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Künstler und der neue Datenschutz

Stuart Braun pj
24. Mai 2018

An diesem Freitag tritt die EU-Datenschutz-Grundverordnung (EU-DSGVO) in Kraft. Was bedeutet das für Künstler und Galeristen, die in vielen Fällen auf die Kontakte in ihren Mailverteilern angewiesen sind?

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Street-Art-Festival «Magic City»
Bild: picture-alliance/dpa/S. Kahnert

Seit Wochen informieren Künstler und Musiker, die Ausstellungen und Konzerte vor allem über Newsletter und Rundmails bekanntmachen, ihre Abonnenten über neue EU-Datenschutzregeln, die am 25. Mai in Kraft treten - und was das für die Adressaten der Mails bedeutet. Es geht bei der EU-Datenschutz-Grundverordnung (EU-DSGVO) um den Schutz der Grundrechte und Grundfreiheiten natürlicher Personen und insbesondere deren Recht auf Schutz personenbezogener Daten. Die EU-DSGVO wird direkt geltendes Recht in allen EU-Mitgliedsstaaten.

Unternehmen, aber eben auch Kunstschaffende und Kulturvereine, brauchen von nun an das Einverständnis der Adressaten, sie weiterhin anzuschreiben. Darüberhinaus müssen sie transparent darstellen, was sie mit personenbezogenen Daten machen. Die Bußgelder bei Nichteinhaltung dieser Regeln sind empfindlich hoch.

Einwilligung nötig

Die Berliner Musikerin Sam Wareing organisiert seit 2010 die monatlichen "Sofa Salon"-Hauskonzerte in Wohnzimmern der Hauptstadt. Die Eventreihe ist eine Plattform für reisende Musiker aus der ganzen Welt, und pro Veranstaltung gibt es Platz für etwa 50 Besucher - fast alle werden über Mailings eingeladen. Wareing hat nun alle Menschen in ihrem Verteiler angeschrieben und gefragt, ob sie damit einverstanden sind, den Newsletter weiter zu beziehen und damit ihre persönlichen Daten samt Namen, E-Mailadressen und manchmal Telefonnummern und postalische Adresse, zu hinterlegen.

Infografik zur neuen Datenschutzverordnung der EU
Verbraucher sollen durch die neuen EU-Regelungen mehr Kontrolle über die Verwendung ihrer persönlichen Daten bekommen

Nun macht sich Wareing Sorgen, sie könnte etwas übersehen haben, und die Hälfte ihrer Abonnenten - und somit Kunden - könnte abspringen. Schlimmstenfalls ginge es um das Überleben ihrer Konzertreihe.

Kein Geld für Kampagnen

Danielle de Picciotto und Alexander Hacke von der Band "Einstürzende Neubauten" baten Abonnenten, die ihren Newsletter nicht mehr erhalten wollten, sich abzumelden, nicht ohne darauf hinzuweisen, wie wichtig der Newsletter für das Marketing der Band ist. Freischaffende Künstler hätten kein Budget für große Pressekampagnen, und im Newsletter könnten Fans erfahren, was die Band so treibe.

Was bringt die neue EU Datenschutz-Regelung?

Im Prinzip sei Datenschutz positiv, meint Wareing. "Wenn Anbieter ein Opt-In haben, ist das eine gute Sache", sagt sie im Gespräch mit DW. "Das heißt, man muss zustimmen, wenn man bestimmte Inhalte haben möchte." Nutzern gebe das die Möglichkeit, ihre Posteingangsfächer zu entschlacken, indem sie eben nicht einwilligen.

Große Sorge unter Kunsthändlern

Auch unter Galeristen herrscht Sorge. Ob man bestimmten Kunden ohne ihre schriftliche Einwilligung weiterhin E-Mails schicken könne, fragte Anfang des Jahres Peter Osborne, Leiter der Londoner Galerie "Osborne Samuel" in "The Arts Newspaper". Wenn man sämtliche Kunden anschreiben müsste, würden vielleicht nur wenige antworten, "vor allem VIPs und wichtige Klienten, die wenig Zeit hätten", fürchtete der Galerist. Wie Andreja Velimirovic im März in einem Artikel im "Widewalls Magazin" schrieb, lebt der Kunstmarkt vom "verschwiegenen Umgang mit Informationen". Damit werde so viel Geld wie möglich gemacht. Es sei ein intransparentes Geschäft, und stehe im Widerspruch zur DSGVO, so Velimirovic. 

