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Köln: Drei Demos und aggressive Hooligans

Nicolas Martin9. Januar 2016

Als Reaktion auf die Vorfälle der Silvesternacht haben in Köln drei Gruppen demonstriert. Nur zwei waren friedlich. Nach Ausschreitungen löste die Polizei die Pegida-Demonstration auf. Von Nicolas Martin, Köln

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Köln Domplatte Flashmob (Foto: DW/N. Martin)
Bild: DW/N. Martin

"Es kann nicht sein, dass in dieser Stadt Frauen angegrabscht und belästigt werden", sagt Gabi Lanten, die dem Aufruf zu einem Flashmob gefolgt ist. Mehr als 1000 Frauen und Männer haben sich um die Mittagszeit spontan am Bahnhofsvorplatz eingefunden. Mit Trillerpfeifen und Plakaten demonstrieren sie an genau dem Ort, an dem in der Silvesternacht Männergruppen offenbar hunderte Frauen umzingelt und sexuell belästigt hatten. Bis dato zählt die Polizei weit mehr als 350 Anzeigen.

Seither schaut die Welt auf Köln. Presseteams aus Spanien, Italien, England und Polen berichten von den unterschiedlichen Kundgebungen rund um den Kölner Hauptbahnhof.

Keine 50 Meter vom Flashmob entfernt steht Vido Vespa und beobachtet das Geschehen: "Ich bin hier, um die Frauen zu schützen." Vespa trägt eine Sicherheitsweste und ist ganz in Schwarz gekleidet. Er ist direkt nach seiner Nachtschicht als Türsteher zu dem Platz zwischen Bahnhof und Dom gekommen. "Ich habe bereits am 25. Dezember im Bahnhof eine ähnliche Situation erlebt wie in der Silvesternacht", sagt er. Köln müsse jetzt zusammenstehen und ein klares Signal gegen sexuelle Gewalt und die pauschale Verurteilung von Ausländern setzen.

"Zeichen gegen Intoleranz"

Auf der anderen Bahnhofsseite finden derweil zwei angemeldete Demonstrationen unter großem Polizei-Aufgebot statt: Die islamkritische Pegida hält - als Reaktion auf die Silvesternacht - eine Kundgebung ab. Ihnen gegenüber stehen Gegendemonstranten, angeführt von den Organisationen "Köln gegen Rechts" und "Köln stellt sich quer".

Sebastian und Dina sind mit ihrem kleinen Sohn Oskar zur Gegenveranstaltung gekommen. "Köln ist eine weltoffene Stadt und wir wollen zeigen, dass Pegida nicht in der Mehrheit ist", sagt Dina, während sie Oskar in den Armen wiegt.

Kleine Familien auf der Pegida-Gegendemo (Foto: DW/N. Martin)
Sebastian, Dina und Oskar: "Wir wollen ein Zeichen gegen Intoleranz setzen"Bild: DW/N. Martin

Man sieht Fahnen von politischen Parteien und Kirchen, aber auch der linke Block der Antifa vor Ort. "Nazis raus", skandieren sie hinüber zu den Demonstranten von Pegida. Die sind so weit weg, dass die Parolen dort kaum ankommen. Circa 150 Meter misst der Korridor, den die Polizei abgeriegelt hat, um beide Gruppen strikt voneinander zu trennen. Mit demselben Ziel schleusen die Beamten Pegida-Anhänger direkt zu ihrer Kundgebung.

"Deutsche Frauen schützen"

Auf der anderen Seite des Korridors brüllen Demonstranten den anwesenden Journalisten und Kamerateams "Lügenpresse, Lügenpresse" entgegen. Ein Sprecher heizt den Pegida-Demonstranten ein: "Wir sind 3000, 4000, 5000 - ich bin sprachlos!", sagt er über ein Megafon. Die Polizei schätzt ihre Zahl allerdings auf 1700. Das ist deutlich mehr als bei früheren Pegida-Demonstrationen in der Domstadt, und auch mehr als auf der Gegenseite stehen; dort waren es rund 1300.

