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Künstler als Friedenstreiber

Ingrid Arnold15. März 2003

Frieden als Trend: Viele Künstler und Prominente protestieren gegen den Krieg - medienwirksam mit T-Shirt-Slogans oder Manifesten. Die Friedensappelle werden jedoch auch kritisch betrachtet.

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Der Protest steht ihr gutBild: AP

Fast alle Events der Unterhaltungsbranche konnten sich in letzter Zeit mit Friedensappellen von Prominenten schmücken - sei es die Berlinale oder die Verleihung der spanischen Goyas. "Krieg ist nicht die Antwort", verkündete bei den American Music Awards das T-Shirt der US-Sängerin Sheryl Crow. Auch bei der Grammy-Verleihung in den USA versuchten einige teilnehmende Künstler zumindest, sich Bush-kritisch zu äußern.

Manches Feuilleton schimpft über das Niveau der Proteste: "Kein Krieg" sei die unzulässige Vereinfachung einer komplizierten Weltlage und lasse zudem die Kritik an Saddam Hussein vermissen. Davon unbeeindruckt nutzen viele Künstler die Möglichkeit einer globalen Vernetzung: Sie führen weltweit parallel Theaterstücke auf oder organisieren transnationale Gedichtlesungen. Im Oktober 2002 wurde der Aufruf "Not in Our Name" ("Nicht in unserem Namen") in kürzester Zeit von Tausenden Künstlern unterzeichnet.

Vom Manifest zum T-Shirt

Gemeinsame Erklärungen von Intellektuellen, Künstlern und Wissenschaftlern folgen einer alten Tradition. Die Futuristen brachten sich 1909 damit ins Gespräch, berüchtigt ist das Kriegspropaganda-"Manifest der 93" von 1914. "Verhindern wir einen völkerrechtswidrigen Krieg!", lautete im Januar 2003 ein vom Heidelberger Grafiker Klaus Staeck initiierter Aufruf - der dieser Tage "in letzter Minute" wiederholt wurde; unter den 900 Unterzeichnern: der französische Philosoph Jacques Derrida und Literatur-Nobelpreisträger Günter Grass.

Die individuelle Äußerung eines Künstlers oder Prominenten ist dagegen ein neueres Phänomen - und wird von den Medien dankbarer aufgenommen als ein weiteres Manifest. So war das spontane "Give Peace a Chance" des Popsängers Robbie Williams der medial vermittelte Höhepunkt der diesjährigen Echo-Award-Verleihung. Die öffentliche Anti-Kriegs-Haltung von Künstlern ist aber nicht generell ein neuer Trend; das beweist die Rückkehr alter Friedensbarden, von Konstantin Wecker bis Cat Stevens.

Kommunikationsdesignprofessor Peter Wippermann vom Hamburger Trendbüro betont den Unterschied aktueller Proteste zur Friedensbewegung der 1980er-Jahre: Es gebe heute nicht mehr dieselbe Kontinuität, stattdessen ein "schnelles, starkes Engagement für den Frieden" - das jedoch ebenso schnell wieder verschwinden könne. Dieses unberechenbare Verhalten, so Wippermann gegenüber DW-WORLD, zeige sich auch im Phänomen der Wechselwähler.

Es geht um Redefreiheit

Wippermann sieht eine weitere Analogie zur Politik: "Medienhelden werden gesucht und mit einem Votum ausgestattet". Jüngstes Beispiel: "Deutschland sucht den Superstar" - und dieser nimmt dann eine Art Stellvertreterposition ein. Äußerungen von Prominenten seien damit ein wichtiger und ernst zu nehmender Seismograf für Stimmungen, so Wippermann.

Die Stimmung der Berlinale-Besucher wollte im Februar eine Gruppe Filmschaffender einfangen. Die Aktion "Freedom2speak" ("Redefreiheit") lud normale Festivalbesucher ebenso wie Schauspieler und Regisseure ein, sich vor der Kamera zur Irak-Krise zu äußern. Daraus wurde ein Film produziert - in dem überwiegend Stars wie Dustin Hoffman oder John Hurt zu Wort kommen. "Prominenten hört man eher zu", begründet Gisela Schmalz, eine der Produzentinnen, gegenüber DW-WORLD.

Obwohl Filmschauspieler sich bei dieser Aktion nicht auf einfache Slogans beschränkten, mag mancher schlichte Gedanken gehabt haben, vermutet Schmalz: "Oh, da ist eine Kamera, da kann ich mich mit einem medienwirksamen Thema selbst promoten." Auffällig sei beim Drehen der Statements allerdings gewesen, "dass sich manche Leute heldenhaft fühlten, weil sie sich gegen einen Krieg aussprachen, gerade die amerikanischen Prominenten", so Schmalz.

Akt des Widerstandes

Mit ihren Friedensappellen promoten sich Stars automatisch selbst. Doch kein PR-Berater würde zugeben, seinen Schützlingen zu einem öffentlichen Protest geraten zu haben. Ist eine solche Annahme aber abwegig - angesichts der großen Menge an Promi-Statements? Für eine wirtschaftliche Vereinnahmung prominenter Friedensaktivisten sieht Peter Wippermann jedoch keinerlei Anzeichen. Im Gegenteil: Stars äußerten sich durchaus intuitiv - und spielten damit eine wichtige Rolle bei der Meinungsbildung.

Mittlerweile ist manche Äußerung, ob intuitiv oder geplant, sogar zu einem Akt des Widerstandes geworden - und das in Ländern mit verfassungsrechtlich verbriefter Meinungs- und Redefreiheit: Während die Medien hier zu Lande Kriegs-kritische Meinungen gerne und ausführlich wiedergeben, finden in den US-Medien Kriegsgegner schwerer eine Öffentlichkeit. Von McCarthy-Ära-ähnlichen Zuständen ist die Rede, es sollen "schwarze Listen" von politisch unbequemen Künstlern existieren.

Der Popstar George Michael jedenfalls durfte jüngst in der britischen Fernsehsendung "Top of the Pops" kein T-Shirt gegen den Irak-Krieg tragen. "Kein Krieg - Blair raus", hätte sein von der BBC verhindertes Statement gelautet. T-Shirt-Aufdrucke mögen selten differenzierte Aussagen sein, aber der Sänger kann nun mit Recht Empörung zeigen - und ist so oder so einmal mehr in den Schlagzeilen.