Die "Financial Times" berichtete im März dieses Jahres darüber, wie "eine verschwiegene Kunstwelt sich mit Datenschutzbestimmungen herumschlägt". Der Artikel beschreibt detailliert, wie Kunstgalerien Beziehungen zu ihren Kunden aufbauen, indem sie über viele Jahre private Informationen sammeln - "von Geschmack über Kaufhistorien bis hin zu Privatadressen und ihre Essgewohnheiten." Laut Ian De Freitas, Experte in Sachen EU-DSGVO, werde die gesamte Kunstwelt in Zukunft darunter leiden, wenn Galerien private Daten entfernen und VIPs oder zahlkräftige Kunden aus ihren E-Mail-Listen streichen müssen.

Angst an der Basis

Die Londoner Autorin Katherine Tyrrell bloggt unter dem Titel "Making A Mark on Art" über Kunst und berät Künstler im Hinblick auf die neuen Regelungen. Sie meint, die EU habe es versäumt, deren Auswirkungen auf kleine Kunstbetriebe vorauszusehen. Seit die Regulierung 2016 beschlossen wurde, habe die EU nicht nur darin versagt, kleinen Unternehmen die Änderungen zu vermitteln, sondern ihnen stattdessen "nur Angst gemacht und sie verwirrt, mit sehr wenig Zeit, die Neuerungen zu implementieren", so Tyrrell gegenüber der DW.

Obwohl auch Tyrrell der Meinung ist, dass der Schutz persönlicher Daten verbessert werden muss, fürchtet sie, dass eine standardisierte Herangehensweise die kleinen, unterbesetzten Unternehmen von Künstlern und Kultureinrichtungen zu sehr unter Druck setzen könnte. "Das Maß an Veränderung ist sehr hoch für einen Künstler oder Einzelhändler verglichen mit Firmen, die es sich leisten können, Angestellte mit dem Thema zu beauftragen. Es kann sehr gut sein, dass dies viel Angst verursacht und wirtschaftliche Aktivitäten auf dem niedrigsten Level erstickt." Laut "Verge Magazine" könnte dies Großkonzernen wie Google und Facebook auch noch in die Hände spielen.

Facebook-Chef Mark Zuckerberg während seiner Befragung am 22. Mai 2018 vor dem EU-Parlament
Facebook-Chef Mark Zuckerberg während seiner Befragung am 22. Mai 2018 vor dem EU-ParlamentBild: picture-alliance/AA/European Parliament

Die Nachrichtenagentur Reuters berichtete im April, dass die Daten von fast 1,5 Milliarden Facebook-Nutzern auf der ganzen Welt durch das neue Gesetz geschützt werden, weil das soziale Netzwerk seinen Sitz in Irland hat. Das könnte zwar dazu führen, dass Facebook bald Strafen in Milliardenhöhe zahlen muss, wenn es die Bedingungen nicht erfüllt. Aber Firmen wie Facebook und Google haben am Ende die nötigen Ressourcen, um die neuen Datenschutzregelungen zu implementieren, selbst wenn ihre gewaltigen Umsätze einmal einen kleinen Knick bekommen.

Augen zu und durch?

Tyrrell glaubt, dass viele kleine Kreativunternehmen einfach weitermachen werden wie zuvor. "Ich vermute, dass die meisten Künstler gar nicht wissen, was da am 25. Mai in Kraft tritt", sagt sie. Sie ist sich nicht sicher, ob dies zu Problemen mit dem Gesetz führen wird und schließlich zu potenziellen Geldstrafen in Millionenhöhe. 

"Die Regulierungsbehörden sollten ihre Zeit nicht damit verschwenden, den Künstlern hinterherzujagen, die wenig Ahnung von dem Jargon und den Ausdrücken haben, die in den Bestimmungen stehen." Gesetzgeber und Regulierungsbehörden sollten ihre Prioritäten richtig setzen, glaubt sie, und "all ihre Energie darauf verwenden, die Großkonzerne zur Kasse zu bitten."

DW Autor l Kommentatorenfoto Stuart Braun
Stuart Braun Australischer DW-Journalist und Buchautor.