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Länger als geplant

Rainer Sollich16. Juli 2003

Die Amerikaner wollen das Zepter im Irak schnellstmöglich an den Regierungsrat abgeben. Keinen Tag länger bleiben, als notwenig, ist die Devise. Ein geplanter Teilabzug der Truppen musste aber schon verschoben werden.

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Fast täglich sind US-Soldaten im Irak Angriffen ausgesetztBild: AP

Zum ersten Mal hat der amerikanische Zivilverwalter, Paul Bremer, die Besatzungsdauer im Irak von Fortschritten im politischen Stabilierungsprozess abhängig gemacht. Der Abzug der Besatzungstruppen hänge davon ab, wie lange der neue irakische Regierungsrat für die Verabschiedung einer Verfassung und die anschließende Bildung einer neuen Regierung benötigen wird, sagte Bremer am Dienstag (15.7.03) in Bagdad.

Porträt: Paul Bremer, Irak Beauftragter der US-Regierung
Schwieriges Amt: Paul BremerBild: AP

Bremer weist damit dem von ihm handverlesenen und am Sonntag (13.7.03) eingesetzten irakischen Regierungsrat die Hauptverantwortung für schnelle Erfolge zu. "Unser Job, also der Job unserer Koalition, wird danach erledigt sein. Wir haben keinerlei Sehnsucht, auch nur einen Tag länger zu bleiben als nötig."

Abzug verschoben

Dies ist zwar eine deutliche Absichtserklärung, faktisch jedoch bleibt weiterhin unklar, wie lange genau die amerikanischen Besatzungssoldaten und ihre Verbündeten im Irak bleiben werden. Am Dienstag (15.7.03) berichtete der amerikanische Nachrichtensender CNN von einem Beschluss der Regierung in Washington, demzufolge mindestens 9000 US-Soldaten unbefristet im Irak stationiert bleiben sollen. Ergänzend erklärte das Pentagon, der ursprünglich für September geplante Abzug von fast 16.000 amerikanischen Infanterie-Soldaten müsse auf unbestimmte Zeit verschoben werden.

Offenbar gibt es für diese Entscheidung im wesentlichen zwei Gründe. Erstens die nach wie vor sehr heikle Sicherheitslage im Land. Erst am Mittwoch (16.7.03) wurde nahe Bagdad erneut ein US-Soldat getötet. Der Mann starb bei einem Bombenanschlag, zwei weitere Soldaten wurden dabei verletzt. Über Hintergründe und Täter wurde zunächst nichts bekannt. Doch der Vorfall zeigte erneut: Die militanten Gegner der amerikanischen Besatzung sind längst noch nicht besiegt.

Hohe Erwartungen an Regierungsrat

Zweitens können die USA auch offenbar noch nicht genau abschätzen, wie effektiv der von ihnen eingesetzte Regierungsrat arbeiten wird. Das Gremium setzt sich im wesentlichen aus früheren Exil-Irakern zusammen, die sehr unterschiedlichen und teils konkurrierenden ethnischen und politischen Gruppen angehören. Machtkämpfe und Konflikte innerhalb des Gremiums sind keineswegs ausgeschlossen und könnten den Aufbauprozess weiter in die Länge ziehen.

Obwohl der Regierungsrat nicht von der Bevölkerung gewählt, sondern lediglich von den Amerikanern eingesetzt wurde - die internationalen Reaktionen auf die Gründung des Gremiums waren weitgehend positiv. Der deutsche Außenminister Joschka Fischer zum Beispiel sprach im Interview mit einem amerikanischen Fernsehsender von einem "Schritt in die richtige Richtung". Zugleich mahnte Fischer erneut eine zentrale Rolle der UNO im Irak an, ließ aber offen, ob dann auch deutsche Soldaten im Irak stationiert werden könnten.

Beschluss für ein Kriegsverbrechertribunal

Auch der dänische Zivilverwalter in der südirakischen Stadt Basra, Ole Wöhler Olsen, begrüßte die Bildung des 25-köpfigen Rates, betonte aber gleichzeitig, dies sei erst der Anfang. "Es wird eine ganz lange Zeit dauern, bis man eine Sicherheitssituation hat, die eine neue Verwaltung- oder Administration möglich macht und damit auch freie, transparente, demokratische Wahlen", sagte Wöhler Olsen im Gespräch mit der Deutschen Welle.

Einen Beschluss hat der Regierungsrat bereits gefällt: Das Gremium will ein Kriegsverbrechertribunal für ehemalige Mitglieder des gestürzten Regimes von Saddam Hussein einrichten. Die Menschenrechtsorganisation "Human Rights Watch" äußerte allerdings umgehend Bedenken hinsichtlich der Unabhängigkeit und Neutralität eines solchen Tribunals. Eine Sprecherin der Organisation erklärte: "Saddams Opfer sollten nicht die Wächter des Justizsystems sein."