Kölner Geiselnehmer eindeutig identifiziert
16. Oktober 2018Einen Tag nach der Geiselnahme am Kölner Hauptbahnhof steht zwar die Identität des Täters fest, sein Motiv ist aber weiter unklar. Bei dem Geiselnehmer handelt es sich um einen 55-jährigen Syrer, dessen Ausweis am Tatort gefunden wurde. Dies sei inzwischen "zweifelsfrei" erwiesen, teilte die Polizei mit. Der Mann lebe seit März 2015 in Deutschland, die meiste Zeit in Köln, er sei als Asylberechtigter anerkannt und habe eine Aufenthaltserlaubnis bis Juni 2021.
Der Syrer sei in der Vergangenheit "kriminalpolizeilich umfangreich in Erscheinung getreten". Dabei habe es sich um Delikte wie den Besitz von Marihuana, Ladendiebstahl, Bedrohung, Betrug und Hausfriedensbruch gehandelt.
Keine Hinweise auf den IS
Nach Angaben der Polizei lebte der Syrer in einer Kölner Flüchtlingsunterkunft. In seinen Räumlichkeiten seien arabische Schriftzeichen mit muslimischem Bezug gefunden worden, sagte Kripo-Chef Klaus-Stephan Becker. Es gebe dabei aber keinen konkreten islamistischen Bezug, insbesondere nicht zur Dschihadistenmiliz "Islamischer Staat" (IS). Die Bundesanwaltschaft prüft eine Übernahme des Verfahrens.
Laut den Ermittlungen leben auch der Sohn sowie der Bruder des Mannes in Deutschland. Seine Frau soll sich demnach noch in Syrien aufhalten. Ihre Anträge auf Einreise nach Deutschland seien zweimal abgelehnt worden. Der Mann selbst sei psychisch nicht in der Lage gewesen, einer Arbeit nachzugehen.
Zeitung: Geiselnehmer wurde in Syrien gefoltert
Der "Kölner Stadt-Anzeiger" berichtete unter Berufung auf den Hausverwalter der Flüchtlingsunterkunft, dass der Mann in Syrien als politischer Häftling und Gegner des Regimes von Präsident Baschar al-Assad im Gefängnis gesessen habe. "Er sagte, dass er dort gefoltert wurde - mit Stromschlägen, mit Wasser, mit Licht", sagte der Hausverwalter der Zeitung. "Das hat ihn psychisch krank gemacht. Er war hier in Köln deswegen auch in Behandlung." Die Polizei hat nach eigenen Angaben keine Informationen über eine Haftzeit in Syrien.
Der 55-Jährige hatte am Montagmittag im Kölner Hauptbahnhof einen Molotowcocktail in einem Schnellrestaurant gezündet. Bei dem anschließenden Feuer erlitt eine Jugendliche erhebliche Brandverletzungen, eine weitere Frau zog sich eine Rauchvergiftung zu. Anschließend hatte sich der Syrer in der benachbarten Apotheke mit einer Angestellten verschanzt. Eine Spezialeinheit überwältigte den Mann. Dabei wurde er schwer verletzt. Er befindet sich laut Polizei nach einer Notoperation im Koma, aber nicht mehr in Lebensgefahr.
Haftbefehl wegen Geiselnahme und versuchten Mordes
Nach Einschätzung der Polizei hatte der Syrer ursprünglich keine Geiselnahme geplant. "Der eigentliche Tatplan war die Brandlegung im McDonalds", sagte Kripo-Chef Becker. Die Geisel sei wahrscheinlich "ein Zufallsopfer".
Am Tatort fanden die Beamten eine Tasche und einen Koffer mit Benzin und mehreren Gaskartuschen. Diese hätten nach Erkenntnissen der Polizei eine erhebliche Sprengkraft entwickeln können. Zudem seien an mehreren Gaskartuschen Stahlkugeln angebracht worden. "Es hätte eine erhebliche Zahl von Personen verletzt werden können", so Ermittlungsleiter Becker. Bei der Waffe, die der Syrer dabei hatte, habe es sich allerdings um eine täuschend echt aussehende Soft-Air-Waffe gehandelt. Die Staatsanwaltschaft hat Haftbefehl erlassen und ermittelt gegen den Mann unter anderem wegen versuchten Mordes und Geiselnahme.
cw/jj afp, dpa, rtr)