Petra Stahl ist mit ihrer Gruppe etwa anderthalb Stunden aus dem Westerwald angereist: "Wir müssen unsere deutschen Frauen schützen", sagt sie. "Die Grenzen schließen - allein schon, dass alle Nationalitäten, die bisher ins Land eingereist sind und seit Jahren schon hier wohnen, immer noch zufrieden und gut hier leben können", fordert sie.

Auf einer Karton-Hand steht "Merkel grapscht mit". Viele Pegida-Demonstranten halten Banner und Plakate, laut denen sie der Bundeskanzlerin die Schuld an den Übergriffen in der Silvesternacht geben. "Sie hat sie doch alle eingeladen, hierher zu kommen", sagt Petra Stahl. Männer im Hintergrund stimmen mit einem lauten "Richtig!" zu.

Pegida-Demonstrant (Foto: DW/N. Martin)
Hans-Dieter Uhle fürchtet, die vielen Einwanderer wollten sich nur bereichernBild: DW/N. Martin

Der 66-Jährige Rentner Hans-Dieter Uhle schlägt andere Töne an: "Wir sind keine Nazis, aber wir brauchen diese Massen an Einwanderern nicht." Sie könnten ja auch den Winter über hier bleiben und müssten auch versorgt werden, findet Uhle. Aber damit müsse Schluss sein, damit sie sich nicht bereicherten. Auf keinen Fall sollten sie Deutschunterricht erhalten. "Damit die wieder zurückgehen."

Auf seinem Plakat fordert Uhle Gewaltlosigkeit. Doch die Stimmung heizt sich schnell auf. Dafür sorgen vor allem zahlreiche Hooligans, die sich unter friedliche Pegida-Demonstranten gemischt haben. "Wir kriegen euch alle!", brüllen sie in Richtung der Gegendemonstranten.

Härtetest für die Polizei

Schon kurz nach Start des Pegida-Umzugs fliegen Flaschen und Feuerwerkskörper auf Reporter und Beamte. Als die Polizei den Tross stoppt, kommt es zu Handgemengen zwischen Polizisten und Demonstranten. Kurz fahren Wasserwerfer auf, Reiterstaffeln beziehen Stellung - die Sicherheitskräfte lösen die Pegida-Demonstration auf. Mehrere Randalierer werden festgenommen. Vandalismus-Szenen wie nach der HOGESA-Demonstration im Oktober 2014 bleiben aus.

Kölner Polizei setzt Wasserwerfer ein (Foto: DW/N. Martin)
Schon kurz nach Beginn des Umzugs lösen die Kölner Polizisten die Pegida-Demo wegen Ausschreitungen aufBild: Reuters/W. Rattay

Schon damals hatte es scharfe Kritik am Vorgehen der Polizei gehagelt. Nun stand nach der Silvesternacht und der Entlassung des Kölner Polizei-Präsidenten der Rest ihres Rufes auf dem Spiel. Doch diesmal schien die Polizei gewarnt: "Die Geschehnisse der Silvesternacht haben viele gewaltaffine Gruppen mobilisiert", sagt Christoph Gilles von der Polizei Köln. "Wir haben uns hier entsprechend stark aufgestellt."

Spontaner Zulauf

Während alledem geht die Gegendemonstration weiter. Und auf der anderen Seite des Bahnhofgebäudes, vor dem Kölner Dom, ist aus dem Flashmob eine spontane Mini-Demo geworden.

David Heidemann wollte eigentlich zur Arbeit, hatte aber noch etwas Zeit und hat sich dazugestellt. Dass am heutigen Tag mehr Pegida-Anhänger als Gegendemonstranten zum Kölner Bahnhof gekommen sind, erschreckt ihn: "Es macht mir Angst, wenn so einfache Botschaften Erfolg haben."

Er dagegen teilt die Meinung, die auf dem Schild steht, das er sich geborgt hat: "Gewalt gegen Frauen hat keine Nationalität und keine Religion."