von der Partie ist auch das Musikvideo "Club der schönen Mütter" der Band Fehlfarben, mit Moderatorin Charlotte Grace Roche in der Hauptrolle.
"Das Genre Kurzfilm blüht", erklärt Niewalda. Es führt ein lebendiges Dasein auch jenseits des Kinos. Von der leidigen Rolle des Vorfilms hat sich der Kurzfilm schon lange verabschiedet. "Auch immer mehr Künstler scheren sich nicht mehr um Genre-Grenzen. Setzen Kurzfilme und Videos bewusst im Kunstkontext ein", sagt die Pressefrau der Filmtage.
Internationaler Durchlauferhitzer
Aus 4895 eingereichten Filmen aus 76 Länder haben die Veranstalter ein üppiges Filmpaket geschnürt. Und das bietet neben circa 360 Filmen mehr als ein bloßes Sammelsurium aktueller Produktionen. Wichtig ist den Organisatoren schließlich ein sorgfältig ausgearbeitetes Programm. Und das besticht insbesondere durch Internationalität. Aus Argentinien, Hongkong, Burkina Faso, Schweden und Kasachstan kommen beispielsweise die Juroren des internationalen Wettbewerbs.
"Persönliche Kontakte und die direkte Suche nach guten Filmen – insbesondere in Ländern, die nicht für ihre Filmwirtschaft bekannt sind – waren uns wichtig," sagt Niewalda. Fündig geworden sind die Filmfreunde dabei auch in Albanien, Peru und Kolumbien: Regionen, in denen unter sehr schwierigen Bedingungen nur sehr wenige Kurzfilme produziert werden. Bieten die vergleichsweise geringen Produktionskosten eines Kurzfilms den Filmemacherinnen aus vielen Schwellenländern ein Forum zum Geschichten erzählen, dienen sie europäischen und amerikanischen Regisseuren meist nur als eine Art Durchlauferhitzer.
Georg Lucas vs. Martin Scorsese
"Die Allermeisten nutzen den Kurzfilm als Einstieg," sagt Niewalda. Und mit erfolgreichen "Film-Einsteigern" kann sich das Festival, das nächstes Jahr 50-jähriges Jubiläum feiert, wirklich schmücken. Martin Scorsese, Georg Lucas, Roman Polanski und David Lynch sind nur einige der inzwischen zu Superstars aufgestiegenen Regisseure, die ihre ersten Filme auf dem Festival in Oberhausen zeigten.
Während Star-Wars Regisseur Georg Lucas für seinen Uni-Abschlussfilm "THX-1138:4eb" (natürlich Science-Fiction!) 1968 den Preis für den besten Experimentalfilm gewann, ging Kollege Martin Scorsese ("Der Pate") im gleichen Jahr mit seinem Film "The Big Shave" leer aus. "Da wurde sein Genie wohl verkannt", sagt Niewalda und schmunzelt. Vielleicht ein Trost für alle, die nach den diesjährigen Wettbewerben ohne Siegerprämie nach Hause fahren müssen.