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Können Proteste Wirkung zeigen?

Philipp Bilsky29. September 2014

Wegen einer umstrittenen Wahlreform erlebt Hongkong zurzeit die größte Protestwelle seit Jahrzehnten. China-Experte Matthias Stepan erklärt die Position Pekings und was Proteste in der Vergangenheit bewirkt haben.

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Matthias Stepan, Co-Leiter Forschungsbereich Politik Merics
Bild: Marco Urban

Deutsche Welle: Was sind die Hauptziele der Protestierenden?

Die Protestierenden setzen sich allgemein für mehr Demokratie, und im konkreten Fall für eine Direktwahl des Hongkonger Verwaltungschefs ein. Es geht ihnen darum, dass sie nicht nur zwischen bereits zuvor ausgewählten Kandidaten wählen können, sondern dass es zu einer Direktwahl eines Kandidaten kommt, der auch von den Menschen in Hongkong nominiert wurde.

Wie steht die Bevölkerung Hongkongs insgesamt zu den Protesten?

Man muss sagen, dass die Bevölkerung recht gespalten ist. Auf der einen Seite gibt es neben den Studierenden, welche den derzeitigen Protest maßgeblich tragen, die "Occupy Central"-Bewegung und die anderen prodemokratischen Kräfte in Hongkong, die in den letzten Monaten einen enormen Zulauf gehabt haben. Auf der anderen Seite gibt es Bewohner, die sich Sorgen um die Stabilität in Hongkong machen. Ich könnte mir vorstellen, dass sich nun immer größere Teile auf die Seite der Pro-Demokratie-Bewegung stellen - weil die Studentenproteste stark Fahrt aufgenommen haben, und auch wegen der Aktionen der Polizei, wie zum Beispiel dem Einsatz von Tränengas.

Die Hongkonger Führung hat am Sonntag erklärt, sie sei gesprächsbereit. Was soll das heißen?

Das heißt vermutlich, dass man sich nochmal über die konkrete Ausgestaltung der Entscheidung des ständigen Ausschusses des Nationalen Volkskongresses hinsichtlich der Wahlrechtsreform des Hongkonger Verwaltungschefs und der Hongkonger Legislative unterhalten kann. Der Nationale Volkskongress hat am 31. August erst mal eine Entscheidung gefällt. Allerdings muss diese Entscheidung auch von der Legislative Hongkongs beschlossen werden. Und da gab es bislang nicht die Mehrheit, um das auch wirklich durchzusetzen. Bereits im Vorlauf der Entscheidung gab es Kompromissvorschläge seitens der prodemokratischen Kräfte in Hongkongs Legislative. Zumindest Teile des Nominierungskomitees könnten beispielsweise von den Bürgern Hongkongs direkt gewählt werden. Oder man könnte die Zahl der Kandidaten auf fünf oder sogar mehr erhöhen.

Lässt denn die Entscheidung des nationalen Volkskongresses Spielraum für solche Anpassungen?

Die ursprüngliche Idee der chinesischen Zentralregierung war sicherlich, dass es relativ wenig Spielraum für Anpassungen gibt. Mit dem großen Druck, der sich derzeit in Hongkong aufbaut, bin ich mir aber sicher, dass Peking der Hongkonger Regierung Spielraum gewähren wird, um einen Kompromiss zu finden, damit die Situation nicht vollständig eskaliert.

Studentenprotest in Hongkong Occupy Central 28. Sept
Studentenproteste in Hongkong am 28.9.Bild: Reuters

Die Forderungen der Demonstranten gehen allerdings weiter. Sie fordern eine echte Wahl des Verwaltungschefs in Hongkong ohne eine - wie auch immer gestaltete - Vorauswahl. Wird Peking dem nachgeben?

Ich denke, in diesem Punkt wird Peking definitiv nicht nachgeben. Man wird nicht zulassen, dass Personen in politische Führungspositionen aufsteigen, die nicht eine direkte Verbindung und konkrete Loyalität zur chinesischen kommunistischen Partei aufzeigen. Was ich vorher angesprochen habe, sind Kompromisse hinsichtlich des Nominierungskomitees. Hier sehe ich die Möglichkeit, dass man nach Kompromissen suchen könnte.

Wie wird sich die Lage in Hongkong ihrer Ansicht nach entwickeln?

Ich habe den Eindruck, dass in der derzeitigen Berichterstattung ein wenig vergessen wird, dass die Bürger von Hongkong es schon in der Vergangenheit geschafft haben, Entscheidungen sowohl von der Zentralregierung in Peking als auch von der Hongkonger Regierung durch Proteste zu beeinflussen. Zum Beispiel im Jahr 2003. Damals war eine halbe Million Menschen auf der Straße, die sich dagegen ausgesprochen haben, dass Gesetze hinsichtlich der Staatssicherheit in Hongkong verschärft werden. Als Folge musste damals der Sicherheitschef von Hongkong zurücktreten, und der damalige Verwaltungschef legte ebenfalls kurz darauf sein Amt nieder. Man kann also nochmal unterstreichen, dass Proteste in Hongkong immer wieder dazu geführt haben, dass die Hongkonger Regierung - auch trotz Rückendeckung aus Peking - Entscheidungen anpassen musste, um nicht eine weitere Eskalation herauszufordern.

Matthias Stepan ist Ko-Leiter des Forschungsbereich Politik beim Mercator Institut für China-Studien MERICS in Berlin.