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Kein schöner Land

10. Juli 2009

"Kein schöner Land": mit dem Titel, der einem beliebten deutschen Volkslied entstammt, beschwört der Roman von Patrick Findeis Bilder von heimatlicher Idylle herauf - um sie gleich darauf als Lüge zu entlarven.

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Bild: DVA

Drei Schauplätze im Süden Deutschlands, nicht weit von Ulm: Friedberg, die fiktive Kreisstadt mit Gymnasium, Gefrieß, die Gemeinde mit Hauptschule, und Rottensol, das Dorf mit Grundschule. Der Debütroman von Patrick Findeis, geboren 1975 in Heidenheim an der Brenz, erzählt über die letzten drei Jahrzehnte hinweg von drei Familien und deren vier Söhnen aus diesem stillen Winkel Württembergs. Die Söhne sind es, die zwischen den Familien die Verbindungen stiften – in Freundschaft und Feindschaft, Liebe und Hass.

Alle vier Jungen – Olaf und Jürgen, die beiden Schlosserei-Söhne aus der Firma Metallbau Fetsch in Friedberg, und die beiden Dorfbuben aus Rottensol, Uwe, der Sohn vom Wirtshaus Gambrinus, und Alexander, der Sohn des Bauern Späht – kennen nur ein Ziel, als sie halbwegs herangewachsen sind: abhauen, weggehen so rasch wie möglich. Die Heimat ist für sie kein "schöner Land", sondern die Provinz-Finsternis schlechthin: Enge, Unfreiheit und soziale Kälte, gepaart mit Lieblosigkeit in den Familien mit ihren herrschsüchtigen Vätern und ihren geduckten, schwachen Müttern.

Das Weite suchen – und nicht finden

Alle vier Jungen suchen das Weite – aber sie finden es nicht. Sie kommen nicht los von ihrer Herkunftsregion. Als Geschlagene, Gescheiterte kehren drei von ihnen zurück in ihre Elternhäuser, wo die unberührten Kinderzimmer sie erwarten, die ihre traurigen Mütter über all die Jahre für sie bereitgehalten haben.

Die Väter sind es, die den Jungen das Bleiben verleidet und sie letztlich in die Flucht geschlagen haben. Der gemeinsame Fluchtpunkt in der Vergangenheit ist der ungeklärte Brand in der Schlosserei Fetsch vor zehn Jahren. Hat Olaf, der Älteste, die Firma des Vaters abgefackelt, weil der ihn zur Nachfolge zwingen wollte? Ist Olaf deswegen zur Fremdenlegion gegangen? Oder hat Jürgen, der jüngere Bruder, die Eltern bewusst in diesem Glauben gelassen, um den verhassten älteren Bruder aus dem Haus wegzuscheuchen? Und ist der Schlosserlehrling Alexander weggegangen, weil sein Betrieb abgebrannt ist oder weil sein Vater, der Bauer Späht, ihn wegen seiner Homosexualität aus dem Haus geekelt hat?

Das Elend eines ungeliebten Liebenden

Tilman Rammstedt gewinnt den 32 Ingeborg - Bachmannpreis
Patrick Findeis (2.v.r.)- einer der Gewinner beim Bachmann-Wettbwerb 2008Bild: picture-alliance/ dpa

Die Hauptfigur, der Sympathieträger des Romans, ist der blonde Uwe: das Kuckuckskind des Bauern Späht im Wirtshaus Gambrinus, der unglückliche Liebende, der nicht zurückgeliebt wird, weder vom bewunderten Kindheitsfreund Olaf, noch von der hübschen, labilen Nicki. Olafs und Uwes Wege trennen sich an der Karriere-Gabelung Gymnasium (Olaf) und Hauptschule (Uwe). Ungelitten im Elternhaus, geht der Zimmermann Uwe auf die Walz, doch er kommt nicht weit: Die Mutter lockt ihn mit einer Lüge zurück ins Dorf, in dem Uwe einen elenden Drogentod sterben wird.

Patrick Findeis ist ein ungemein dichter, schmerzlich verschwiegener Roman gelungen, eine Neubegründung des Provinzromans.

Rezensentin: Sigrid Löffler
Redaktion: Gabriela Schaaf

Patrick Findeis: "Kein schöner Land", Roman

Deutsche Verlagsanstalt DVA, München 2009. 202 S. 18,95 Euro